Zurückbehaltungsrecht bei schleppende Zahlung

23. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Die Hakuna Matata-GmbH (H) zahlt nur schleppend die Löhne ihrer Arbeitnehmer. Mitarbeiterin M hat das immer wieder beanstandet. Als erneut ein fälliger Lohnrückstand iHv zwei Monatsgehältern aufgelaufen ist, verkündet sie, dass sie erst wieder arbeiten werde, wenn sie ihr Geld erhalte.

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Einordnung des Falls

Zurückbehaltungsrecht bei schleppende Zahlung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Hat M einen fälligen Anspruch auf die Auszahlung der €1.000?

Genau, so ist das!

Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers ist die Auszahlung der vertraglich vereinbarten Vergütung (§ 611a Abs. 2 BGB). Dabei ist der Arbeitnehmer vorleistungspflichtig (§ 614 BGB). M hat für ihre bereits erbrachten Tätigkeiten einen fälligen Anspruch auf Lohn aus § 611a Abs. 2 BGB.Die Vorleistungspflicht614 BGB) des Arbeitnehmers ist dispositiv. Sie kann also durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag abbedungen werden. In der Praxis ist es aber dennoch die Regel, dass der Lohn im Anschluss an die Tätigkeit zum Monatsende ausgezahlt wird.
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2. M kann die Arbeit verweigern, wenn ihr ein Leistungsverweigerungsrecht zusteht (§ 320 Abs. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

Bei einem gegenseitigen Vertrag kann eine Partei die ihr obliegende Leistung so lange verweigern, bis die Gegenleistung bewirkt ist (§ 320 Abs. 1 BGB). Dies setzt voraus: (1) das Bestehen eines wirksamen gegenseitigen Vertrages, (2) Gegenseitigkeitsverhältnis zwischen der verweigerten Leistungspflicht und der Gegenleistungspflicht, (3) eine fällige und (4) noch nicht erbrachte Gegenleistung (5), Schuldner muss sich selbst vertragstreu verhalten und (6) das Zurückbehaltungsrecht darf nicht ausgeschlossen sein.Auch hier zeigt sich wieder, dass die Kenntnisse des allgemeinen Schuldrechts unerlässlich für eine gelungene Klausurbearbeitung sind.

3. Darf H die M wegen ihrer Arbeitsverweigerung (außer-)ordentlich kündigen?

Nein!

Im Falle einer unberechtigten Arbeitsverweigerungs könnte der Arbeitgeber ggfs. zur Kündigung berechtigt sein. Bei einem gegenseitigen Vertrag kann eine Partei die ihr obliegende Leistung allerdings berechtigt so lange verweigern, bis die Gegenleistungbewirkt ist (§ 320 Abs. 1 BGB).Zwischen H und M besteht ein wirksamer Vertrag. Die Arbeitsleistung steht zur Vergütungspflicht in einem Gegenseitigkeitsverhältnis. Die Gegenleistung (Vergütung) ist fällig und noch nicht erbracht. M selbst hat sich auch vertragstreu verhalten. Ausschlussgründe sind nicht ersichtlich. Insbesondere liegt nicht nur ein unerheblicher Lohnrückstand vor (vgl. § 320 Abs. 2 BGB). M steht somit ein Leistungsverweigerungsrecht zu (§ 320 Abs. 1 BGB). Dementsprechend liegt keine Pflichtverletzung vor und H ist es verwehrt, ihr Verhalten zu sanktionieren.Näheres zu den Anforderungen an eine wirksame Kündigung findest Du im Kapitel: Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Skra8

Skra8

21.2.2024, 16:55:17

Liebes Jurafuchs-Team, ich finde, die erste Frage in dieser Aufgabe ist ein wenig irreführend. Hier wird gefragt, ob M einen fälligen Anspruch auf die Auszahlung von 1000 Euro hat, obwohl im Text nur angegeben wird, dass zwei Monatsgehälter aufgelaufen sind. Ein Hinweis auf die Höhe des Monatsgehalts wäre in diesem Zusammenhang möglicherweise wichtig, sodass man die erste Frage nicht als Fangfrage deuten könnte.

MAT

Matschegenga

12.3.2024, 11:06:10

Wenn der Arbeitgeber für die letzten Monate noch nicht gezahlt hat, kann man die Arbeit verweigern - das leuchtet ein. Dogmatisch betrachtet wirft das aber für mich Fragen auf: Sieht man die geschuldete Arbeitsleistung als absolute Fixschuld, müsste man in der Konsequenz jede für einen bestimmten Zeitpunkt geschuldete Arbeitsleistung im Hinblick auf die Vergütung für sich genommen betrachten. Somit wird zB der Vergütungsanspruch für am 5.10. geleistete Arbeit aufgrund der Vor

leistungspflicht

des Arbeitnehmers (§

614 BGB

) mit Ablauf des 31.10. fällig. Dieser stellt dann aber meines Verständnisses nicht die Gegenleistung für die am 1.11. zu leistende Arbeit dar. Verweigere ich also am 1.11. die Arbeit, kann ich mich doch noch nicht darauf berufen, dass mir diesbezüglich eine fällige Gegenleistung nicht angeboten wird? Der Arbeitgeber enthält mir schließlich nur die Gegenleistung der letzten Monate vor? Anderer Vorschlag: Der Arbeitgeber hat einen Anspruch auf meine Arbeitsleistung, obwohl er mir das Gehalt vorenthält. Aber dieser Anspruch ist nicht durchsetzbar weil die Durchsetzung rechtsmissbräuchlich wäre (§ 242 BGB).

PK

P K

15.3.2024, 22:09:42

Kann man so sehen, aber jedenfalls würde

§ 273

BGB greifen, weil der Lohn für eine vergangene Zeit mit der jetzigen Dienst

leistungspflicht

konnex ist, da beide Ansprüche aus dem gleichen Vertragsverhältnis herrühren.

Lord Denning

Lord Denning

8.7.2024, 14:34:21

Aber warum wird jetzt nicht § 614 als Ausschluss für § 320 angewendet? Der würde doch eigentlich § 614 ausschließen 🤔?

QUAR

Quarklo

28.8.2024, 14:07:18

Ich würde mir noch eine Aufgabe wünschen, in der detailliert auf die Abgrenzung zwischen § 326 II und § 615 eingegangen wird und die verschiedenen Meinungen dargestellt werden Zudem wäre eine Aufgabe zur Problematik der Voraussetzung des Annahmeverzugs trotz Unmöglichkeit wünschenswert

Foxxy

Foxxy

31.8.2024, 11:15:27

Hallo Quarklo, vielen Dank für Deinen Vorschlag! Wir haben ihn notiert und werden in einer der nächsten Redaktionssitzungen prüfen, inwiefern wir hierzu unsere Lerninhalte entsprechend anpassen bzw. noch weitere Aufgaben mit aufnehmen können. Beste Grüße, Foxxy, für das Jurafuchs-Team

MOEE4

moee44

14.10.2024, 21:00:46

Für die Referendare hier wäre es eventuell hilfreich kurz anzusprechen, dass das BAG das

Zurückbehaltungsrecht

in Fällen wie hier nicht auf § 320 Abs. 1 BGB stützt, sondern auf

§ 273

Abs. 1 BGB (BAG NJW 1985, 2494; BAG NZA 1996, 1085; so auch ErfK/Preis, 24. Aufl. 2024, BGB § 611a Rn. 575). Mit dem BAG liegt nämlich ein

Synallagma

nur zwischen der Arbeitsleistung für einen Monat und dem Lohn für diesen bestimmten Monat vor (bspw. Arbeitsleistung für

Apr

il 2024 und Lohn für

Apr

il 2024). Da der Arbeitnehmer aber nach §

614 BGB

vor

leistungspflicht

ig ist kann er sich nicht auf

§ 320 BGB

berufen. Stattdessen kann der AN wegen ausbleibenden Lohns nur die Arbeitsleistung für die nachfolgenden Monate zurückhalten (bspw. ein Zurückhalten der Arbeit im Mai 2024, weil der Lohn für

Apr

il und März nicht gezahlt wurde). Dabei handelt es sich dann aber nicht mehr um synallgmatische Leistungen, sondern "nur" um konnexe Leistungen nach

§ 273

Abs. 1 BGB. Macht im Ergebnis natürlich keinen großen Unterschied, sieht aber bei Korrektoren aus der Praxis etwas schief aus, wenn man hier anders vorgeht.


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