+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K hat in einem Wohnhaus drei Wohnungen angemietet. K will die Wohnungen wochenweise an selbstständige Sexarbeiter und Sexarbeiterinnen vermieten, die die Wohnung zu festgelegten Öffnungszeiten für ihr Gewerbe nutzen können. Die zuständige Behörde lehnt Ks Antrag auf Erteilung einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung ab.
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Einordnung des Falls
Bauplanungsrecht: Sexarbeit im Wohngebiet? (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 11.01.2023 – 2 L 104/21.Z)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 14 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Nach erfolglosem Widerspruch klagt K auf Erteilung der Nutzungsänderungsgenehmigung. Ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft?
Genau, so ist das!
Die statthafte Klageart richtet sich nach dem Begehren der Klägerin (vgl. § 88 VwGO). Begehrt die Klägerin den Erlass eines Verwaltungsakts (§ 35 S. 1 VwVfG), ist die Verpflichtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) statthaft.
K begehrt den Erlass einer Baugenehmigung zur Nutzungsänderung (sog. Nutzungsänderungsgenehmigung). Diese ist ein Verwaltungsakt i.S.d. § 35 S. 1 VwVfG. Somit ist die Verpflichtungsklage statthaft.
In so eindeutigen Fällen wie einer Baugenehmigung reicht es in der Klausur aus, wenn Du unter Hinweis auf § 35 S. 1 VwVfG kurz feststellst, dass es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handelt.
Gemäß § 68 Abs. 1, 2 VwGO muss vor Erhebung von Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklagen ein Widerspruch eingelegt werden (sog. Vorverfahren). Praktisch ist das Widerspruchs- bzw. Vorverfahren allerdings in den meisten Bundesländern i.S.d. § 68 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 VwGO abgeschafft, so etwa in NRW nach § 110 Abs. 1 S. 1 JustG NRW.
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2. Die im Übrigen zulässige Verpflichtungsklage ist begründet, soweit K einen Anspruch auf Erteilung der begehrten Baugenehmigung hat.
Ja, in der Tat!
Der Schwerpunkt der Prüfung liegt hier i.R.d. Begründetheit. In der gutachterlichen Klausur solltest Du i.R.d. Zulässigkeit – neben der statthaften Klageart – trotzdem immer noch kurz etwas zu den weiteren Prüfungspunkten, insbesondere zur Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) schreiben. Mehr dazu in unserem Kurs zur VwGO .
Gemäß § 113 Abs. 5 VwGO ist die Verpflichtungsklage begründet, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist. Dies ist der Fall, wenn Kläger Anspruch auf den begehrten Verwaltungsakt hat. Die Anspruchsgrundlage für die Erteilung einer Baugenehmigung ergibt sich aus der jeweiligen Landesbauordnung, hier für Sachsen-Anhalt aus § 71 Abs. 1 BauO LSA.
Zudem fordert § 113 Abs. 5 S. 1 VwGO die sog. Spruchreife: Die Sache ist spruchreif, wenn alle tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen für eine abschließende gerichtliche Entscheidung über das Klagebegehren gegeben sind, wenn insb. keine Ermessensspielräume der Behörde bestehen. 3. Damit ein Anspruch auf Erteilung der Nutzungsänderungsgenehmigung besteht, müssten die formellen und materiellen Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sein.
Ja!
In formeller Hinsicht setzt der Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung (hier nach § 71 Abs. 1 BauO LSA) einen Bauantrag an die zuständige Behörde – in der Regel die untere Bauaufsichtsbehörde (vgl. § 56 Abs. 1 S. 2 BauO LSA) – voraus. Materielle Anspruchsvoraussetzung ist, dass dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind.
Den Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung kannst Du in Deiner Klausur wie folgt prüfen:
(1) Anspruchsgrundlage (z.B. § 71 Abs. 1 BauO LSA),
(2) Formelle Anspruchsvoraussetzungen,
(3) Materielle Anspruchsvoraussetzungen:
(a) Genehmigungsbedürftigkeit
(b) Genehmigungsfähigkeit: Vereinbarkeit mit öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insb. Bauplanungsrecht.
Die Genehmigungsbedürftigkeit betrifft die Frage, ob für das Vorhaben eine Baugenehmigung erforderlich ist. Die Genehmigungsfähigkeit betrifft hingegen die Frage, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der notwendigen Genehmigung vorliegen. Letzteres bildet in der Regel den Schwerpunkt einer baurechtlichen Klausur. In der Originalentscheidung finden sich die Begriffe der „Prostitutionsstätte“ für das geplante Vorhaben (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 1 ProstSchG) sowie „Prostituierte“ (vgl. § 2 Abs. 2 ProstSchG). Diese Begriffe sind damit im rechtlichen Kontext korrekt und Du kannst/solltest sie in Deiner Klausur auch dementsprechend verwenden. Darüber hinaus möchten wir dich aber dazu motivieren, dich auch einmal kritisch mit der Verwendung dieses Begriffs für jegliche Form der Sexarbeit auseinanderzusetzen. 4. Ks Vorhaben, das Wohnhaus auf die geplante Weise umzunutzen, ist genehmigungsfrei (vgl. hier § 58 Abs. 1 BauO LSA).
Nein, das ist nicht der Fall!
Im Grundsatz bedürfen die Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von Anlagen der Baugenehmigung, soweit nichts anderes bestimmt ist (vgl. hier § 58 Abs. 1 BauO LSA; ebenso in den anderen Landesbauordnungen). Eine bauliche Anlage i.S.d. § 58 Abs. 1 BauO LSA sind mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen.
Das Wohnhaus ist eine mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlage und somit eine bauliche Anlage. K beabsichtigt eine Nutzungsänderung von einer Wohnnutzung zur Nutzung der Räumlichkeiten als „Prostitutionsstätte“, sodass nach dem Grundsatz des § 58 Abs. 1 BauO LSA eine Baugenehmigung erforderlich ist. Ausnahmen nach §§ 59 bis 61, 75 und 76 BauO LSA sind hier nicht gegeben. Mithin bedarf das Vorhaben einer Baugenehmigung und es ist nicht genehmigungsfrei.
In Deiner Klausur solltest Du die Ausnahmetatbestände, die eine Genehmigungsfreistellung nach deiner Landesbauordnung vorsehen (hier §§ 59 bis 61, 75 und 76 BauO LSA) zumindest überfliegen und möglicherweise einschlägige Ausnahmen kurz ansprechen. In aller Regel geht es in Klausuren aber – um eine weitere Prüfung zu ermöglichen – um genehmigungsbedürftige Bauvorhaben.
5. Damit das Vorhaben genehmigungsfähig ist, müsste es unter anderem mit dem Bauplanungsrecht vereinbar sein.
Ja, in der Tat!
Gemäß § 71 Abs. 1 BauO LSA ist die Genehmigung zu erteilen, wenn dem Bauvorhaben keine öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen, die im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind. Welche öffentlich-rechtlichen Vorschriften im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfen sind, richtet sich nach der Art des Genehmigungsverfahrens im Einzelfall: Zu unterscheiden ist das „normale“ von dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren für kleinere bauliche Anlagen (vgl. etwa § 62 BauO LSA).
Sowohl das „normale“ (§ 63 BauO LSA) als auch das vereinfachte Genehmigungsverfahren (§ 62 BauO LSA) setzen jedenfalls die Vereinbarkeit des Vorhabens mit den §§ 29-38 BauGB, d.h. dem Bauplanungsrecht, voraus.
In Deiner Klausur solltest Du stets den Katalog des vereinfachten Genehmigungsverfahrens Deiner Landesbauordnung überfliegen: Sofern ein dort genanntes Vorhaben vorliegt, ändert sich ggf. das Prüfprogramm. Jedenfalls die Vereinbarkeit mit den §§ 29-38 BauGB, die regelmäßig den Schwerpunkt der Klausur bilden, ist jedoch immer zu prüfen.
6. Die Anwendbarkeit der §§ 29-38 BauGB setzt zunächst voraus, dass eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB gegeben ist. Stimmt dieser Anlagenbegriff mit dem der Landesbauordnungen überein?
Nein!
Eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB ist eine auf Dauer mit dem Erdboden verbundene künstliche Anlage, die aus Baustoffen und Bauteilen hergestellt worden ist und eine planungs- bzw. bodenrechtliche Relevanz aufweist.
Der entscheidende Unterschied zwischen den Anlagebegriffen, die in den Landesbauordnungen legaldefiniert sind (etwa § 2 Abs. 1 S. 2 BauO LSA) und dem Anlagenbegriff des BauGB ist die bodenrechtliche Relevanz. Diese liegt vor, wenn die Anlage die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren kann, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen.
Insbesondere verbietet sich im Rahmen des Bauplanungsrechts der Rückgriff auf den Anlagenbegriff der Landesbauordnungen, da die Gesetze von verschiedenen Hoheitsträgern stammen: Bei dem BauGB handelt es sich um Bundesrecht, bei den Bauordnungen um Landesrecht. Dies liegt an den abweichenden Kompetenzen von Bund und Ländern. Das Bauplanungsrecht ist bodenbezogen und unterfällt daher der konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG. Das Bauordnungsrecht als Gefahrenabwehrrecht ist hingegen Ländersache.
7. Ist das Wohnhaus eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB?
Genau, so ist das!
Eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB ist eine auf Dauer mit dem Erdboden verbundene künstliche Anlage, die aus Baustoffen und Bauteilen hergestellt worden ist und eine planungs- bzw. bodenrechtliche Relevanz aufweist. Die bodenrechtliche Relevanz liegt vor, wenn die Anlage die in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten Belange in einer Weise berühren kann, die geeignet ist, das Bedürfnis nach einer verbindlichen Bauleitplanung hervorzurufen.
Das Wohnhaus ist eine auf Dauer mit dem Erdboden verbundene künstliche Anlage, die aus Baustoffen und Bauteilen hergestellt worden ist. Durch die von K geplante Umnutzung werden mehrere der in § 1 Abs. 5 und 6 BauGB genannten Belange, etwa die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung (§ 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB) und soziale Bedürfnisse (§ 1 Abs. 6 Nr. 3 BauGB) berührt, sodass eine bodenrechtliche Relevanz gegeben ist. Eine bauliche Anlage i.S.d. § 29 Abs. 1 BauGB liegt mithin vor.
Damit ist der Anwendungsbereich der §§ 29ff. BauGB eröffnet. § 29 BauGB ist das „Tor in das Bauplanungsrecht”.
8. Ob ein Vorhaben bauplanungsrechtlich zulässig ist, bemisst sich nach der Art des Baugebiets, in dem der Antragsteller das Vorhaben realisieren will.
Ja, in der Tat!
Das BauGB unterscheidet zunächst zwischen beplanten (§ 30 BauGB) und unbeplanten Bereichen (§§ 34, 35 BauGB). Liegt ein Bebauungsplan vor (= beplanter Bereich), muss man weiter differenzieren: Bei einem qualifizierten Bebauungsplan richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 30 Abs. 1 BauGB allein nach dessen Festsetzungen. Bei einem einfachen Bebauungsplan richtet sich die Zulässigkeit des Vorhabens gemäß § 30 Abs. 3 BauGB nach den Festsetzungen und im Übrigen nach § 34 oder § 35 BauGB. Bei unbeplanten Bereichen unterscheidet man zwischen dem unbeplanten Innenbereich (§ 34 Abs. 1 BauGB) und dem Außenbereich (§ 35 BauGB).
Prüfe die §§ 30, 34, 35 BauGB in dieser Reihenfolge. Ob ein (wirksamer) Bebauungsplan für das maßgebliche Gebiet vorliegt, wird Dir im Sachverhalt mitgeteilt. In Deiner Klausur musst du ggf. aber selbst erkennen, ob es sich um einen qualifizierten oder nur einen einfachen Bebauungsplan handelt bzw. ob das Vorhaben im unbeplanten Innen- oder Außenbereich liegt. Dazu musst Du die Umgebungsbeschreibung im Sachverhalt vollständig auswerten.
9. Die K-Straße liegt im unbeplanten Innenbereich. Die Eigenart der näheren Umgebung entspricht einem allgemeinen Wohngebiet (§ 4 BauNVO). Beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach der Art der baulichen Nutzung nach § 34 Abs. 1 BauGB?
Nein!
Im unbeplanten Innenbereich ist ein Vorhaben dann zulässig, wenn es sich u.a. nach Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt (§ 34 Abs. 1 S. 1 BauGB). Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung jedoch einem der Baugebiete der BauNVO, liegt also ein sog. faktisches Baugebiet vor, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach der Art der baulichen Nutzung allein nach der jeweiligen Vorschrift der BauNVO (§ 34 Abs. 2 BauGB).
Hier entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem allgemeinen Wohngebiet i.S.d. § 4 BauNVO. Es handelt sich somit um ein faktisches allgemeines Wohngebiet. Die Zulässigkeit des Vorhabens nach der Art der baulichen Nutzung richtet sich daher allein nach den Vorgaben des (§ 34 Abs. 2 BauGB i.V.m.) § 4 BauNVO, nicht nach § 34 Abs. 1 BauGB. § 34 Abs. 2 BauGB ist spezieller als § 34 Abs. 1 BauGB. Prüfst Du § 34 BauGB, solltest Du daher zuerst immer an § 34 Abs. 2 BauGB denken.
10. In einem allgemeinen Wohngebiet sind „Prostitutionsstätten“ allgemein zulässig (§ 4 Abs. 2 BauNVO).
Nein, das ist nicht der Fall!
Die Tatbestände der Gebietstypen nach §§ 2-11 BauNVO folgen alle derselben Systematik: Die Absätze 1 beschreiben (allgemein), wozu das jeweilige Baugebiet dient. Die Absätze 2 legen fest, welche Anlagen grundsätzlich zulässig sind (Regelbebauung). Die Absätze 3 legen fest, welche Anlagen ausnahmsweise zugelassen werden können (Ausnahmebebauung).
Im allgemeinen Wohngebiet sind gemäß § 4 Abs. 2 BauNVO grundsätzlich zulässig:
Nr. 1: Wohngebäude
Nr. 2: Der Versorgung des Gebiets dienende Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe
Nr. 3: Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke
Ein Wohngebäude i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO ist ein Gebäude, das dem dauernden Wohnen dient und dazu geeignet ist.
Nach Ks Konzept suchen die Mieter die Räumlichkeiten nur für die Arbeit auf, nutzen diese maximal für eine Woche und sollen nicht dauerhaft dort wohnen. Die von K geplante Nutzung der Wohnungen fällt damit nicht unter die Nutzung der baulichen Anlage als Wohngebäude i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO. Vielmehr handelt es sich um eine dauerhafte und regelmäßige, auf Erwerb gerichtete Tätigkeit und somit eine gewerbliche Nutzung der Räumlichkeiten (RdNr. 22). Auch handelt es sich um keine andere nach § 4 Abs. 2 BauNVO allgemein zulässige Nutzung im allgemeinen Wohngebiet.
11. In Betracht käme aber grundsätzlich eine Ausnahmezulässigkeit für Ks Vorhaben als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO.
Ja, in der Tat!
Sofern ein Vorhaben nach der Art der baulichen Nutzung nicht allgemein zulässig ist (jeweiliger Absatz 2 der §§ 2ff. BauNVO), kommt eine Ausnahmezulässigkeit nach dem jeweiligen Absatz 3 in Betracht. Da K wie erörtert eine gewerbliche Nutzung der Räumlichkeiten plant, kommt eine Einordnung als sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb i.S.d. § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO in Betracht (RdNr. 23).
Zu beachten ist bei Ausnahmen nach den jeweiligen Absätzen 2 der §§ 2ff. BauNVO stets auch § 31 Abs. 1 BauGB: Danach können solche Ausnahmen zugelassen werden, die in dem Bebauungsplan nach Art und Umfang ausdrücklich vorgesehen sind. Dies ist für die Ausnahmen nach der BauNVO der Fall, da die Vorschriften der §§ 2-14 BauNVO gemäß § 1 Abs. 3 Satz 2 BauNVO Bestandteil des Bebauungsplans sind.
Für den Fall eines faktischen Baugebiets i.S.d. § 34 Abs. 2 BauGB können Ausnahmevorhaben dann zugelassen werden, wenn sie nur Ausnahmen bleiben und nicht zur Regelnutzung vorschrieiten. Das faktische Baugebiet darf durch die Zulassung von Ausnahmen also nicht seinen Charakter, hier etwa als (faktisches) allgemeines Wohngebiet, verlieren.
12. Könnte die Behörde K auch dann eine Ausnahmeregelung nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO erteilen, wenn der geplante Betrieb mit erheblichen Störungen für die Nachbarschaft verbunden ist?
Nein!
Nicht störende Gewerbebetriebe sind solche Betriebe, die keine oder nur geringfügige Immissionen verursachen und deshalb in der Umgebung von Wohnnutzung zulässig sind.
Da nicht geplant ist, dass die „Prostituierten“ dauerhaft in den Wohnungen tätig sind, sondern durch den ständigen Wechsel der Mieter eher ein „bordellartiger Betrieb“ entstünde, handelt es sich um einen störenden Gewerbebetrieb (RdNr. 24ff.): Von dem Betrieb gehen für das Wohnen erhebliche Nachteile und Belästigungen aus, insbesondere durch den dauerhaften, auch nächtlichen durch Zu- und Abfahrtsverkehr, der die Wohnruhe beeinträchtigt. Hieraus ergibt sich eine „mileubedingte Unruhe”, die sich negativ auf das soziale Umfeld, insbesondere Familien mit Kindern, auswirkt und Bewohner dazu veranlassen könnte, das Gebiet zu verlassen. Die sichtbare Existenz des Betriebs hat dadurch auch nachteilige Auswirkung auf den Bodenmarkt, sog. „Trading-down-Effekt”. Je nach konkreter Ausgestaltung des Sachverhalts dürfte hier auch eine andere Argumentation vertretbar sein. Wegen des Ausnahmecharakters solltest Du die Normen aber unbedingt restriktiv auslegen.
Wenn – wie hier – eine Ausnahme nach § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. dem jeweiligen Absatz 2 des Gebietstyps der BauNVO ausscheidet, kommt nur noch eine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB in Betracht. Diese Möglichkeit hat das OVG nicht angesprochen. Sie dürfte aber mit derselben Begründung bezüglich der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung abzulehnen sein.
13. Ist die von K beabsichtigte Nutzungsänderung nach der Art der baulichen Nutzung im Ergebnis bauplanungsrechtlich zulässig?
Nein, das ist nicht der Fall!
Das Vorhaben ist weder als Regelbebauung nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 2 BauNVO, noch als Ausnahmebebauung nach § 34 Abs. 2, § 31 Abs. 1 BauGB i.V.m. § 4 Abs. 3 BauNVO zulässig. Auch kommt keine Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB in Betracht, da die Wohnbedürfnisse der Bevölkerung nach § 31 Abs. 2 Nr. 1 BauGB entgegenstehen. Das Vorhaben ist nach der Art der baulichen Nutzung folglich bauplanungsrechtlich unzulässig.
14. Ist Ks Verpflichtungsklage begründet und hat Erfolg?
Nein, das trifft nicht zu!
Es besteht mangels Vereinbarkeit des Vorhabens mit dem Bauplanungsrecht kein Anspruch auf Erteilung der Nutzungsänderungsgenehmigung. Die Ablehnung des Bauantrags ist folglich rechtmäßig und verletzt K nicht in ihren Rechten, sodass die Verpflichtungsklage unbegründet ist (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Ks Klage hat somit keinen Erfolg.