Strafbare Vortat - Grundfall

22. November 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Beamtin B nimmt von Unternehmerin U eine teure Uhr entgegen. B soll U im Gegenzug rasch eine Baugenehmigung erteilen. Als Behördenleiter L stutzig wird und die Vorgänge untersucht, behauptet Bs Kollegin K, sie habe B die Uhr geschenkt. Sie will erreichen, dass B die Uhr behalten kann.

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Einordnung des Falls

Strafbare Vortat - Grundfall

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hat sich der Vorteilsannahme strafbar gemacht haben, indem sie die Uhr entgegen nahm (§ 331 Abs. 1 StGB).

Ja, in der Tat!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 331 Abs. 1 StGB sind: (1) Täter: Amtsträger (2) Tatobjekt: Vorteil für sich oder einen Dritten (3) Tathandlung: Fordern, Sich versprechen lassen, Annehmen (4) Dienstausübung (5) Unrechtsvereinbarung B müsste zudem vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben.Als Beamtin ist B Amtsträgerin im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Der Besitz an der Uhr stellt einen Vorteil dar, den sie angenommen hat. Dies geschah im Rahmen ihrer Dienstausübung, also ihrer dienstlichen Tätigkeit im allgemeinen. Der Vorteil und die Dienstausübung sind auch inhaltlich verknüpft, so dass eine Unrechtsvereinbarung vorliegt. B handelte auch vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.B wird sich darüber hinaus auch nach § 332 Abs. 1 StGB wegen Bestechlichkeit strafbar gemacht haben. Alles wichtige zu den Amtsdelikten lernst Du hier.
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2. § 331 StGB schützt das Vertrauen der Allgemeinheit in die Lauterkeit des öffentlichen Dienstes und ist mithin kein Vermögensdelikt. Kann § 331 StGB trotzdem eine taugliche Vortat der Begünstigung nach § 257 StGB sein?

Ja!

Vortat bei § 257 StGB kann jede objektiv und subjektiv tatbestandsmäßige und rechtswidrige Straftat sein. Sie muss sich nicht gegen fremdes Vermögen richten. Auch eine Tat nach § 331 Abs. 1 StGB ist damit eine taugliche Vortat.Anders ist das bei der Hehlerei, § 259 StGB. Hier muss die Vortat gegen das Vermögen gerichtet sein.

3. K hat sich wegen § 257 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem sie zu L sagte, die Uhr habe ursprünglich ihr gehört und sie habe die Uhr B geschenkt.

Genau, so ist das!

Eine rechtswidrige Vortat eines anderen liegt in der Vorteilsannahme der B. Die Uhr stellt einen aus der Tat erlangten, noch vorhandenen Vorteil dar. K wollte durch ihre Lüge verhindern, dass L der B auf die Schliche kommt und diese infolgedessen die Uhr verlieren würde. Sie handelte vorsätzlich, mit Absicht der Vorteilssicherung, rechtswidrig und schuldhaft.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Juraddicted

Juraddicted

17.10.2024, 20:45:10

"Nur" Straftaten nach dem StGB oder kommt auch OwiG oder europäische Normen in Betracht? Vielen Dank :)

TI

Timurso

17.10.2024, 21:03:59

Ordnungswidrigkeiten sind keine Taten im Sinne des StGB. Das zeigt bereits eindeutig der Wortlaut des OWiG, der im Gegensatz zum StGB im allgemeinen Teil gerade nicht von Taten spricht. EU-Normen sind in aller Regel strafrechtlich irrelevant, da die EU grds. keine Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Strafrechts hat. Hättest du ein konkretes Beispiel für eine EU-Norm, die du dir in diesem Kontext vorstellen kannst?

Juraddicted

Juraddicted

17.10.2024, 21:45:39

Super, vielen Dank für die Erklärung! :) Wie Du völlig richtig gesagt hast, wird das in § 11 StGB auch explizit genannt.. Wegen der EU: Ich hatte das gelesen: "Mit der am 19. Mai 2024 in Kraft getretenen Richtlinie (EU) 2024/1226 zur Definition von Straftatbeständen und Sanktionen bei Verstoß gegen restriktive Maßnahmen der Union („RL 2024/1226“) setzt die EU neue Maßstäbe für die strafrechtliche Verfolgung und Bestrafung von Verstößen gegen restriktive Maßnahmen („Sanktionen“) der Union. Die Kompetenzen der EU im Bereich des Strafrechts sind zwar grundsätzlich auf einige Bereiche besonders schwerer grenzüberschreitender Kriminalität wie etwa Terrorismus,

Geldwäsche

oder Korruption begrenzt. Der Rat kann jedoch durch Beschluss weitere Bereiche in die Liste der „EU-Straftatbestände“ aufnehmen. Ein solcher Beschluss wurde im November 2022 für Verstöße gegen EU-Sanktionen gefasst. (...)" [NOERR] Deswegen habe ich mich gefragt, ob es da zu Konstellationen kommen kann?

TI

Timurso

18.10.2024, 07:02:14

Da Richtlinien in keinem Fall zu Lasten des Bürgers unmittelbar anwendbar sind, sind diese irrelevant. Es kommt höchstens das deutsche Umsetzungsgesetz in Betracht, was wiederum ganz normal Strafnormen enthalten kann. Die Frage, ob die Vortat sich auch (unmittelbar) aus EU-Recht ergeben kann, würde sich nur stellen, wenn die Strafbarkeit in einer Verordnung normiert wäre.


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