Entziehung (durch Weiterveräußerung)
17. Februar 2025
13 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A leiht B sein Handy. B veräußert es an den gutgläubigen C.
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Einordnung des Falls
Entziehung (durch Weiterveräußerung)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat das Eigentum des A verletzt (§ 823 Abs. 1 BGB), indem er das Handy des A veräußert hat.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die abschließenden Schadensersatzansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (EBV, §§ 989, 990 BGB) sperren im Verhältnis A zu B unstreitig die Anwendbarkeit des deliktsrechtlichen Eigentumsschutzes.
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
gelöscht
2.6.2020, 23:15:32
Die erste Antwort, dass kein Ebv besteht, entspricht nicht der hM, da sich B durch die Übereignung an C vom Fremd- zum
Eigenbesitzer aufschwingt und dadurch vom berechtigten Fremd- zum nichtberechtigten
Eigenbesitzer wird. Zudem stellt ein Eigentumserwerb durch Gesetz gerade keine Verfügung dar, wie es in der zweiten Antwort steht und kann damit keinen Schadensersatzanspruch iSd 823 I BGB auslösen.

Eigentum verpflichtet 🏔️
3.6.2020, 02:04:10
Als hM würde ich den Reichseisenbahnfeldlokomotivenfall des BGH (BGHZ 31, 129) aus den 50er Jahren jetzt nicht bezeichnen, zumal er da den viel offensichtlicheren Anspruch aus GoA übersehen hat. ;) Die h.L. sieht das zumindest anders: vgl. Müko/Raff Vor 987 Rn. 42; Jauernig/Berger Vor 987 Rn. 7.

LS2024
28.4.2024, 12:26:56
Aber einer Erwähnung wäre es definitiv wert, das würde helfen dieses Problem in der Klausur zu identifizieren.

Sebastian Schmitt
8.1.2025, 10:18:13
Hallo @gelöscht, vielen Dank für Deinen Hinweis. Zu Deinem ersten Punkt: Rechtlich ist die Lage leider um einiges komplexer. Die von Dir angesprochene "hM" lässt sich im Kern auf eine recht vereinzelt gebliebene Entscheidung des BGH zurückführen, nämlich die von @[Eigentum verpflichtet 🏔️](99723) genannte (in unseren Quellen zur Aufgabe verlinkt). Dort wurde in der Tat gesagt, dass auch in der Begründung von
Eigenbesitzeine erneute Besitzergreifung iSd § 990 I BGB zu sehen sein kann. Ob das selbst vor dem Hintergrund der BGH-Entscheidung der Fall ist, wird allerdings kontrovers diskutiert. Das
Urteilenthält zwar keine sprachlichen Einschränkungen dahingehend, dass eine
Vindikationslagebei einem so genannten Aufschwingen vom Fremd- zum
Eigenbesitzer nicht immer vorliege. Einige Stimmen im Schrifttum verstehen es aber so, dass eine
Vindikationslagenur dann vorliege, wenn durch das Aufschwingen auch das bisherige
Besitzrechterlösche - was zB bei einem Besitz iRe GoA der Fall ist, bei einem
Besitzrechtaus Miete oder
Leiheaber gerade grds nicht (Einzelheiten zum Streitstand bei BeckOK-BGB/Fritzsche, 72. Ed, Stand 1.11.2024, § 987 Rn 26 f). Die Lage ist dementsprechend alles andere als eindeutig. Wir haben die Aufgabe aber jetzt zumindest insoweit überarbeitet, als wir diese Diskussion klarer darstellen, @[LS2024](144077). Zu Deinem zweiten Punkt: Das ist jedenfalls so pauschal nicht richtig. Vielmehr dürfte es gut vertretbar, wenn nicht sogar allgM sein, dass eine
Eigentumsverletzungauch in der Verfügung eines Nichtberechtigten und damit verbundenem Eigentumsverlust nach §§ 932 ff BGB liegt (BGH NJW 1996, 1535, 1537; BeckOK-BGB/Förster, 72. Ed, Stand 1.11.2024,
§ 823Rn 121). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Zavviny
22.9.2020, 09:26:34
Was ist mit dem nicht so berechtigten Besitzer?!

LS2024
28.4.2024, 12:28:02
Könnte man mMn in der Klausur auch erwähnen. Auch hier fände ich es erwähnenswert.

Sebastian Schmitt
8.1.2025, 10:36:38
Hallo @[Zavviny](37527), hallo @[LS2024](144077), mit der Figur des "nicht-so-berechtigten Besitzers" meint man in der Tat Fälle, in denen der Besitzer sein ihm tatsächlich zustehendes
Besitzrechtüberschreitet. Natürlich gehören zu diesem Überschreiten dem Wortlaut nach auch Fälle des Veräußerns einer fremden Sache ohne Zustimmung des Eigentümers. Allerdings werden die durchaus verbreitet unter dem besonderen Begriff des Aufschwingens vom Fremd- zum
Eigenbesitzer erfasst und separat behandelt (so zB von BeckOK-BGB/Fritzsche, 72. Ed, Stand 1.11.2024, § 987 Rn 25 ff; BeckOGK-BGB/Spohnheimer, Stand 1.11.2024, § 987 Rn 21 f). Je nach vertretener Auffassung verläuft die rechtliche Argumentation vor diesem Hintergund natürlich recht ähnlich, kann aber auch abweichen (s zB BeckOGK-BGB/Spohnheimer aaO). Wir haben jetzt zumindest einen kurzen Hinweis auf den "nicht-so-berechtigten Besitzer" eingefügt. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

Sassun
26.7.2024, 12:59:50
Hatte mich kurzzeitig gefragt, ob das EBV nicht schon wg. fehlendem Eigentums von A scheitert, vielleicht fragt sich das ja noch jemand, hier jedenfalls Überlegungen dazu: Für die Frage, ob die §§ 989 ff. die §
§ 823ff. nach § 993 I Hs. 2 sperren müsste geklärt werden ob zwischen A und B ein EBV vorliegt. I. B müsste im schädigenden Zeitpunkt (bzw. eine jur. Sekunde vor der Verfügung an C) Besitzer sein. Das ist er gem. § 854 I II. A müsste Eigentümer sein. Dass C gutgläubig Eigentum erworben hat, ist hier nicht relevant, im schädigenden Zeitpunkt, demjenigen der Veräußerung des B (also eine juristische Sekunde davor), war A noch Eigentümer. III. RzB B hat nach wohl aktueller h.M. ein Recht zum Besitz iSv § 986 I 1 Alt. 1 ggü. A aus dem
Leihvertrag(§ 598). Achtung: Der
Herausgabeanspruchaus § 985 würde einen anderen Zeitpunkt zugrunde legen, als der Anspruch aus §§ 989, 990. Sollte hier etwas fehlerhaft dargestellt worden sein, freue ich mich über Kritik.

Linne_Karlotta_
6.1.2025, 12:48:28
Hey @[Sassun](247789), vielen Dank für die ergänzende Erläuterung zu dieser Aufgabe. Wie Du schon sagst, ist es sehr wichtig, sich immer den maßgeblichen Zeitpunkt für die Be
urteilung der Vrss. eines EBVs vor Augen zu führen. Deine Überlegungen hierzu sind genau richtig. Liebe Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team
Vincent
19.12.2024, 11:56:35
In der Aufgabenstellung wird von einem "Veräußern" gesprochen. Eine Veräußerung meint im Regelfall einen Verkauf. In einer der Fragen wird das
Besitzrechtjedoch mit einer
Leihebegründet. Meiner Meinung nach widerspricht sich dies.

Linne_Karlotta_
6.1.2025, 12:43:14
Hey Vincent, danke für Deinen Kommentar. Tatsächlich liegt hier kein Widerspruch vor: Du musst hier zwei Beziehungen unterscheiden: 1. Den
schuldrechtlichen
Leihvertragzwischen A und B. 2. Die sachenrechtliche Veräußerung des Telefons von B an C. In der ersten Frage geht es zunächst darum, ob A überhaupt Ansprüche aus Delikt gegen B stellen kann, weil dieser das geliehene Telefon an C veräußert hat. Das Deliktsrecht wäre grundsätzlich gesperrt, also nicht anwendbar, wenn zwischen A und B ein EBV bestünde. Dann würden sich As Ansprüche vorrangig nach den §§ 987ff. BGB richten. Dies setzt jedoch voraus, dass B zum Zeitpunkt der Veräußerung des Telefons kein Recht zum Besitz gehabt hätte. Dieses Recht ergibt sich hier aber aus dem
Leihvertrag(§
598 BGB). Das Leihverhältnis ist damit relevant für die Frage nach der Anwendbarkeit von
§ 823Abs. 1 BGB. Im nächsten Schritt geht es darum, ob der
Tatbestanddes
§ 823Abs. 1 BGB erfüllt ist, konkret: Ob B das Eigentum des A verletzt hat. Hier wird das Verhältnis B-C relevant: Durch die Veräußerung von B an C erwirbt C alleiniges Eigentum an dem Telefon (§§ 929 S. 1,
932 BGB). Sprich: A verliert sein Eigentum. B verletzt das Eigentum des A, weil Bs Handeln dazu führt, dass A sein Eigentum verliert. Damit besteht eine
Eigentumsverletzungi.S.v.
§ 823Abs. 1 BGB. Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team