Öffentliches Recht

VwGO

Vorläufiger Rechtsschutz (§§ 80, 80a VwGO)

Antragsbefugnis im Zweipersonenverhältnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)

Antragsbefugnis im Zweipersonenverhältnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)

22. Februar 2025

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Behörde B ordnet an, dass Restaurantbetreiberin G ihr Restaurant schließen muss und erklärt die Maßnahme aufgrund des bestehenden gesundheitlichen Risikos für sofort vollziehbar.

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Einordnung des Falls

Antragsbefugnis im Zweipersonenverhältnis (§ 42 Abs. 2 VwGO analog)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Statthaft ist vorliegend ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 1 VwGO.

Nein, das trifft nicht zu!

Anfechtungsklage und Widerspruch entfalten nach § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO aufschiebende Wirkung. Wenn die Behörde die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO anordnet, entfällt die aufschiebende Wirkung. Statthaft ist dann ein Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 S. 1 Alt. 2 VwGO. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ist hingegen in den Fällen statthaft, in denen die aufschiebende Wirkung wegen einer gesetzlichen Regelung von vornherein nicht besteht (§ 80 Abs. 2 Nr. 1 - 3a VwGO).
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2. Für die Anfechtungsklage in der Hauptsache muss G klagebefugt (§ 42 Abs. 2 VwGO) sein. Ist § 42 Abs. 2 VwGO dem Wortlaut nach i.R.d. einstweiligen Rechtsschutzes anwendbar?

Nein!

Im Rahmen der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage gilt § 42 Abs. 2 VwGO. Der Kläger ist klagebefugt, wenn er geltend machen kann, durch den belastenden Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Dadurch soll verhindert werden, dass jeder beliebige Dritte, der mit dem Streitgegenstand nichts zu tun hat, einen Verwaltungsakt angreifen kann (Ausschluss der Popularklage). Nur wem tatsächlich eine Rechtsverletzung droht, soll den Schutz der Gerichte in Anspruch nehmen können. § 42 Abs. 2 VwGO spricht ausdrücklich nur von der „Klage” und ist daher nicht (direkt) auf Anträge i.R.d. vorläufigen Rechtsschutzes anwendbar.

3. § 42 Abs. 2 VwGO ist nicht direkt auf Anträge im vorläufigen Rechtsschutz anwendbar. Könnte aber auch hier das Bedürfnis bestehen, den Kreis der Antragsberechtigten einzuschränken?

Genau, so ist das!

Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist klagebefugt, wer geltend machen kann, durch den belastenden Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein. Nur wem tatsächlich eine Rechtsverletzung droht, soll den Schutz der Gerichte in Anspruch nehmen können (Ausschluss der Popularklage). Dieser Gedanke des (ausschließlich) subjektiven Rechtsschutzes ist auf den vorläufigen Rechtsschutz übertragbar: Nur derjenige, dem durch die Vollziehung des Verwaltungsakts Rechtseinbußen drohen, soll (vorläufig) die Vollziehung des Verwaltungsakts verhindern können.  Achte in der Klausur darauf, beim vorläufigen Rechtsschutz immer von Antragsbefugnis zu sprechen. Die Bezeichnung Klagebefugnis wäre hier falsch, da es sich beim vorläufigen Rechtsschutz nicht um eine Klage handelt (vgl. § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO: „Auf Antrag kann das Gericht…”).

4. Die VwGO regelt die Antragsbefugnis im vorläufigen Rechtsschutz nicht ausdrücklich. Könnte man daher an eine Analogie des § 42 Abs. 2 VwGO denken?

Ja, in der Tat!

Es gibt keine eigenständige Regelung zur Antragsbefugnis in den §§ 80 ff. VwGO. Es bedarf aber einer Beschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes zur Vermeidung von Popularanträgen. § 42 Abs. 2 VwGO bietet genau diese Beschränkung. Die Grundvoraussetzungen einer Analogie (planwidrige Regelungslücke und vergleichbare Interessenlage) sind gegeben. Nach der ganz überwiegenden Auffassung in Rspr. und Lit. wird § 42 Abs. 2 VwGO analog auf Fälle des vorläufigen Rechtsschutzes angewendet. Die analoge Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO im vorläufigen Rechtsschutz ist so weit anerkannt, dass Du in der Klausur dazu keine längeren Ausführungen machen musst. Es reicht ein kurzer Hinweis auf die analoge Anwendung zur Vermeidung von Popularanträgen.

5. G müsste nach § 42 Abs. 2 VwGO analog antragsbefugt sein.

Ja!

Die Antragsbefugnis wird nach denselben Grundsätzen geprüft wie die Klagebefugnis: Es muss die Möglichkeit einer Rechtsverletzung bestehen (sog. Möglichkeitstheorie). Das bedeutet, dass eine Rechtsverletzung nicht von vornherein offensichtlich ausgeschlossen sein darf. Zudem findet die Adressatentheorie Anwendung. Hier besteht die Möglichkeit, dass G durch den sofortigen Vollzug der Maßnahme in ihrer Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) verletzt wird. Zudem kann sie als Adressatin der Maßnahme eine mögliche Verletzung ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG) geltend machen. Beim vorläufigen Rechtsschutz kommt es darauf an, ob dem Antragsteller speziell durch die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes eine Rechtsverletzung droht. Dabei ergeben sich in der Regel keine Unterschiede zur Klagebefugnis in der Hauptsache
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