Bei versuchter Unterlassung 4.3
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die behandelnde Ärztin T muss O eine lebensrettende Spritze verabreichen. Sie weigert sich jedoch. Die Kräfte von O schwinden bereits, aber bis zum Tod dauert es noch etwa 46 Stunden. Das Verabreichen der Spritze muss aber unmittelbar erfolgen. T geht in den Nebenraum und O verstirbt an einem nun von X verabreichten Gift.
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Einordnung des Falls
Bei versuchter Unterlassung 4.3
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat den Tod des O kausal verursacht.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der versuchte Totschlag durch Unterlassen ist strafbar (§§ 212 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB).
Ja!
3. T hatte „Tatentschluss“ bezüglich der objektiven Merkmale des Totschlags (§ 212 Abs. 1 StGB).
Genau, so ist das!
4. T hatte „Tatentschluss“, den Totschlag durch Unterlassen zu begehen.
Ja, in der Tat!
5. Das unmittelbare Ansetzen beim Unterlassungsdelikt gleicht dem unmittelbaren Ansetzen durch Tätigkeit.
Nein!
6. T hat mit dem Verlassen des Raumes unmittelbar zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt.
Genau, so ist das!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
I-m-possible
5.7.2022, 14:21:23
Vorliegend ist dies nur der Fall wenn man nicht der h.M folgt, sondern der Mindermeinung. Eine unmittelbare Gefährdung lag für O indes noch nicht vor laut Sachverhalt.
Lukas_Mengestu
7.7.2022, 22:53:20
Hallo I-m-possible, schau Dir hier gerne noch einmal den Sachverhalt an. Auch wenn der Tod erst später eintritt, ist es ausweislich des Sachverhaltes notwendig, dass T die Spritze unmittelbar verabreicht. Im Unterschied zum vorhergehenden Fall tritt die unmittelbare Gefährdung also nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt ein, sondern besteht bereits. Zugleich handelt es sich hierbei um die letzte Rettungsmöglichkeit. Deshalb ist hier nach allen Ansichten ein
unmittelbares Ansetzenzu bejahen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
bibu knows best
7.7.2022, 07:26:24
Warum liegt bei den Fall das Unterlassen im Verlassen des Raums und beim Fall davor in den Nichtverabreichen der Spritze ?
Lukas_Mengestu
7.7.2022, 23:00:23
Hallo Bibu knows best, in beiden Fällen geht es bei der Unterlassenshandlung um das Nichtverabreichen der Spritze. Nun wird hier in der letzten Frage lediglich danach gefragt, ob T hierzu bereits unmittelbar angesetzt hat, als sie aus dem Raum ging. Dies war hier zu bejahen, da O sofort die lebensnotwendige Spritze benötigte. Die maßgebliche Unterlassenshandlung bleibt also die fehlende Verabreichung der Spritze. Ist es nun klarer? Beste Grüße, Lukas- für das Jurafuchs-Team
Dogu
25.5.2023, 09:16:28
Sehr schöner Fall, der dazu zwingt, den Sachverhalt genau zu lesen. :)
evanici
28.8.2023, 16:16:54
Ich muss mich outen... Ich verstehe leider nicht, was ihr mit dem (sinngemäßen) Kommentar "Die Zweiteilung dient der besseren Verständlichkeit" meint.
kaan00
9.2.2024, 16:26:04
Tatentschluss bezüglich (1.) der obj. Merkmale des Totschlags und (2.) den Totschlag durch Unterlassen zu begehen.