Zivilrecht
Examensrelevante Rechtsprechung ZR
Entscheidungen von 2018
Herausgabe einer Wohnung – Verknüpfung fristloser mit hilfsweise ordentlicher Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses
Herausgabe einer Wohnung – Verknüpfung fristloser mit hilfsweise ordentlicher Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V vermietet M eine Wohnung. M zahlt drei aufeinander folgende Monate die Miete nicht rechtzeitig. V erklärt die fristlose Kündigung, hilfsweise die fristgerechte Kündigung. M zieht nicht aus. V klagt auf Räumung. Einen Tag später zahlt M die rückständige Miete.
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Einordnung des Falls
Herausgabe einer Wohnung – Verknüpfung fristloser mit hilfsweise ordentlicher Kündigung eines Wohnraummietverhältnisses
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn V Eigentümer der Wohnung ist, hat er daneben auch einen Anspruch gegen M auf Herausgabe der Wohnung aus § 985 BGB, wenn er den Mietvertrag wirksam beendet hat.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die fristlose Kündigung des V wurde unwirksam (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB), als M die Miete nachträglich gezahlt hat.
Genau, so ist das!
3. V hat einen Anspruch auf Herausgabe der Wohnung aus § 546 Abs. 1 BGB, wenn er den Mietvertrag wirksam beendet hat.
Ja, in der Tat!
4. Indem V hilfsweise die fristgerechte Kündigung erklärte, hat er zum Ausdruck gebracht, dass diese dann Wirkung entfalten soll, wenn die Erklärung der fristlosen Kündigung fehlschlägt.
Ja!
5. Wenn die fristlose Kündigung „unwirksam“ wird (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 BGB), bedeutet dies, dass sie ex tunc unwirksam wird, d.h. dass der ursprüngliche Mietvertrag wiederauflebt.
Genau, so ist das!
6. Die Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung von Wohnraum lagen vor.
Ja, in der Tat!
7. Die hilfsweise erklärte fristgerechte Kündigung des Mietverhältnisses war wirkungslos, weil das Mietverhältnis bereits durch die – zunächst wirksame – fristlose Kündigung beendet war. Folglich konnte das Mietverhältnis im Zeitpunkt des Zugangs der Erklärung nicht mehr beendet werden.
Nein!
8. Die fristgerechte Kündigung unter einer Bedingung („hilfsweise“) verstößt gegen den Grundsatz, dass Gestaltungsrechte nicht an Bedingungen geknüpft werden dürfen. Sie war deshalb unwirksam.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Zavviny
19.9.2020, 15:16:21
In der Antwort auf die letzte Frage fehlt mir persönlich der Hinweis, dass es sich um eine zulässige sog. Rechtsbedingung handelt, bei der die Erklärung nur von der bestehenden Rechtslage abhängig gemacht wird. Diese ist sowohl
gegenwärtigals auch gewiss und den Parteien allenfalls unbekannt. Eine echte Bedingung im Rechtssinne (§ 158 BGB) setzt demgegenüber voraus, dass ein Rechtsgeschäft von einem künftigen und ungewissen Ereignis abhängig gemacht wird.
Lukas_Mengestu
12.11.2021, 11:28:19
Hallo Zavviny, in der Tat stellt die Rechtsbedingung keine Bedingung iSv § 158 Abs. 1 BGB dar. Ein Beispiel wäre zB die Eventualaufrechnung im Prozess, die unter die Bedingung gestellt wird, dass der Beklagte mit seinem Klageabweisungsantrag scheitert und deswegen hilfsweise mit einer anderen Forderung aufrechnet. Hier liegt kein ungewisses Ereignis vor, denn die Rechtslage ist ja von Anfang "klar", nur weiß der Beklagte nicht, wie der Richter sie sieht. Der BGH hat in diesem Fall aber entschieden, dass die "hilfsweise" erklärte Kündigung nicht nur unter der Bedingung erfolgt, dass die fristlose Kündigung unwirksam sei. Vielmehr spricht er beide Kündigungen gleichzeitig aus. Das Wort "hilfsweise" soll lediglich die Prüfungsreihenfolge vorgeben. Insofern fehle es hier gänzlich an einer Bedingung, weswegen die Kündigungserklärung wirksam sei. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team