Platzverweis Abgrenzung Aufenthaltsverbot

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Drogendealer D wurde mehrmals beim Verkauf von Drogen auf einem Platz erwischt, der im Allgemeinen als Drogenumschlagplatz gilt. Als Polizistin P den D erneut auf dem Bremerplatz anfindet, verfügt P, dass D den Bremerplatz die nächsten drei Monate nicht betreten darf.

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Einordnung des Falls

Platzverweis Abgrenzung Aufenthaltsverbot

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Erlässt P gegenüber D einen Platzverweis (§ 17 Abs. 1 NPOG, § 21 SächsPolG, § 12 Abs. 1 SPOlG)?

Nein, das trifft nicht zu!

Die Polizei kann im Rahmen eines Platzverweises anordnen, dass eine Person vorübergehend einen bestimmten Ort verlassen (Entfernungsgebot) oder einen bestimmten Ort nicht betreten soll (Betretungsverbot). Beim Begriff „vorübergehend“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Es ist nicht abschließend geklärt, welche genaue zeitliche Grenze darunter zu verstehen ist. Als grober Richtwert gilt, dass es sich um eine kurzfristige Beeinträchtigung handelt, die im Regelfall nicht länger als 24 Stunden gilt. P verweist D für drei Monate vom Drogenumschlagplatz. Eine Dauer von drei Monaten ist keine kurzfristige Beeinträchtigung und unterfällt nicht mehr dem Begriff „vorübergehend“. Es liegt kein Platzverweis vor.
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2. Die Polizeigesetze der Länder ermächtigen die Polizei dazu, einer Person zu verbieten, für eine bestimmte Zeit einen bestimmten Bereich zu betreten oder sich dort aufzuhalten. Liegt eine derartige Maßnahme vor?

Ja!

Die Polizei ist nach allen Polizeigesetzen der Länder befugt, sog. Aufenthaltsverbote zu erlassen (§ 29 Abs. 2 ASOG, § 201 LVwG,§ 52a SPG MV). Hierbei kann die Polizei einer Person verbieten, für eine bestimmte Zeit einen bestimmten örtlichen Bereich aufzusuchen oder sich dort aufzuhalten. Der Unterschied zum Platzverweis besteht in der Geltungsdauer: Ein Platzverweis gilt nur „vorübergehend“, ein Aufenthaltsverbot kann deutlich längere Zeitspannen umfassen. Teilweise wird der Begriff Platzverweisung für beide Maßnahmentypen als Oberbegriff verwendet und nicht zwischen Platzverweis und Aufenthaltsverbot getrennt (vgl. § 14 BremPolG).

3. Ein Aufenthaltsverbot greift in den Schutzbereich von Art. 11 GG ein.

Genau, so ist das!

Art. 11 GG garantiert die Freiheit, überall im Bundesgebiet Wohnsitz und Aufenthalt zu nehmen. Der Aufenthalt ist ein nicht nur vorübergehendes oder flüchtiges Verweilen an einem Ort. Das Verweilen muss eine gewisse zeitliche Erheblichkeit besitzen. Ein Aufenthaltsverbot gilt nicht nur vorübergehend, sondern kann je nach Landesgesetz eine Dauer von bis zu drei Monaten umfassen. Das Aufenthaltsgebot betrifft dadurch gerade das längerfristige und nicht nur das flüchtige Verweilen an einem Ort. Der Schutzbereich von Art. 11 GG ist somit eröffnet. Teilweise bestimmen die Polizeigesetze der Länder eine zulässige Höchstdauer von drei Monaten (§ 53a Abs. 5 SOG MV, Art. 16 Abs. 2 S. 3 BayPAG, § 21 Abs. 2 S. 1 SächsPolG). Räumlich ist der Bereich ausgenommen, in dem die betroffene Person ihren Wohnsitz hat (§ 17 Abs. 3 S. 1 NPOG, § 21 Abs. 2 S. 2 SächsPolG, § 14 Abs. 2 S. 1 BremPolG).

4. Die Normen der Länder zum Aufenthaltsverbot fallen unter die ausschließliche Bundeskompetenz der „Freizügigkeit“ (Art. 73 Nr. 3 GG) und sind damit formell verfassungswidrig.

Nein, das trifft nicht zu!

Zwar fällt dem Bund die ausschließliche Kompetenz im Bereich der Freizügigkeit (Art. 73 Nr. 3 GG) zu, doch meint Freizügigkeit i.S.d. Art. 73 Nr. 3 GG nicht die Freizügigkeit i.S.d. Art. 11. Vielmehr ist die Bewegung zwischen den Bundesländern gemeint. Nicht umfasst ist die Bewegung innerhalb eines Landes. Zum anderen wäre die Effektivität der Gefahrenabwehr stark beeinträchtigt, wenn die Polizei keine Maßnahmen ergreifen könnte, die die Freizügigkeit i.S.d. Art. 11 GG einschränken. Die Normen der Länder fallen nicht unter die ausschließliche Bundeskompetenz aus Art. 73 Nr. 3 GG, sondern fallen unter die Landeskompetenz der Gefahrenabwehr. Die Regelungen sind nicht formell verfassungswidrig.

5. Die Landesgesetze der Länder befugen die Polizei dazu, ein Aufenthaltsverbot zur Abwehr irgendeiner einer Gefahr zu erlassen.

Nein!

In der Regel muss das Aufenthaltsverbot der Straftatverhütung dienen. Im Einzelnen können die Tatbestandsvoraussetzungen allerdings je nach Polizeigesetz variieren. In Schleswig-Holstein beispielsweise muss die Begehung einer Straftat drohen, die Schaden für Leib, Leben, Freiheit oder gleichgewichtigen Schaden für sonstige Sach- oder Vermögenswerte oder für die Umwelt erwarten lässt (§ 201 Abs. 2 S. 1 LVwG) in Sachsen-Anhalt muss eine Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person drohen (§ 36a Abs. 1 SOG LSA). Im Gegensatz zum Platzverweis darf nicht auf die allgemeinen Regeln zur polizeilichen Verantwortlichkeit (§§ 6ff. NPOG, §§ 4ff. SächsPolG, §§ 5ff. BremPolG) zurückgegriffen werden. Das Aufenthaltsverbot ist gegen die Person zu richten, von der die Straftatbegehung droht.

6. Das Aufenthaltsverbot muss verhältnismäßig sein.

Genau, so ist das!

Das Aufenthaltsverbot muss ist nach einigen Polizeigesetzen „zeitlich und örtlich auf den zur Verhütung der Straftat erforderlichen Umfang zu beschränken“ (§ 17 Abs. 3 S. 3 NPOG, § 12b Abs. 2 S. 2 SOG HH, § 13 Abs. 2 S. 2 POG RP). Dies stellt eine Umschreibung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dar. Fehlt dieser Zusatz im jeweiligen Polizeigesetz, muss die Maßnahme trotzdem verhältnismäßig sein. Schon die Geeignetheit kann allerdings problematisch sein: Ein Aufenthaltsverbot führt häufig dazu, dass die Straftatgebehung bloß an einen anderen Ort verlagert wird.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Mi. S.

Mi. S.

28.5.2024, 18:16:21

Eine tolle Aufgabe! Folgendes ist mir aufgefallen: In einer Fragestellung wird das Wort einer wiederholt (Die Landesgesetze der Länder befugen die Polizei dazu, ein

Aufenthaltsverbot

zur Abwehr irgendeiner einer Gefahr zu erlassen) und direkt zu Beginn wird vom SächsolG gesprochen. dass es in dieser Form nicht mehr gibt.


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