Zivilrecht

Kreditsicherungsrecht

Einredefreier Erwerb von Forderung und Sicherung durch Dritte

Eigentumsvorbehalt: gutgläubiger Wegerwerb, § 161 Abs. 3 BGB, aber § 936 Abs. 3 BGB

Eigentumsvorbehalt: gutgläubiger Wegerwerb, § 161 Abs. 3 BGB, aber § 936 Abs. 3 BGB

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

V veräußert und übergibt K unter Eigentumsvorbehalt eine Maschine. Noch vor der vollständigen Zahlung durch K veräußert V die Maschine unter Abtretung des Herausgabeanspruchs weiter an den Dritten D. D weiß nichts von der Vereinbarung zwischen V und K.

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Einordnung des Falls

Eigentumsvorbehalt: gutgläubiger Wegerwerb, § 161 Abs. 3 BGB, aber § 936 Abs. 3 BGB

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. D könnte einen Anspruch auf Herausgabe der Maschine gegenüber K zustehen (§ 985 BGB).

Ja!

Der Herausgabeanspruch setzt voraus, dass (1) der Anspruchsberechtigte Eigentümer ist, (2) der Anspruchsgegner Besitzer ist, und (3) der Besitzer kein Recht zum Besitz hat. V hat sich das Eigentum an der Sache vorbehalten. Sie war zum Zeitpunkt der Veräußerung an D noch berechtigte Eigentümerin und konnte ihr Eigentum an D nach §§ 929 S. 1, 931 BGB übertragen. Die Maschine ist im Besitz der K. Fraglich ist, ob K gegenüber D ein Recht zum Besitz besitzt.
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2. Aufgrund des Kaufvertrages stand K gegenüber V ein Recht zum Besitz zu.

Genau, so ist das!

Der Vorbehaltskäufer hat aus dem Kaufvertrag ein Recht zum Besitz der Vorbehaltsware. Aus § 449 Abs. 2 BGB ergibt sich, dass der Käufer das Besitzrecht nur dann verliert, wenn der Verkäufer wirksam vom Vertrag zurücktritt.K steht jedenfalls gegenüber V ein relatives Besitzrecht zu. Jedenfalls über den Umweg des § 986 Abs. 2 BGB ist es möglich, diese Einwendung auch D entgegenzuhalten.Ob sich aus dem Anwartschaftsrecht dagegen generell ein Recht zum Besitz ableitet (§ 986 BGB), ist streitig. Der BGH lehnt die Gleichsetzung des Anwartschaftsrecht mit einem absoluten Besitzrecht ab und sieht das Eigentumsrecht als vorrangig. Die Gegenansicht will hingegen den Schutzzweck des Anwartschaftsrechts auch auf den Besitz an der Sache ausdehnen.

3. Geht das Besitzrecht des Vorbehaltskäufers stets durch Zwischenverfügung unter?

Nein, das trifft nicht zu!

Aufgrund des Eigentumsvorbehalts besteht ein Anwartschaftsrecht für den Vorbehaltskäufer. Die vollständige Zahlung ist eine aufschiebende Bedingung i.S.d. § 161 Abs. 1, 2 BGB. Durch die Zahlung wird aus dem Anwartschaftsrecht Volleigentum. Dabei geht das Anwartschaftsrecht nicht zwangsläufig durch Zwischenverfügung unter. Die aufschiebende Bedingung wirkt auch gegen den Dritten. Der Dritte erwirbt zwar durch Zwischenverfügung das Volleigentum an dem Vorbehaltseigentum. Die Verfügung wird aber in dem Moment unwirksam, in dem die Bedingung (vollständige Zahlung) eintritt (§ 161 Abs. 2, 1 BGB).

4. Da D hier aber keine Kenntnis vom Anwartschaftsrecht hatte, hat er das Eigentum an den Maschinen gutgläubig lastenfrei erworben (§§ 161 Abs. 3, 936 Abs. 1 BGB).

Nein!

Auf Bedingungen finden nach § 161 Abs. 3 BGB die Gutglaubensvorschriften Anwendung. Nach den §§ 932ff. BGB kann selbst das Volleigentum gutgläubig wegerworben werden. Das Anwartschaftsrecht kann also erst recht nicht davor geschützt sein, da es sich nur um ein „wesensgleiches Minus“ zum Eigentum handelt. Allerdings verweist § 161 Abs. 3 BGB auch auf § 936 BGB. Nach § 936 Abs. 3 BGB erlöschen Rechte Dritter durch den gutgläubigen Erwerb nicht, wenn die Sache sich im unmittelbaren Besitz des Rechtsinhabers befindet (§ 936 Abs. 3 i.V.m. § 931 BGB). Hier war K im Besitz der Sache, sodass D hier nur das mit dem Anwartschaftsrecht belastete Eigentum erwerben konnte. Mit Bedingungseintritt wird die Zwischenverfügung unwirksam (§ 161 Abs. 1 BGB) und K wird Eigentümerin.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

ajboby90

ajboby90

22.2.2024, 08:52:59

Die Aufgabe hat es in sich

CR7

CR7

9.3.2024, 19:04:58

Mir erschließt sich leider nicht, welchen Herausgabeanspruch V gegen K denn abtreten soll? 🤔 K hat ein AnwR erworben, also V kann den Eigentumserwerb einseitig nicht mehr verhindern. Ein Herausgabeanspruch könnte sich nur durch wirksame Ausübung eines Gestaltungsrechts ergeben. §

985 BGB

kann nach ganz hM nicht abgetreten werden; darauf kommt es aber gar nicht an, da auch V keinen Anspruch auf Herausgabe hatte.... Wäre für eine Aufklärung dankbar

ajboby90

ajboby90

24.4.2024, 21:34:11

Potentieller HGA aus 449 ii, 346. (Bei Jura-online gelesen). Ich habe grade keinen Zugang zu Kommentarliteratur, aber soweit ich weiß wird das mit der Abtretung eines HGA bei 931 nicht so eng gesehen. Teilweise soll die bloße Einigung über eine Abtretung ausreichen.

ajboby90

ajboby90

24.4.2024, 21:43:18

Habe noch folgendes dazu gefunden: wenn dem Eigentümer gegen den Besitzer keine anderweitigen Herausgabeansprüche zustehen (und damit nur der Anspruch aus §

985 BGB

zusteht), wird § 9

31 BGB

dahingehend verstanden, daß für den Eigentumserwerb die bloße Einigung ausreicht (vgl. Palandt/Bassenge, § 931 Rn. 3; Gerhard, Mobiliarsachenrecht, 3. Aufl., § 11, 4). Quelle https://www.uni-saarland.de/fileadmin/upload/lehrstuhl/beckmann/Mobiliarsachenrecht/Fall_39.pdf

AR

Artimes

6.9.2024, 17:58:29

Warum wirkt § 161 I BGB entgegen des Wortlauts absolut? Das habe ich mal in einer Falllösung gelesen.


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