Einstiegsfall Widerspruch

4. Juli 2025

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

E lässt K sein Grundstück auf, K wird ins Grundbuch eingetragen. E ficht wegen arglistiger Täuschung des K „alles“ an. E erwirkt aufgrund einstweiliger Verfügung die Eintragung eines Widerspruchs gegen das Eigentum des K ins Grundbuch. K lässt das Grundstück an G auf, der den eingetragenen Widerspruch nicht kennt.

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Einordnung des Falls

Einstiegsfall Widerspruch

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Durch die Anfechtung entfällt die Eigentümerstellung des K (§ 142 Abs. 1 BGB).

Ja!

Grundsätzlich berührt die Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts nicht die Wirksamkeit des Verfügungsgeschäfts. Leiden jedoch Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft an demselben schwerwiegenden Mangel, so kann (auch) das Verfügungsgeschäft angefochten werden bzw. von der Unwirksamkeit betroffen sein bzw. angefochten werden (Fehleridentität). Nach h.M. begründet § 123 Abs. 1 BGB sowohl einen Anfechtungsgrund für das Verpflichtungs-, als auch für das Verfügungsgeschäft. Die Erklärung des E, „alles“ anzufechten, erfasst nach §§ 133, 157 BGB auch das Verfügungsgeschäft. Durch die Anfechtung entfällt also die Eigentümerstellung des K.
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2. G hat Eigentum an dem Grundstück erworben nach §§ 873, 925 BGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Der Eigentumserwerb an einem Grundstück nach §§ 873, 925 BGB setzt voraus: (1) Einigung über den Eigentumsübergang am Grundstück (Auflassung, § 925 BGB), (2) Eintragung ins Grundbuch, (3) Einigsein, § 873 Abs. 2 BGB, (4) Verfügungsberechtigung des Veräußerers. K und G haben die Auflassung erklärt (§ 925 BGB). G wurde noch nicht ins Grundbuch eingetragen. Zudem ist K infolge der Anfechtung durch E nicht Eigentümer (§ 142 Abs. 1 BGB). G kann daher im Verhältnis zu K kein Eigentum vom Berechtigten nach §§ 873, 925 BGB erlangen.

3. Die Voraussetzungen zur Eintragung eines Widerspruchs (§ 899 BGB) lagen vor.

Ja, in der Tat!

Die Eintragung eines Widerspruchs nach § 899 BGB setzt voraus: (1) Eintragungsantrag, (2) Unrichtigkeit des Grundbuchs (§ 894 BGB), (3) Bewilligung des von der Eintragung in seinem Recht Betroffenen oder einstweilige Verfügung. E hat den Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs gestellt. Ein Fall von § 894 BGB liegt vor, wenn das Grundbuch unrichtig ist. Dies ist der Fall, wenn eine Divergenz zwischen formeller und materieller Grundbuchlage besteht. Das Grundbuch weist K als Eigentümer aus, während materiell-rechtlich E Eigentümer des Grundstücks ist. E hat eine einstweilige Verfügung (§ 899 Abs. 2 S. 1 Alt. 1, S. 2 BGB, 935 ZPO) erwirkt, die die Bewilligung des K ersetzt. Die Voraussetzungen zur Eintragung eines Widerspruchs lagen damit vor.

4. G hat Eigentum an dem Grundstück erworben nach §§ 873, 925, 892 Abs. 1 BGB.

Nein!

Der gutgläubige Erwerb nach § 892 Abs. 1 BGB setzt voraus: (1) Rechtsgeschäft im Sinne eines Verkehrsgeschäfts, (2) Unrichtigkeit des Grundbuchs, (3) Legitimation des Verfügenden durch das Grundbuch, (4) Gutgläubigkeit des Erwerbers, (5) Kein eingetragener Widerspruch im Grundbuch, (6) Eintragung des zu erwerbenden Rechts. Ein Verkehrsgeschäft liegt vor. Das Grundbuch ist unrichtig, da K nicht Eigentümer, aber als solcher eingetragen ist. Hieraus ergibt sich die Legitimation des V als Veräußerer. G ist gutgläubig, da er die fehlende Eigentümerstellung des K nicht positiv kennt. Jedoch ist im Grundbuch ein Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs eingetragen, weshalb G auch nicht gutgläubig Eigentum erwerben kann.

5. Der Widerspruch zerstört den Rechtsschein des Grundbuchs.

Genau, so ist das!

Der Widerspruch soll den Fortbestand des Grundbuchberichtigungsanspruchs aus § 894 BGB bis zu seiner Erfüllung sichern, da dieser bei gutgläubigem Erwerb ins Leere geht. Aus dem eingetragenen Widerspruch folgt das mögliche Bestehen eines Berichtigungsanspruchs. Der Widerspruch „protestiert“ damit gegen die gegenwärtige Buchlage. Er erzeugt vier Wirkungen: (1) Ausschluss des gutgläubigen Erwerbs nach §§ 892, 893 BGB, (2) Hemmung der Tabularersitzung (§ 900 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB), (3) Ausschluss der Buchersitzung (§ 901 BGB), (4) Ausschluss der Kontratabularersitzung (§ 927 Abs. 3 BGB), wenn der Widerspruch zu Gunsten des wahren Eigentümers eingetragen war.

6. E könnte genauso gut mit dem Anspruch aus § 894 BGB vorgehen, um den Eigentumserwerb des G zu verhindern.

Nein, das trifft nicht zu!

Der Anspruch auf Zustimmung zur Grundbuchberichtigung aus § 894 BGB ist zwar auch geeignet, die Unrichtigkeit des Grundbuchs festzustellen. Er ist jedoch nicht geeignet, einen gutgläubigen Erwerb zu verhindern, solange kein Rechtshängigkeitsvermerk eingetragen ist: Ein im Grundbuch eingetragener Rechtshängigkeitsvermerk signalisiert dem Rechtsverkehr, dass ein Anspruch aus § 894 BGB rechtshängig ist. Das Vorgehen nach § 894 BGB dauert zudem geraume Zeit. Der Kläger muss dafür die Vermutung des § 891 Abs. 1 BGB entkräften. Daher bedarf es des Widerspruchs als eines vorläufigen, schnell zu erwirkenden Sicherungsinstruments, das den Rechtsschein des Grundbuchs zerstört. E könnte zwar auch mit dem Anspruch aus § 894 BGB vorgehen, wäre damit aber nicht genau so gut geschützt.
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