Strafrecht

Strafrecht Allgemeiner Teil

Versuch und Rücktritt

Rücktritt unbeendeter Versuch - Grundlagen 5

Rücktritt unbeendeter Versuch - Grundlagen 5

22. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

T möchte Os Gemälde zerstören. Dafür bricht er in dessen Wohnung ein, wobei er dadurch bereits unmittelbar ansetzt. Als er in der Wohnung ist, entscheidet er sich, lieber die Vasen zu zerstören. Er hört jedoch ein lautes Geräusch und flieht, wobei er denkt, dass er die Vasen noch hätte umwerfen können.

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Einordnung des Falls

Rücktritt unbeendeter Versuch - Grundlagen 5

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Ts Versuch der Sachbeschädigung (§§ 303 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB) ist fehlgeschlagen.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Versuch gilt dann als fehlgeschlagen, wenn der Täter glaubt, dass er den Erfolgt nicht mehr herbeiführen kann, ohne eine völlig neue Kausalkette in Gang zu setzen. T dachte, dass er die Vasen noch hätte umwerfen können. Er dachte gerade nicht, dass er den Erfolg nicht mehr herbeiführen kann.
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2. Es liegt ein unbeendeter Versuch vor.

Ja!

Ein Versuch gilt dann als unbeendet, wenn der Täter sicher annimmt, dass es weiterer Handlungen bedarf, um den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. Dabei reicht es aus, dass er den Erfolgseintritt für möglich hält. T hat weder die Vasen noch die Gemälde berührt. Er nahm auch an, dass er weitere Handlungen hätte vornehmen müssen, um sie zu zerstören. Hier musst Du darauf achten, nicht unsauber zu arbeiten. Denn die Anforderungen an den Rücktritt hängen davon ab, ob ein unbeendeter oder beendeter Versuch vorliegt.

3. T hat die weitere Tatausführung aufgegeben, als er sich entschieden hat, lieber die Vasen zu zerstören.

Nein, das ist nicht der Fall!

Bei unbeendeten Versuchen ist es ausreichend, wenn der Täter die weitere Tatausführung aufgibt, da so die Gefahr für das Rechtsgut vollständig abgewendet werden kann (§ 24 Abs. 1 S. 1 Var. 1 StGB). Dabei muss der Täter von der konkret angestrebten Tat vollständig Abstand nehmen. Ein vorübergehendes Innehalten ist nicht ausreichend. Wenn der Täter die konkrete Tathandlung abbricht, aber den Tatentschluss beibehält, kommt es darauf an, ob die geplante Ausführungshandlung mit der ursprünglichen Handlung tatidentisch ist. T möchte die Gemälde nicht mehr zerstören. Er möchte jedoch weiterhin eine Sachbeschädigung begehen. Ein Rücktritt und ein zweiter Versuch wären nur dann möglich, wenn zwei unterschiedliche Taten vorlägen. Dies ist bei unterschiedlichen Objekten der Sachbeschädigung nicht der Fall.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Tigerwitsch

Tigerwitsch

29.5.2021, 23:12:15

Hat denn T wirklich die Tat auch freiwillig aufgegeben? Zwar ergibt sich aus dem SV nur, dass er ein lautes Geräusch hört. Die Flucht ist jedoch - lebensnah ausgelegt - dadurch bedingt, dass er sich wohl entdeckt gefühlt hat. Insofern dürfte es an der freiwilligen Aufgabe fehlen, oder nicht?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.5.2021, 09:00:44

Hallo Tigerwitsch, die bisherige Fragestellung zielt bislang nur auf den Wechsel des

Tatobjekt

es ab, weshalb es hier schon an dem "Aufgeben" der Tat fehlt. Zum Zeitpunkt des lauten Geräusches kann man in der Tat darüber nachdenken, ob noch ein freiwilliger Rücktritt vorliegt. Unfrewillig soll der Täter regelmäßig dann handeln, wenn sich aus seiner Sicht durch nicht vorhergesehene Umstände das für ihn mit der Tatbegehung verbundene Risiko beträchtlich erhöht hat und er deshalb von der weiteren Tatausführung absieht. [...] Zugleich betont der BGH jedoch, dass der Umstand, dass der Täter erkennt bzw. befürchtet entdeckt worden zu sein oder zu werden, nicht zwangsweise zu einer Unfreiwilligkeit des Rücktrittsverhaltens führe. Eine Entdeckung soll insbesondere dann nicht ausschließen, dass der Täter noch "Herr seiner Entschlüsse war" und mithin freiwillig zurücktrat, wenn sich die Tat von Beginn an in der Öffentlichkeit zugetragten hat, es dem Täter also von Anfang an nicht auf die Heimlichkeit seines Vorgehens ankam." (MüKo-StGB/Hoffmann-Holland, 4.A 2020, Rn. 107) Daran gemessen ist der Sachverhalt etwas zu dünn, um mit Bestimmtheit zu sagen, ob nun ein freiwilliges oder ein unfreiwilliges Aufgeben vorlagen. Der Automatismus "mögliche Entdeckung=unfreiwillig" greift nach der Rechtsprechung etwas zu kurz. Insoweit bedürfte es noch etwas mehr Hinweise bzgl. des Mindset des T. Der Umstand, dass sich T aber bereits durch ein Geräusch in die Flucht schlagen lässt, legt hier nach mE durchaus nahe, dass man von einer unfreiwilligen Aufgabe ausgeht. Beste Grüß Lukas (P.S.: herzlichen Glückwunsch zu Platz #1 ;-) )

Tigerwitsch

Tigerwitsch

31.5.2021, 09:40:12

Vielen Dank sowohl für die Antwort als auch den Glückwunsch! 😉

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

30.5.2021, 08:29:10

Kann es sein, dass bei der letzten Frage die richtige Antwort vertauscht ist? M.E. spricht der Erklärungstext gegen ein Aufgeben 🤔

FML

FML

30.5.2021, 10:22:47

Ich denke bezogen auf den Tatgegenstand des §303 StGB ist es beachtlich, dass hier die Tat an den Gemälden aufgegeben wurde. Unabhängig davon was mit den Vasen noch passiert.

TeamRahad 🧞

TeamRahad 🧞

30.5.2021, 11:09:46

Diese Ansicht finde ich auch überzeugend @FML, nur sagt in meinen Augen die Subsumtion in der Antwort das Gegenteil 🤷

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

31.5.2021, 08:46:09

Hallo zusammen, hier waren tatsächlich die Antwortmöglichkeiten vertauscht. Der Wechsel des

Tatobjekt

es ließe sich auf dem Boden der

Tatplantheorie

sicher als Aufgeben der Tat verstehen. Nach der heute überwiegend vertretenen Gesamtbetrachtungstheorie führt hier der Austausch des

Tatobjekt

es nicht dazu, dass eine andere Tat vorliegt, weswegen zu diesem Zeitpunkt noch keine Aufgabe der Tat vorlag. Beste Grüße, Lukas :)

TI

Tinki

11.9.2024, 18:13:55

Wie baue ich das im Gutachten auf bzw. wo bzw. muss überhaupt im Erg. der wechselnde Tatentschluss irgendwie erkennbar werden? OS: T könnte sich wegen versuchter Sachbeschädigung gem. § 303 III strafbar gemacht, indem er ins Haus einbrach, um Gemälde zu zerstören. Erg.: T hat sich wegen versuchter Sachbeschädigung gem. § 303 III strafbar gemacht, indem er ins Haus einbrach, um Gemälde zu zerstören? Danke vorab!

Linne_Karlotta_

Linne_Karlotta_

13.9.2024, 16:25:49

Hallo @[Tinki](200906), danke für Deine Frage. Genau so, wie Du es vorschlägst, würde ich es schreiben. Der Obersatz sollte zeigen, auf welcher Grundlage Deine Prüfung steht. Hier prüfst Du einen Versuch bzgl. des Gemäldes, nicht bzgl. der Vase. (Eine Versuchsstrafbarkeit wegen Sachbeschädigung an der Vase würdest Du seperat prüfen, hier aber wegen des fehlenden unmittelbaren Ansetzen ablehnen). Generell solltest Du im Obersatz keine rechtliche Wertung vornehmen, sondern im besten Fall die Beschreibung des Sachverhalts 1:1 übernehmen (hier haben wir im Fall das „Einbrechen“ vorgegeben, in einer Klausur würde wahrscheinlich eher so etwas stehen wie: „T schlägt die Scheibe der Wohnung ein und steigt durch das Fenster ins Wohnzimmer“). Du solltest generell in Deinem Obersatz immer den Sachverhalt verwenden, welchen Du dann auch für die Subsumtion verwendest. Also: Die (objektive) Handlung und subjektive Einstellung des Täters, die letztlich dazu führt, dass Du die Strafbarkeit bejahst. Auf diese Weise vermeidest Du, gerade in den Fällen, in denen m

ehre

re Handlungen zu einer Strafbarkeit geführt haben könnten, dass Du bei der Prüfung durcheinander gerätst. In der Regel bietet es sich hier an, chronologisch vorzugehen (hier: zuerst Gemälde, weil das Ts ursprünglicher Plan war, als T in die Wohnung einbricht). Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs–Team

B.H.

B.H.

7.10.2024, 13:44:24

D.h. ich würde im tatsächlichen Gutachten keinen eigen Prüfungspunkt bzgl. der Vase eröffnen, sondern die Strafbarkeit bzgl. der Vase insgesamt in der Prüfung zur Strafbarkeit hinsichtlich der Gemälde abhandeln?


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