Konkludente Vertragsänderung bei Dauerschuldverhältnis - McFit (Kenntnis der Änderung)


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

B trainiert im Fitnessstudio McBody GmbH (M) für monatlich 19,90 €. Als er am 23.03. zum Training kommt, teilt ihm Angestellte A mit, dass der Preis ab 01.4. auf 24,90 € steigen soll. Mit Durchschreiten des Drehkreuzes stimme er der Änderung zu. Sofern er nicht einverstanden sei, müsse er am Tresen widersprechen. B geht direkt trainieren.

Einordnung des Falls

Konkludente Vertragsänderung bei Dauerschuldverhältnis - McFit (Kenntnis der Änderung)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B liegt ein Angebot der M zur Änderung des Vertrages vor (Erhöhung der Nutzungsgebühr).

Ja!

Das Angebot ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die einem anderen ein Vertragsschluss so angetragen wird, dass das Zustandekommen des Vertrages nur noch von dessen Einverständnis abhängt (§ 145 BGB).M hat B durch ihre Mitarbeiterin mitgeteilt, dass sich das Nutzungsentgelt auf 24,90 € erhöhen soll. Diese Änderung bedarf lediglich noch Bs Zustimmung.

2. B muss dieses Angebot ausdrücklich annehmen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die Annahme ist eine Willenserklärung, mit der das Einverständnis mit dem Antrag ausgedrückt wird (§ 147 BGB). Der objektive Tatbestand einer Willenserklärung liegt in einem äußerlich erkennbaren Verhalten, das auf das Vorliegen eines Handlungswillens, eines Erklärungsbewusstseins und eines Geschäftswillen schließen lässt. Die Annahme muss dabei nicht ausdrücklich erfolgen, sondern kann sich auch durch schlüssiges Verhalten ergeben.B kann seine Zustimmung zur Vertragsänderung somit auch durch entsprechend schlüssiges Verhalten zum Ausdruck bringen, wie z.B. durch die Zahlung des erhöhten Nutzungsentgelts.

3. Allein das Schweigen des B auf die Vertragsänderung stellt eine konkludente Annahme dar.

Nein, das trifft nicht zu!

Die konkludente Annahme ist vom bloßen Schweigen zu unterscheiden. Schweigen gilt nur dann als Willenserklärung, wenn (1) die Parteien es vereinbart haben oder (2) das Gesetz es bestimmt (z.B. in §§ 108 Abs. 2 S. 2, 177 Abs. 2 BGB als Ablehnung sowie in §§ 516 Abs. 2 S. 2, 1943 BGB und § 362 Abs. 1 HGB als Zustimmung). B und M haben keine Vereinbarung getroffen, dass dem Schweigen einer Partei ein bestimmter Erklärungswert zukommen soll. Auch eine gesetzliche Bestimmung liegt nicht vor.

4. Indem B das Drehkreuz durchschritten hat, hat er der Änderung konkludent zugestimmt.

Ja!

Eine Annahme durch schlüssiges Verhalten liegt vor, wenn der Annahmewille aus der Sicht des Antragenden „aktiv“ zum Ausdruck kommt.M hat B ausdrücklich über die gewünschte Vertragsänderung informiert. Es wäre B auch ohne größeren Aufwand möglich gewesen, sich zu dieser Änderung am Tresen zu äußern. Aus dem Umstand, dass B trotz persönlicher Aufklärung wortlos das Drehkreuz durchschreitet, durfte M schließen, dass B mit der Änderung einverstanden ist.

5. Kann M von B ab 01.04. das höhere Nutzungsentgelt verlangen?

Genau, so ist das!

Die geschuldeten Leistungen der Vertragsparteien ergeben sich aus dem zwischen Ihnen geschlossenen Vertrag sowie zwingenden gesetzlichen Bestimmungen.B hat der Vertragsänderung konkludent zugestimmt. Damit ändert sich ab 01.04. das Nutzungsentgelt auf 24,90 €.Auch wenn es in der Praxis an einer expliziten Aufklärung meist fehlt, solltest Du sicherheitshalber einen Widerspruch formulieren und einreichen. Damit stellst Du klar, dass Deine fortgesetzte Nutzung gerade keine konkludente Zustimmung darstellt.

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CH1RON

CH1RON

27.4.2022, 16:32:24

Die zwei neuen Fälle sind klasse, weiter so!

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

28.4.2022, 00:11:26

Vielen Dank, CH1RON :-)

Tom

Tom

2.5.2022, 15:06:35

Leider gerade sehr aktueller – Danke für die Aufklärung dieser Bauernfängerei!

QUIG

QuiGonTim

16.7.2022, 17:52:06

Es steckt ein bisschen Erbsenzählerei in diesem Kommentar, aber liegt schon im Durchschreiten des Drehkreuzes die konkludente Annahmeerklärung des B? Denn wenn er mit dieser Vertragsanpassung nicht einverstanden wäre, müsste er ja dennoch durch das Drehkreuz gehen, um seine Ablehnung am Tresen zu äußern. Andernfalls wäre das Widersprechen am Tresen als Widerruf der Annahmeerklärung zu werten. Letztlich kann die Annahmeerklärung mE nur im unterlassenen Widerspruch am Tresen liegen. Beim Unterlassen stellt sich dann wieder die Frage, ob es nicht als Schweigen ohne Erklärungswert zu sehen ist.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

18.7.2022, 19:00:46

Hallo QuiGonTim, vielen Dank für Deinen Hinweis. Der Nutzer kann hier aber doch bereits vor dem Durchschreiten des Drehkreuzes zum Tresen gehen und den Widerspruch erklären. Die Zeichnung zeigt, dass er ja sowohl in den Mitgliederbereich hineinragt, als auch von außen erreichbar ist :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-team

EB

Elias Von der Brelie

20.6.2023, 21:48:37

Ich bin ein großer Fan von den "Praxistipps". Es ist meiner Meinung nach nicht nur wichtig diese Fälle Rechtlich zu kennen, sondern eben auch zu wissen wie man damit Praktisch umgeht. Auch wenn man das in den Klausuren nicht unbedingt braucht.

SI

silasowicz

6.8.2023, 13:05:27

Hätte B denn einen Anspruch auf Schadensersatz (hier ggf. Mietmängelgewährleistung), wenn er nicht zustimmt und folglich auch das Drehkreuz nicht durchschreiten könnte, sofern es hierzu keine entsprechenden Anpassungsregelungen im Vertrag bzw. den AGB des Fitnessstudios gäbe?

Fuller at H(e)art

Fuller at H(e)art

2.10.2023, 21:17:34

M.E. überzeugt die Annahme einer Annahme nicht. Maßgeblich hat die Auslegung vom objektiven Empfängerhorizont zu sein. Aus Sicht eines objektiven Empfängers kann auch bei ausdrücklichem Angebot in dem Durchschreiten keine Annahme erblickt werden. Andernfalls hätte es der Anbietende in der Hand den Erklärungsgehalt des Empfängerverhaltens einseitig zu steuern (könnte diesem regelrecht eine Bedeutung aufoktroyieren). Die bloße Möglichkeit eines Widerspruchs ändert daran nichts. Es obliegt nicht dem Empfänger einem seinen Verhalten einseitig beigemessenen Erklärungsgehalt entgegenzutreten, welcher diesem nach der Verkehrsanschauung gerade nicht zukommt.

LELEE

Leo Lee

7.10.2023, 16:51:48

Hallo Fuller at H(e)art, das ist in der Tat ein sehr berechtigter Einwand, zumal hierdurch eine Art „Benachteiligung“ – wie du mit dem Wort „aufoktroyieren“ ausdrückst – stattfinden kann. Beachte allerdings, dass solch konkludente Annahmen aufgrund der Praxistauglichkeit in einer Klausur eher zu bejahen sein werden. Vergleichbar ist dieser Fall nämlich auch mit anderen Fällen, in denen der Annehmende bewusst eine Handlung vornimmt, die aus dem obj. Empfängerhorizont als Annahme gewertet werden kann; wenngleich diese Fälle etwas „klarer“ gelagert sein mögen (etwa die Entgegennahme von Waren, ohne ein Wort davor zu sagen). Hierzu kann ich i.Ü. die Lektüre von MüKo-BGB 9. Auflage, Busche § 147 Rn. 4 sehr empfehlen :). Liebe Grüße – für das Jurafuchsteam – Leo

Fuller at H(e)art

Fuller at H(e)art

16.10.2023, 12:28:59

Vielen Dank für die Antwort. Im Falle der Entgegennahme einer Ware besteht aber grundsätzlich noch kein Vertragsverhältnis, so dass der Entgegennahme im Regelfall die Bedeutung einer Annahme beigemessen werden kann. Hingegen steht der Kunde des Fitnessstudios gerade in vertraglicher Beziehung und nimmt durch das Durschreiten schlicht die ihm kraft des Vertrages zustehende Leistung in Anspruch. Dem Durchschreiten kommt damit kein weitergehender Bedeutungsgehalt zu, es erschöpft sich in der Ausübung des vertraglich eingeräumten Nutzungsrechtes. Würde der bloßen Inanspruchnahme der zustehenden vertraglichen Leistung ein darüber hinausgehender Bedeutungsgehalt beigemessen, könnte der Gläubiger weiterhin von der Ausübung seiner Rechte abgehalten werden. Daran ändert aus den oben genannten Gründen m.E. auch der ausdrückliche Hinweis auf eine Widerspruchsmöglichkeit nichts.

Kind als Schaden

Kind als Schaden

12.4.2024, 12:02:41

Verstößt es nicht gegen Treu und Glauben, dass bereits die bloße vertragliche Inanspruchnahme einer geschuldeten Leistung zu einer Vertragsänderung führen soll? Der Fitnessstudiobesucher hat ja keine andere Wahl als durch das Drehkreuz zu gehen und wird ja dazu genötigt, dass er sich erklären muss. Würde man das auf die Spitze treiben, könnten die Fitnessstudios täglich neue Vertragsänderungen antragen und der Kunde käme zu nichts anderem mehr, als diesen zu widersprechen, obwohl er eigentlich nur trainieren möchte. Umgekehrt wäre die Situation auch misslich: Wenn die Fitnessstudio-Mitglieder dem Studio etwa ähnlich lautende E-Mails schreiben würden, mit dem Antrag auf Preissenkung, dann käme das Fitnessstudio auch zu nichts mehr außer Anträgen zu widersprechen.

Paulah

Paulah

13.4.2024, 13:11:39

Ich war zwar noch nie in einem Fitnessstudio, aber vermutlich steht in dem Vertrag eine Klausel, wann und wie Vertragsanpassungen durchgeführt werden (können). Wenn der Besucher die neuen Bedingungen nicht akzeptieren will, kann er die Nutzung künftig unterlassen. Im letzten Jahr hatte ich z. B. von meinem Domainanbieter die Ankündigung einer "Preisanpassung" - ich hatte die Wahl, eine Erhöhung um 50 % (!!!) zu akzeptieren oder zu kündigen.

Kind als Schaden

Kind als Schaden

14.4.2024, 00:50:14

Ich gehe sogar davon aus, dass es im Vertrag steht. Aber wie die AGB-Kontrolle beweist, heißt das ja noch lange nicht, dass es nicht trotzdem treuwidrig sein kann.

Nora Mommsen

Nora Mommsen

19.4.2024, 12:49:20

Hallo KindalsSchaden, danke für deine Rückmeldung. Hier kann der Nutzer ja bevor er das Drehkreuz passiert, der Vertragsänderung widersprechen. Der Tresen ist für ihn ausweislich der Sachverhaltsskizze gut erreichbar. Natürlich erscheint es durchaus fragwürdig und die genaue AGB Klausel, die eine solche Vertragsänderung möglich macht ist genau zu prüfen. Allerdings ist diese Art von Bedingungsänderung nicht die Ausnahme. In der Regel wäre er Aushang vermutlich nicht am Eingang, sondern würde dir als Nutzer vorher per Mail zugehen und durch Inanspruchnahme der Dienstleistung stimmst du dem zum, es sei denn du widersprichst ausdrücklich. Das gilt gleichermaßen für Onlinedienste wie Streaminganbieter oder Onlinezahlsysteme oder dergleichen, die ihre Bedingungen ändern. Ich vermute durch die physische Verkörperung des Schildes unmittelbar vorm Eingang, kommt es dir extrem vor - es ist aber nichts anderes als geänderte Vertragsbedingungen per E-Mail. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

Kind als Schaden

Kind als Schaden

22.4.2024, 02:20:43

Das LG Bamberg hat wohl gestern eine Annahme durch das Drehkreuz Durchschreiten für unzulässig erklärt. Die genauen Begründung habe ich noch nicht gefunden, allerdings war mein Bauchgefühl wohl richtig. Vielleicht könnt ihr bei Jurafuchs ja sobald das Urteil vorliegt nochmal den Fall überarbeiten bzw. einen neuen Fall basteln :)

UNBE

UnbekannterNutzer

22.4.2024, 18:48:22

Meine persönliche Begründung wäre, dass es sich nicht um konkludentes Verhalten handelt. Maßstab: Sie sind bei Handlungen anzunehmen, die bei Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund übrig lassen, daran zu zweifeln, dass ein bestimmter Wille vorliegt. Hier kann auch ein Wille zur sportlichen Betätigung vorliegen. Somit handelt es sich um Schweigen. Diesem kommt nur in Ausnahmefällen ein Erklärungswert zu und ich sehe keine einschlägige Ausnahme.

JuJu13406

JuJu13406

3.7.2024, 23:20:36

Ich halte die Jurafuchs Lösung hier ebenfalls klar für falsch. Nur weil es dem Kunden hier leicht möglich war, zu widersprechen, kann das Fitnessstudio ihm noch lange nicht einfach vorgeben, dass das Durchschreiten des Drehkreuzes einen bestimmten Erklärungswert hat. Mit anderen Worten: Nur weil es für den Kunden leicht war, den vom Fitnessstudio einseitig ausgedachten Regeln für einen bestimmten Erklärungswert seines Verhaltens zu folgen, werden die Regeln, die das Fitnessstudio über den Erklärungswert einseitig aufgestellt hat, nicht einfach gültig. Dann könnte jeder Obdachlose auf der Straße zu mir kommen und sagen, dass ich konkludent ein abstraktes Schuldversprechen mit dem Inhalt, ihm 1.000€ zu schulden, abgebe, wenn ich jetzt weiter die Straße entlanggehe und dem nicht widerspreche. Wenn das alles in AGB vorher geklärt wurde und die auch wirksam sind, liegt der Fall natürlich anders aber vorliegend ist von irgendwelchen AGB keine Rede. Wenn nach § 308 Nr. 5 BGB schon eine Bestimmung in AGB, der der Vertragspartner zugestimmt hat, unwirksam wäre, die einfach nur besagt, dass ein bestimmtes Verhalten des Vertragspartners einen bestimmten Erklärungswert hat, dann kann der Vertragspartner erst recht nicht einseitig ohne Zustimmung der anderen Partei anordnen, dass ein bestimmtes Verhalten einen bestimmten Erklärungswert hat.

PAUL1

paul1ne

10.7.2024, 14:23:21

Lieber JuJu13406, ich denke dein Beispiel hinkt ein wenig. Dein Schweigen ist offensichtlich weder in deinem Beispiel noch im Fall rechtserheblich. Sowohl das wortlose Durchschreiten des Drehkreuzes als auch das Durchschreiten des Drehkreuzes nach vorigem Widerspruch an der Theke sind schnelle und zumutbare Handlungen, die M vornehmen kann. Unabhängig von der AGB ist also nicht das Durchschreiten des Drehkreuzes das Problem, sondern die Alternativlösung und die Verfügbarkeit der Informationen.

JuJu13406

JuJu13406

10.7.2024, 15:34:57

Paul1ne ich verstehe deine Antwort nicht ganz. Wenn du sagst das Schweigen in meinem Beispiel und im Fall sei unerheblich, meinst du dann, dass das Verhalten als konkludente Erklärung aufgefasst werden kann und eine Erklärung vorliegt, obwohl der Handelnde geschwiegen hat?

JuJu13406

JuJu13406

10.7.2024, 15:43:30

Außerdem lässt sich mit dem Hinweis, dass das Durchschreiten des Drehkreuzes eine schnelle und zumutbare Handlung ist, die M vornehmen kann nicht allzu viel anfangen. Da fehlt die Verknüpfung zum Fall und die Erklärung inwiefern es relevant ist, dass diese Handlungen schnell vorzunehmen sind. Genauso ist dein letzter Satz ohne weitere Erklärungen schwer zu verstehen. Inwiefern liegt das Problem der Annahme einer konkludenten Zustimmung nicht beim Durchschreiten sondern bei einer Alternativlösung und der Verfügbarkeit von welchen Informationen?

JuJu13406

JuJu13406

10.7.2024, 16:04:33

Und wo genau hinkt deiner Meinung nach mein Vergleich mit meinem Beispiel? In beiden Situationen liegt ein Verhalten vor, das niemand als irgendeine rechtserhebliche Erklärung interpretieren würde, wenn nicht vorher derjenige, der an der Annahme einer rechtserheblichen Erklärung interessiert ist, einseitig festlegt, dass er das Verhalten als eine bestimmte Erklärung auffassen wird. Der Obdachlose sagt, dass das widerspruchslose Weiterlaufen eine Erklärung sein soll und die Mitarbeiterin im Fitnessstudio sagt, dass das widerspruchslose Weiterlaufen durch das Drehkreuz eine Erklärung darstellen wird. Ohne die Aussagen des Obdachlosen und der Mitarbeiterin würde kein objektiver Dritter in der Position des Obdachlosen oder der Mitarbeiterin dem Verhalten einen Erklärungswert beimessen. Die Annahme eines Erklärungswertes basiert damit zu 0 % auf einer allgemeingültigen geläufigen Interpretation des Verhaltens, sondern zu 100 % darauf, dass der Erklärungsempfänger selbst bestimmt und mitgeteilt hat, dass er das Verhalten als bestimmte rechtserhebliche Erklärung auffassen wird. Die zentrale Frage des Falles ist damit, ob bei der Auslegung eines bestimmten Verhaltens nach dem objektiven Empfängerhorizont willkürliche direkte Mitteilungen des Erklärungsempfängers darüber, dass er ein bestimmtes Verhalten als bestimmte Erklärung auffassen wird (quasi als Vorwarnung) zu berücksichtigen sind, oder sich der konkludente Erklärungswert allein aus dem objektiven Verhalten für sich oder zwischen den Parteien vorher vereinbarten Interpretationsregeln ergeben muss.

PAUL1

paul1ne

13.7.2024, 11:22:26

Ja, in beiden Fällen ist nicht das Schweigen ausschlaggebend. Schweigen ist fast immer nicht rechtserheblich. Weiterhin sind die Handlungen nicht schnell vorzunehmen, sondern es ist möglich, sie mit geringem Aufwand vorzunehmen. Das ist wichtig, weil im vorausgegangenen Fall, als das Durchschreiten des Drehkreuzes nicht zum Vertragsschluss geführt hat, das Lesen und Wahrnehmen des Angebots mit einem größeren, nicht erwartbaren Aufwand verbunden war. Nicht jedes Mitglied eines Sportvereins liest jeden Aushang. Der Unterschied ist, dass der Empfänger im einen Fall das Weitergehen als konkludente Zustimmung wahrnimmt, BEJAHT und danach handelt. Angesichts deines beleidigten Tonfalls habe ich jetzt keine Lust, es nochmal wortreicher zu erklären. Ich schlage vor, du liest nochmal die Texte zu dieser und der vorigen Aufgabe zum selben Thema durch, da ist auch der Unterschied sehr gut erklärt eigentlich👍🏼

JuJu13406

JuJu13406

13.7.2024, 11:47:37

Im Fall, den wir hier kommentieren bejaht der Kunde aber doch gar nicht, dass das Weitergehen eine konkludente Zustimmung sein soll? Man teilt ihm mit, dass das so sein soll und er geht einfach durch.

PAUL1

paul1ne

13.7.2024, 11:55:51

Würde er es verweigern, würde er zum Schalter gehen. Er weiß, dass er die Wahl hat durchs Drehkreuz zu gehen und zuzustimmen oder an den Schalter zu gehen, zu widersprechen und dann durchs Drehkreuz zu gehen. Es geht kommentarlos durchs Drehkreuz. Es lässt sich ableiten, dass er damit zustimmt. Er hat ja nicht die Möglichkeit der Nichtäußerung, er kann ja nur zustimmen oder widersprechen! Würde es um einen Vertragsschluss gehen, wäre es eine andere Diskussion, denke ich

JuJu13406

JuJu13406

13.7.2024, 12:14:21

Du setzt gerade voraus, dass er mit einem wortlosen Durchschreiten des Drehkreuzes zustimmt und dass er nur widersprechen bzw. nicht zustimmen kann, wenn er zum Schalter geht. Aber ob das überhaupt so ist, ist gerade die Frage, die ich die ganze Zeit aufwerfe. Jeder Mensch hat ja das Recht, auf ein Angebot auch einfach nicht zu reagieren. Weder zuzustimmen noch zu widersprechen. Wenn du jetzt aber sagst, das wortlose Durchschreiten ist eine Zustimmung, dann sagst du gleichzeitig, dass der Kunde nicht einfach, wie es ihm seine Mitgliedschaft gestattet, trainieren gehen darf, ohne überhaupt irgendwas zu der Beitragserhöhung zu sagen. Und damit sagst du gleichzeitig, dass das Fitnessstudio ihm einseitig diktieren kann, dass er nicht mehr trainieren kann ohne zuzustimmen, es sei denn, er widerspricht vorher am Schalter. Und gerade das ist meiner Ansicht nach ein Problem. So zwingt man den Kunden, aktiv eine Widerspruchserklärung abzugeben, um nicht durch sein ganz normales Verhalten eine Zustimmung zu erteilen. Man nimmt ihm die Möglichkeit, sich einfach nicht zu äußern und einfach den ursprünglichen Vertrag zu nutzen und meiner Meinung nach kann ein Vertragspartner eben das nicht tun.

JuJu13406

JuJu13406

13.7.2024, 12:17:57

Es wäre anders, wenn die Zustimmungshandlung nicht einfach die Nutzung der bisherigen Mitgliedschaft wäre. Dann könnte der Kunde einfach trainieren gehen und sich nicht äußern. Aber so wie du es schilderst, ist es ihm durch das Studio verboten, seinen Vertag weiter zu nutzen, wenn er nicht zustimmen will und ebensowenig nicht widersprechen will. Wenn er sich einfach nicht äußern will, kann er das Studio nicht mehr betreten, weil das nach dir ja dann wieder eine Zustimmung wäre. Zudem ist die Änderung des Mitgliedsbeitrages ein Vertrag. Der ist nämlich nötig, um den Inhalt eines Schuldverhältnisses zu ändern, siehe § 311 Abs. 1 BGB

PAUL1

paul1ne

13.7.2024, 12:18:46

Jo, das ist genau der Punkt. Dass man das Mitglied so zur Äußerung „zwingt“ ist nur zulässig, weil der Widerspruch so einfach ist, er müsste ja nur drei Schritte weiter gehen zum Schalter. Es ist okay, wenn du es problematisch findest, solange du die herrschende Meinung verstehst👍🏼

JuJu13406

JuJu13406

13.7.2024, 12:34:19

In meinem ersten Kommentar hab ich ja schon exakt das gesagt: Nur weil es leicht ist, zu widersprechen, heißt das für mich nicht, dass der Kunde dann auch widersprechen MUSS um nicht zuzustimmen. Für mich gibt es dafür noch kein überzeugendes Argument außer der Leichtigkeit. Aber ja, in der Klausur kann ich natürlich so tun, als würde ich der hM zustimmen und dann diese Begründung anführen.

DAV

david1234

18.7.2024, 16:17:59

Stimme JuJu hierbei komplett zu, hier wird zu Lasten, sogar eines Verbrauchers, versucht eine rechtliche Lösung zu kreieren, die Schutzvorschriften außer Acht lässt.

DAV

david1234

18.7.2024, 16:14:17

Vielleicht für den ein oder anderen interessant, ist zwar noch nicht rechtskräftig, aber eine gute Argumentation für eine andere Sichtweise. Es kann nicht sein, eine solche Vertragsänderung mit einer Hauptleistungspflicht, der Trainingsmöglichkeit, zu verbinden. Zumal für diese im Monat bereits die Gegenleistung erbracht worden ist. Im Worst Case werden so die Personen gehindert, die Gegenleistung wahrzunehmen, auch eine sofortiger Widerspruch kann nicht zu Lasten der schützenden Partei gehen.

FL

Flohm

24.7.2024, 11:34:18

Hallo, dazu gibt es ein neues Urteil. Schön wäre, wenn in der Frage auch auf die AGB eingegangen wird. Das neue Urteil ist vom LG Bamberg (Urt. v. 15.03.2024 - Az.: 13 O 730/22).


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