Freiheit (Steckenbleiben im Stau)
1. Juni 2025
16 Kommentare
4,7 ★ (24.974 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A baut auf der Torstraße in Berlin einen Unfall in Höhe des Rosenthaler Platzes. B kann erst weiterfahren, als das Auto der A eine halbe Stunde später abgeschleppt ist.
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Einordnung des Falls
Freiheit (Steckenbleiben im Stau)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. A hat B in seinem Rechtsgut Eigentum verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB), indem sie durch den Unfall den PKW des B blockiert hat.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. A hat B in seinem Rechtsgut Freiheit verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB), indem sie den Unfall gebaut hat.
Nein!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Trude
13.4.2020, 11:34:22
Ich finde den Sachverhalt missverständlich. Es wirkt als wäre B durch den Unfall von A gar nicht mehr in der Lage das Auto fortzubewegen, solange der Unfall nicht aufgelöst ist.
gelöscht
14.4.2020, 06:44:35
Was ja durchaus auch denkbar wäre in einer Stadt wie Berlin. Hier geht es aber eher um die zeitlich begrenzte, relativ kurze Einwirkung auf die Grundrechte des B. Deshalb gibt's auch keine Haftung.
evanici
11.9.2023, 09:59:44
Woraus ziehe ich denn das Erheblichkeitskriterium? Ist das denn eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes?
GO
7.11.2023, 22:55:09
Gute Frage! Warum sind 30min. nicht schon erheblich?
lexspecialia
4.12.2023, 12:13:24
Kriterien für die Erheblichkeit der Beeinträchtigung sind: - Auswirkungen - Anlass - Dauer Eine Gebrauchsbeeinträchtigung von 30 min im Straßenverkehr ist meiner Meinung nach noch keine erhebliche Beeinträchtigung aufgrund des verkehrstypischen Risiko.

LS2024
15.3.2024, 15:52:12
Dem Sachverhalt ist das Weiterfahren 30 Minuten lang nicht möglich. Das würde ich jetzt wie schon ein anderer User als einen vollständigen Stillstand verstehen, aus dem es auch kein Entkommen gibt. In einer anderen Lösung heißt es allerdings: Eine Vorenthaltung der Sache oder die Beeinträchtigung eines bestimmten Gebrauchs darf nicht nur kurzzeitig oder teilweise sein. Die
Verwendungsfähigkeit vorübergehend praktisch aufgehoben ist, bedarf es keiner zusätzlichen Überschreitung einer zeitlich definierten Erheblichkeitsschwelle. Nach dieser Lösung kommt es somit nicht darauf an, dass die Gebrauchsbeeinträchtigung nur vorübergehend ist. Eine Eigentumsverletzung liegt vor. Insofern ist entweder der Sachverhalt oder die Begründung mMn falsch zumindest ergänzungsbedürftig.

CR7
7.8.2024, 12:52:34
Dem stimme ich zu. In dem Originalurteil, welches auch im August 2023 in Sachsen lief, heißt es, dass es nicht auf die bloße Dauer, sondern auch auf die Intensität ankommt. Hier war die Intensität schwerwiegend. Dem stimme ich zu. In dem Originalurteil, welches auch im August 2023 in Sachsen lief, heißt es, dass es nicht auf die bloße Dauer, sondern auch auf die Intensität ankommt. Hier war die Intensität schwerwiegend. Das Gericht führte aus, dass die bestimmungsgemäße
Verwendungder Straßenbahngleise durch die Blockade vollständig aufgehoben wurde. Diese vollständige Nutzungsaufhebung genügt, um eine erhebliche Nutzungsbeeinträchtigung anzunehmen, ohne dass eine zeitlich definierte Erheblichkeitsschwelle überschritten werden muss. Es bedarf keiner dauerhaften Beeinträchtigung, wenn die Nutzbarkeit der Sache vorübergehend praktisch aufgehoben ist. Die
erforderliche Intensität der Beeinträchtigung folgt bereits aus dem Entzug des bestimmungsgemäßen Gebrauchs.

CR7
7.8.2024, 12:53:14
Weiß jetzt auch nicht, warum das doppelt kopiert hat :D (bitte Bearbeitungsfunktion einfügen, herzlichen Dank)
Blotgrim
30.3.2025, 17:20:45
Es wäre gut, wenn diese Frage geklärt werden könnte, da ihre Beantwortung ja gegebenenfalls einen wesentlichen Unterschied macht
annsophie.mzkw
4.7.2024, 12:20:46
Das Eigentum ist kein Rechtsgut, sondern ein Recht.
Timurso
4.7.2024, 12:43:19
Eigentum ist zwar ein Recht, aber es ist auch von § 823 I BGB geschütztes Rechtsgut.
annsophie.mzkw
5.7.2024, 14:43:52
Nein, es ist das einzige in § 823 I BGB ausdrücklich genannte Recht (vgl. Wortlaut „oder sonstiges Recht“), kein Rechtsgut. Macht der Sache nach keinen Unterschied, aber begrifflich ist es schlicht falsch im Falle einer Eigentumsverletzung von einer Rechtsgutsverletzung zu sprechen.
benjaminmeister
14.1.2025, 19:59:00
Man spricht doch bei allen Rechten im Rahmen des Prüfungsschemas von § 823 I von „Rechtsgutverletzungen". Was ist denn der Unterschied zwischen Recht und Rechtsgut? Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass die Begriffe synonym verwendet werden?

Prof. Dr. Maggus Rühl LL.M.
17.1.2025, 11:01:11
Rechtsgut = schutzwürdige Interessen wie Leben, Leib, Freiheit 🗽 Rechte = absolute, subjektive Rechte = APR, Namensrecht, Recht am Gewerbebetrieb

sy
19.2.2025, 22:08:55
Wenn er sich außerhalb des Autos frei bewegen kann, wieso war es dann bei dem Fall vorhin , wo die Studentin einegschlossen war in der Bib eine Rechtsgutsverletzung ? Man könnte sich doch auf dem Standpunkt stellen, dass auch diese sich zumindestens innerhalb der Bibliotheksräumlichkeiten frei bewegen konnte. Das heißt, bestimme ich das Verständnis der Freiheit nach dem subjektiven Empfinden von Freiheit des Betroffenen ? Oder ist das doch ein objektiver Maßstab?
Lt. Maverick
12.5.2025, 12:06:10
Zunächst einmal kommt es auf die Beschränkung selbst und dann die Intensität an. Die Studentin war in der Bibliothek eingeschlossen. Der Bereich ihrer körperlichen Bewegungsfreiheit war auf die Bibliotheksräume beschränkt. Vereinfacht gesagt würden dann auch Gefängnisinsassen als „frei“ gelten, weil sie sich zumindest teilweise frei in der Haftanstalt bewegen können. Oder würdest du z.B. behaupten, dass Wildtiere frei sind, wenn sie umzäunt leben (selbst bei hektargroßen Arealen)? Das entspricht nicht dem Leitbild von Freiheit. Sobald eine äußere Beschränkung oder Begrenzung vorliegt, kann auch die Freiheit beeinträchtigt sein. Zudem muss eine gewisse Intensität gegeben sein. Diese kann sich aus räumlicher und/oder zeitlicher Dimension ergeben. Das Einsperren in den Bibliotheksräumen war nicht unerheblich, indem sie eine ganze Nacht eingesperrt war und nicht nur 5 Minuten bis der Hausmeister sie entdeckte. Der Unterschied zum Verkehrsunfall ist, dass der Betroffene jederzeit aus seinem Wagen hätte aussteigen können, um sich frei zu bewegen. Es liegt keine äußere Begrenzung vor und selbst wenn man den Unfallort als äußere Begrenzung für die Bewegungsfreiheit anerkennt, so ist diese jedenfalls räumlich und zeitlich unerheblich. Bereits nach einer halben Stunde war die Straße wieder frei und der Fahrer hätte genauso auch den Unfallort über andere Strecken umgehen können. Die Bewegungsfreiheit knüpft also an die Freiheit in der Person und nicht die Transportfreiheit mittels
Fahrzeugan. Anders könnte der Fall beurteilt werden, wenn der Fahrer infolge des Unfalls derart in seinem
Fahrzeugeingesperrt gewesen wäre, dass er dieses nicht hätte verlassen können. Dann hätten wir eine zum Bibliotheksfall ähnlich gelagerte Konstellation.