Elternzeit – Kürzung des Urlaubsanspruchs

7. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Angestellte A nimmt etwa 2 Jahre Elternzeit in Anspruch. 3 Monate nach der Rückkehr zur Arbeit kündigt sie das Arbeitsverhältnis selbst und will ihren Resturlaub in der Kündigungsfrist nehmen. Chef C erlaubt dies, verweigert jedoch den Urlaub, der auf die Elternzeit entfällt.

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Einordnung des Falls

Elternzeit – Kürzung des Urlaubsanspruchs

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Urlaub muss grundsätzlich in natura genommen werden. Eine Abgeltung ist nur ausnahmsweise möglich (§ 7 BUrlG).

Ja!

Nur dann, wenn der Urlaub aufgrund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr (vollständig) genommen werden kann, ist er abzugelten (§ 7 Abs. 4 BUrlG). A wurden bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses einige Urlaubstage gewährt. Sie beruft sich darauf, dass ihr noch mehr Urlaubstage zugestanden haben. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses können die womöglich noch offenen Urlaubstage nur noch finanziell ausgeglichen werden.
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2. A steht Urlaub auch für Zeit zu, in der sie in Elternzeit war und nicht gearbeitet hat.

Nein, das ist nicht der Fall!

Gemäß § 17 Abs. 1 S. 1 BEEG steht es dem Arbeitgeber zu, den Erholungsurlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Nach § 17 Abs. 1 S. 2 BEEG ist das nur anders, wenn der Arbeitnehmer während der Elternzeit für den Arbeitgeber in Teilzeit tätig war. A hat während ihrer Elternzeit gar nicht gearbeitet, sodass eine Kürzung in Betracht kommt. Auch das Unionsrecht verlange laut dem EuGH nicht, diejenigen Arbeitnehmer, die aufgrund Elternzeit im Bezugszeitraum nicht zur Arbeitsleistung verpflichtet waren, denen gleichzustellen, welche in diesem Zeitraum tatsächlich gearbeitet haben.

3. C hätte den Urlaubsanspruch sofort bei Beginn der Elternzeit kürzen und A darüber informieren müssen.

Nein, das trifft nicht zu!

BAG: Im bestehenden Arbeitsverhältnis könne der Arbeitgeber sein Kürzungsrecht vor, während und nach dem Ende der Elternzeit ausüben (BAG, 9 AZR 495/17, RdNr. 35). In der Aufstellung einer bestimmten Anzahl von Urlaubstagen in den Entgeltabrechnungen liegt nicht ohne Weiteres eine Kürzungserklärung im Sinne des § 17 I 1 BEEG, denn Entgeltabrechnungen seien grundsätzlich nur als Wissenserklärungen zu verstehen (BAG, 9 AZR 495/17, RdNr. 38).

4. Als Ankündigung seitens des Arbeitgebers bedarf es einer rechtsgeschäftlichen Erklärung.

Ja!

BAG: Der Arbeitgeber müsse eine empfangsbedürftige rechtsgeschäftliche Erklärung abgeben. Dazu sei es ausreichend, dass für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von der Kürzungsmöglichkeit Gebrauch machen will. Wird der beantragte Urlaub nicht vollständig gewährt, bedeute dies eine stillschweigende Kürzung (9 AZR 362/18, RdNr. 31). A wurde nur der gekürzte Urlaub gewährt. Dies genügt den Anforderungen.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FO

Fossi

22.3.2020, 02:58:20

Problematisch ist, dass die Kürzung vom Arbeitgeber nicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnis erklärt werden kann. Die Surrogat Theorie wurde vom BAG aufgegeben. Laut SV fehlt es an einer solchen Erklärung, weshalb ein Anspruch auf Abfindung des Urlaubs besteht. Der Fall ist zu retten, wenn man unterstellt, dass dieser Urlaub während der Kündigungsfrist genommen werden soll. Fraglich ist jedoch warum eine Kündigungsfrist von mehr als zwei Monaten bestehen soll...

Siri

Siri

22.3.2020, 21:53:53

Im zugrundeliegenden Fall 9 AZR 362/18 hat die Arbeitnehmerin am 23. März 2016 zum 30. Juni 2016 gekündigt und wollte noch während des laufenden Arbeitsverhältnisses den Urlaub nehmen. Das Arbeitsverhältnis war nicht beendet. Auch wenn 622 Abs. 1 BGB eine kurze Kündigungsfrist für den Arbeitnehmer normiert, darf man den Chef ja auch früher "vorwarnen", dass er sich einen neuen Angestellten suchen muss. Oder es gab eine zulässige Verlängerung der arbeitnehmerseitigen Kündigungsfrist.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

12.11.2021, 10:24:14

Danke euch beiden, wir haben den Sachverhalt dahingehend präzisiert, dass der Urlaub während der laufenden Kündigungsfrist genommen wird. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

ZAV

Zavviny

19.9.2020, 14:54:41

Hi, Das ist der erste Leitsatz des Urteils: 3. Der Arbeitgeber kann das Kürzungsrecht nach § 17 I 1 BEEG nur im bestehenden Arbeitsverhältnis durch Abgabe einer (empfangsbedürftigen) rechtsgeschäftlichen Erklärung ausüben. Er kann den Urlaub vor, während und nach dem Ende der Elternzeit kürzen, nicht jedoch vor der Erklärung des Arbeitnehmers, Elternzeit in Anspruch zu nehmen. Bei eurer Aufgabenstellung klingt es aber gerade so, als wäre NACH der Kündigung die Erklärung durch den Arbeitgeber noch möglich... Gefährlich missverständlich!!

JURA

Juranus

27.11.2020, 08:06:06

Hi Zavviny, vielleicht stehe ich etwas auf dem Schlauch, aber inwiefern siehst du einen Widerspruch zwischen der Kürzung nach Kündigung und dem Wortlaut des Urteils?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

12.11.2021, 10:28:06

Hallo ihr beiden, wenn ich Dich Zavviny richtig verstanden habe, dann meintest Du, dass unser Sachverhalt suggeriert, dass eine Kürzung durch den Arbeitgeber bei beendetem Arbeitsverhältnis möglich wäre. Wir haben das jetzt dahingehend präzisiert, dass wir klargestellt haben, dass das Arbeitsverhältnis nicht unmittelbar durch die Kündigung endete, sondern es noch eine laufende Kündigungsfrist gibt, innerhalb derer der Urlaub genommen werden sollte. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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