Zivilrechtliche Nebengebiete
Arbeitsrecht
Begründung und Mängel des Arbeitsverhältnisses
Fehlerhaftes Arbeitsverhältnis
Fehlerhaftes Arbeitsverhältnis
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A bewirbt sich bei Supermarkt S als Kassierer. Auf Nachfrage behauptet er, keine Vorstrafen zu haben, obwohl er wegen Unterschlagung vorbestraft ist. A wird deshalb am 1.3 eingestellt. Am 1.5 erkrankt A, sodass er nicht arbeiten kann. Als S am 15.5 von As Vorstrafe erfährt, ficht S den Vertrag an und verweigert die Lohnfortzahlung.
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Einordnung des Falls
Fehlerhaftes Arbeitsverhältnis
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A steht ein Anspruch auf Lohnfortzahlung zu, wenn die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 EFZG vorliegen.
Ja!
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2. Wenn der zwischen S und A geschlossene Arbeitsvertrag aufgrund der Anfechtung rückwirkend vernichtet wurde, kann A keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung geltend machen.
Genau, so ist das!
3. Eine arglistige Täuschung (§ 123 Abs. 1 BGB) durch A scheidet als Anfechtungsgrund aus, da A seine Vorstrafe verschweigen durfte.
Nein, das trifft nicht zu!
4. Auch die weiteren Anfechtungsvoraussetzungen liegen vor.
Ja!
5. Rechtsfolge von S' Anfechtung ist, dass der Vertrag von Beginn an (1.3) unwirksam ist (§ 142 Abs. 1 BGB).
Nein, das ist nicht der Fall!
6. Muss S also den Lohn des A für den Zeitraum seiner Erkrankung (1.5-15.5) fortzahlen (§ 3 Abs. 1 EFZG)?
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Blackpanther
4.2.2023, 10:17:17
Wäre der Fall anders zu beurteilen, wenn eine Anfechtung nach §§ 119, 120 erfolgt?
Nora Mommsen
4.2.2023, 10:55:52
Hallo Blackpanther, danke für deine Frage. Die Modifikation der Anfechtung, sodass sie im Arbeitsrecht nur ex nunc Wirkung entfaltet gilt für alle Anfechtungründe gleichermaßen. Das würde also keinen Unterschied in den Rechtsfolgen machen. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Blotgrim
7.5.2023, 15:24:50
Also nur dass ich es richtig verstanden habe. Man stellt bei Arbeitsverhältnissen in denen bereits eine Leistung erbracht wurde auf den letzten Arbeitstag ab? Könnte man es sich quasi so merken dass der Arbeitsvertrag ex tunc zum letzten Arbeitstag aufgelöst wird ? Kann man so natürlich nicht in der Klausur schreiben, aber ich finde es einfacher, als zu sagen ex nunc und dann nicht auf den 15.05 sondern 01.05 zu schauen
Carl Wagner
14.5.2023, 14:05:12
Vielen Dank für deine Frage Blotgrim! Grds wirkt jede Anfechtung ex tunc, § 142 I BGB. Das gilt auch bei Arbeitsverträgen, soweit diese noch nicht in Vollzug getreten sind (der AN noch nicht angefangen hat zu arbeiten). Soweit der AV in Vollzug getreten ist, ist nur noch eine Anfechtung mit ex nunc Wirkung möglich. Von dieser Regel beim in Vollzug gesetzten AV macht das BAG eine Ausnahme, wenn der AN schon vor der Anfechtung krank geschrieben ist: Die Anfechtung wirkt in solchen Fällen ex tunc (siehe ausführlich ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, BGB § 611a). Diese Rückwirkung auf den ersten Tag, wo nicht mehr gearbeitet wurde / das AV außer Funktion gesetzt wurde, gilt bei arglistiger Täuschung generell, weil der Täuschende nicht schutzwürdig ist. (ErfK/Preis, 23. Aufl. 2023, BGB § 611a Rn. 396; MüKoBGB/Busche, 9. Aufl. 2021, BGB § 142 Rn. 18) Viele Grüße - Carl für das Jurafuchs-Team
Porenta
2.6.2024, 13:42:24
Hi, das mit der ex nunc Anfechtung leuchtet mir ein und auch die Rückausnahme, wenn der AN krank ist, da hier eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einfach ist. Zu meiner Frage: Wird von dieser Ausnahme also von der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall bei angefochtenen Arbeitsverträgen nur Gebrauch gemacht, wenn der letzte Arbeitstag ein Tag ist, an dem der AN krank ist, oder gilt die Ausnahme für Krankheitstage während des Arbeitsverhältnisses. In dem Fall gesprochen: Würde AN am 14. wieder zur Arbeit erscheinen und der Vertrag am 15. angefochten werden, müsste AG dann die kranken Tage bezahlen oder nicht? Liebe Grüße🦆
BigLebowski
28.7.2024, 17:02:10
Hi! MMn nach wäre es dogmatisch inkonsequent, die Rückabwicklung abzulehnen, wenn der AN am letzten Tag wieder da ist. Denn weiterhin ist die Abwicklung für den Krankheitszeitraum einfach(er) und der AN nicht schutzwürdig - schließlich hat er arglistig getäuscht, warum sollte man aufgrund eines Zufalls den AN doch privilegieren? Solange sich die Voraussetzungen für die Rückausnahme nicht grundlegend ändern oder irgendein abgespacter Sonderfall vorliegt, würde ich nicht davon abweichen, die EFZ zu verneinen. VG