+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

A baut auf der Torstraße in Berlin einen Unfall in Höhe des Rosenthaler Platzes. B kann erst weiterfahren, als das Auto der A eine halbe Stunde später abgeschleppt ist.

Einordnung des Falls

Freiheit (Steckenbleiben im Stau)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. A hat B in seinem Rechtsgut Eigentum verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB), indem sie durch den Unfall den PKW des B blockiert hat.

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Nein, das trifft nicht zu!

Eine Eigentumsverletzung kann erfolgen durch (1) Sachentziehung, (2) wirksame Verfügung eines Nichtberechtigten, (3) Beeinträchtigung der Sachsubstanz oder (4) Beeinträchtigung des Sachgebrauchs. Zu (4): Die Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs muss für eine Mehrzahl von Verwendungszwecken und für eine erhebliche Dauer ausgeschlossen sein. Dies ist nicht der Fall, wenn ein Fahrzeug nur an einer konkreten Route gehindert ist und die Nutzung lediglich zeitweilig beschränkt wird. B kann sein Auto lediglich eine halbe Stunde nicht mehr nutzen. Mit seinem PKW im Stau stecken zu bleiben (auch länger) ist Teil des allgemeinen Lebensrisikos.

2. A hat B in seinem Rechtsgut Freiheit verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB), indem sie den Unfall gebaut hat.

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Nein!

Das Rechtsgut Freiheit in § 823 Abs. 1 BGB ist verletzt, wenn die körperliche Bewegungsfreiheit gegen den Willen des Betroffenen nicht nur unerheblich beeinträchtigt wird. Das Rechtsgut Freiheit schützt allein die körperliche Fortbewegungsfreiheit. B ist in seiner körperlichen Fortbewegungsfreiheit nicht eingeschränkt und könnte sich außerhalb des Wagens frei bewegen. Er kann lediglich sein Fahrzeug nicht mehr fortbewegen.

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TRUD

Trude

13.4.2020, 11:34:22

Ich finde den Sachverhalt missverständlich. Es wirkt als wäre B durch den Unfall von A gar nicht mehr in der Lage das Auto fortzubewegen, solange der Unfall nicht aufgelöst ist.

GEL

gelöscht

14.4.2020, 06:44:35

Was ja durchaus auch denkbar wäre in einer Stadt wie Berlin. Hier geht es aber eher um die zeitlich begrenzte, relativ kurze Einwirkung auf die Grundrechte des B. Deshalb gibt's auch keine Haftung.

EVA

evanici

11.9.2023, 09:59:44

Woraus ziehe ich denn das Erheblichkeitskriterium? Ist das denn eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes?

GO

GO

7.11.2023, 22:55:09

Gute Frage! Warum sind 30min. nicht schon erheblich?

lexspecialia

lexspecialia

4.12.2023, 12:13:24

Kriterien für die Erheblichkeit der Beeinträchtigung sind: - Auswirkungen - Anlass - Dauer Eine Gebrauchsbeeinträchtigung von 30 min im Straßenverkehr ist meiner Meinung nach noch keine erhebliche Beeinträchtigung aufgrund des verkehrstypischen Risiko.

LS2024

LS2024

15.3.2024, 15:52:12

Dem Sachverhalt ist das Weiterfahren 30 Minuten lang nicht möglich. Das würde ich jetzt wie schon ein anderer User als einen vollständigen Stillstand verstehen, aus dem es auch kein Entkommen gibt. In einer anderen Lösung heißt es allerdings: Eine Vorenthaltung der Sache oder die Beeinträchtigung eines bestimmten Gebrauchs darf nicht nur kurzzeitig oder teilweise sein. Die Verwendungsfähigkeit vorübergehend praktisch aufgehoben ist, bedarf es keiner zusätzlichen Überschreitung einer zeitlich definierten Erheblichkeitsschwelle. Nach dieser Lösung kommt es somit nicht darauf an, dass die Gebrauchsbeeinträchtigung nur vorübergehend ist. Eine Eigentumsverletzung liegt vor. Insofern ist entweder der Sachverhalt oder die Begründung mMn falsch zumindest ergänzungsbedürftig.


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