Nötigung durch notorisches Linksfahren auf der Autobahn


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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T fährt auf der wenig befahrenen Autobahn ohne Geschwindigkeitsbegrenzung ohne nennenswerten Grund mit 90 km/h permanent auf der linken Spur und verhindert somit, dass der mit viel höherer Geschwindigkeit anrauschende O überholen kann. Trotz Blinker und Lichthupe räumt T die linke Spur nicht, sondern setzt die Fahrt für mehrere Kilometer fort.

Einordnung des Falls

Nötigung durch notorisches Linksfahren auf der Autobahn

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Indem T kein Überholen des O zulässt, übt er Gewalt gegen diesen aus (§ 240 Abs. 1 Var. 1 StGB).

Ja!

Der klassische Gewaltbegriff setzt voraus, dass der Täter (1) durch körperliche Kraftentfaltung (2) Zwang ausübt, indem er auf den Körper eines anderen einwirkt, (3) um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden. Das permanente Nutzen des linken Fahrstreifens stellt einen körperlich wirkenden Zwang gegen O dar, da dieser stark abbremsen muss und nicht am Fahrzeug des T vorbeikommt. Auch Behinderungen im Straßenverkehr können die Anforderungen an den Gewaltbegriff erfüllen, wenn deren Auswirkungen den Bereich des rein Psychischen verlassen und somit (auch) physisch wirken (BGH, NJW 1995, 2862). Dem steht die berühmte Entscheidung des BVerfG (NJW 1995, 1141) auch nicht entgegen.

2. Ts Handeln ist als verwerflich einzustufen (§ 240 Abs. 2 StGB).

Genau, so ist das!

Verwerflich ist eine Verhaltensweise, wenn die Gewaltanwendung oder die Drohung zu dem beabsichtigten Zweck in einem auffallenden Missverhältnis stehen. Dabei muss das Missverhältnis derart auffällig sein, dass die Verhaltensweise als sozialethisch missbilligenswert anzusehen ist, d.h. von einem verständigen Dritten als sozial unerträglich, als strafwürdiges Unrecht empfunden wird. Dabei ist nicht jedwedes mit einer Gefährdung verbundene verkehrswidrige Verhalten als verwerflich (§ 240 Abs. 2 StGB) einzustufen. Da es sich um eine planmäßige, länger dauernde Behinderung vonseiten des T ohne vernünftigen Grund handelt, ist eine Verwerflichkeit (§ 240 Abs. 2 StGB) anzunehmen. Somit liegt nach wertender Gesamtschau ein sozialethisch missbilligenswertes Verhalten vor.

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BL

Blotgrim

15.10.2022, 01:13:59

Lässt sich außerdem noch das Rechtsfahrgebot anführen? Gerade bei einer wenig befahrenen Autobahn kann ich mir nicht vorstellen dass die anderen beiden Spuren langsamer sind als T mit seinen 90 km/h

Antonia

Antonia

5.1.2023, 23:30:49

Gerade mit dem Blick darauf, dass es durchaus gefährlich sein kann, mit 90 km/h dauerhaft links auf einer Autobahn ohne Geschwindigkeitsbegrenzung zu fahren, denke ich man kann darauf sicher abstellen.

NIC

NickFischer

23.7.2023, 13:27:05

Der Sachverhalt gibt dazu keine Anhaltspunkte: Aber ist es zumindest denkbar, das der Vorsatz problematisiert werden kann?

LELEE

Leo Lee

5.8.2023, 11:36:27

Hallo NickFischer, wenn du mit "problematisieren" die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Vorsatzformen meinst: Auf jeden Fall könnte man noch thematisieren, zumal hier alle drei Vorsatzarten (Absicht, sicheres Wissen und Evtl.vorsatz) in Betracht kommen. In diesem Fall würde jedoch zumindest der Eventualvorsatz vorliegen :) Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo


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