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Die Hakuna Matata-GmbH (H) zahlt nur schleppend die Löhne ihrer Arbeitnehmer. Mitarbeiterin M hat das immer wieder beanstandet. Als erneut ein fälliger Lohnrückstand iHv zwei Monatsgehältern aufgelaufen ist, verkündet sie, dass sie erst wieder arbeiten werde, wenn sie ihr Geld erhalte.

Einordnung des Falls

Zurückbehaltungsrecht bei schleppende Zahlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat M einen fälligen Anspruch auf die Auszahlung der €1.000?

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Genau, so ist das!

Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers ist die Auszahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung (§ 611a Abs. 2 BGB). Dabei ist der Arbeitnehmer vorleistungspflichtig (§ 614 BGB). M hat für ihre bereits erbrachten Tätigkeiten einen fälligen Anspruch auf Lohn aus § 611a Abs. 2 BGB.Die Vorleistungspflicht (§ 614 BGB) des Arbeitnehmers ist dispositiv. Sie kann also durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag abbedungen werden. In der Praxis ist es aber dennoch die Regel, dass der Lohn im Anschluss an die Tätigkeit zum Monatsende ausgezahlt wird.

2. M kann die Arbeit verweigern, wenn ihr ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht (§ 320 Abs. 1 BGB).

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Ja, in der Tat!

Bei einem gegenseitigen Vertrag kann eine Partei die ihr obliegende Leistung so lange verweigern, bis die Gegenleistung bewirkt ist (§ 320 Abs. 1 BGB). Dies setzt voraus: (1) das Bestehen eines wirksamen gegenseitigen Vertrages, (2) Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der verweigerten Leistungspflicht und der Gegenleistungspflicht, (3) eine fällige und (4) noch nicht erbrachte Gegenleistung (5), Schuldner muss sich selbst vertragstreu verhalten und (6) das Zurückbehaltungsrecht darf nicht ausgeschlossen sein.Auch hier zeigt sich wieder, dass die Kenntnisse des allgemeinen Schuldrechts unerlässlich für eine gelungene Klausurbearbeitung sind.

3. Darf H die M wegen ihrer Arbeitsverweigerung (außer-)ordentlich kündigen?

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Nein!

Im Falle einer unberechtigten Arbeitsverweigerungs könnte der Arbeitgeber ggfs. zur Kündigung berechtigt sein. Bei einem gegenseitigen Vertrag kann eine Partei die ihr obliegende Leistung allerdings berechtigt so lange verweigern, bis die Gegenleistungbewirkt ist (§ 320 Abs. 1 BGB).Zwischen H und M besteht ein wirksamer Vertrag. Die Arbeitsleistung steht zur Vergütungspflicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Die Gegenleistung (Vergütung) ist fällig und noch nicht erbracht. M selbst hat sich auch vertragstreu verhalten. Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegt nicht nur ein unerheblicher Lohnrückstand vor (vgl. § 320 Abs. 2 BGB). M steht somit ein Leistungsverweigerungsrecht zu (§ 320 Abs. 1 BGB). Dementsprechend liegt keine Pflichtverletzung vor und H ist es verwehrt, ihr Verhalten zu sanktionieren.Näheres zu den Anforderungen an eine wirksame Kündigung findest Du im Kapitel: Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

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Skra8

Skra8

21.2.2024, 16:55:17

Liebes Jurafuchs-Team, ich finde, die erste Frage in dieser Aufgabe ist ein wenig irreführend. Hier wird gefragt, ob M einen fälligen Anspruch auf die Auszahlung von 1000 Euro hat, obwohl im Text nur angegeben wird, dass zwei Monatsgehälter aufgelaufen sind. Ein Hinweis auf die Höhe des Monatsgehalts wäre in diesem Zusammenhang möglicherweise wichtig, sodass man die erste Frage nicht als Fangfrage deuten könnte.

MAT

Matschegenga

12.3.2024, 11:06:10

Wenn der Arbeitgeber für die letzten Monate noch nicht gezahlt hat, kann man die Arbeit verweigern - das leuchtet ein. Dogmatisch betrachtet wirft das aber für mich Fragen auf: Sieht man die geschuldete Arbeitsleistung als absolute Fixschuld, müsste man in der Konsequenz jede für einen bestimmten Zeitpunkt geschuldete Arbeitsleistung im Hinblick auf die Vergütung für sich genommen betrachten. Somit wird zB der Vergütungsanspruch für am 5.10. geleistete Arbeit aufgrund der Vorleistungspflicht des Arbeitnehmers (§ 614 BGB) mit Ablauf des 31.10. fällig. Dieser stellt dann aber meines Verständnisses nicht die Gegenleistung für die am 1.11. zu leistende Arbeit dar. Verweigere ich also am 1.11. die Arbeit, kann ich mich doch noch nicht darauf berufen, dass mir diesbezüglich eine fällige Gegenleistung nicht angeboten wird? Der Arbeitgeber enthält mir schließlich nur die Gegenleistung der letzten Monate vor? Anderer Vorschlag: Der Arbeitgeber hat einen Anspruch auf meine Arbeitsleistung, obwohl er mir das Gehalt vorenthält. Aber dieser Anspruch ist nicht durchsetzbar weil die Durchsetzung rechtsmissbräuchlich wäre (§ 242 BGB).

PK

P K

15.3.2024, 22:09:42

Kann man so sehen, aber jedenfalls würde § 273 BGB greifen, weil der Lohn für eine vergangene Zeit mit der jetzigen Dienstleistungspflicht konnex ist, da beide Ansprüche aus dem gleichen Vertragsverhältnis herrühren.


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