Strafrecht

BT 2: Diebstahl, Betrug, Raub u.a.

Computerbetrug (§ 263a StGB)

EC Karte am Bankautomat - Befugnis durch Täuschung erlangt (BGH, Beschl. v. 16.7.2015 − 2 StR 16/15)

EC Karte am Bankautomat - Befugnis durch Täuschung erlangt (BGH, Beschl. v. 16.7.2015 − 2 StR 16/15)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Betrügerin B ruft Opa O an und überzeugt ihn davon, dass seine EC-Karte einen Virus habe. Um den Virus zu löschen, brauche B die Karte und Os PIN, was O ihr beides gibt. Anschließend hebt B das komplette Geld (€ 7.500) von Os Konto ab.

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Einordnung des Falls

EC Karte am Bankautomat - Befugnis durch Täuschung erlangt (BGH, Beschl. v. 16.7.2015 − 2 StR 16/15)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. B hat beim Abheben des Geldes und dem Einsatz der EC-Karte unrichtige Daten verwendet (§ 263a Abs. 1 Var. 2 StGB).

Nein, das ist nicht der Fall!

§ 263a Abs. 1 StGB sieht vier Tatmodalitäten vor: (1) unrichtige Gestaltung des Programms, (2) Verwendung unrichtiger/unvollständiger Daten, (3) unbefugte Verwendung von Daten, (4) sonstige unbefugte Einwirkung. Der Täter verwendet unrichtige Daten, wenn die verwendeten Daten der Wirklichkeit nicht entsprechen.B gibt hier die wahre PIN der O ein, sodass keine unrichtigen Daten eingegeben werden.
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2. Nach der betrugsäquivalenten Auslegung des BGH hat B die Daten unbefugt verwendet (§ 263a Abs. 1 Var. 3 StGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Der BGH legt das Merkmal unbefugte Verwendung betrugsspezifisch aus. Demnach ist danach zu fragen, ob das entsprechende Verhalten einen Betrug darstellen würde, wenn der Gegenüber ein Mensch und eben kein Computer wäre. Dabei wird aber so getan, als würde der Mensch lediglich das prüfen, was auch der Computer prüft.Ein Bankangestellter anstelle des Bankautomaten würde lediglich prüfen, ob die EC-Karte und die PIN korrekt sind. Darüber hinaus liegt in der Verwendung der EC-Karte nur noch die Erklärung, die Karte und die PIN mit dem Willen des Berechtigten erlangt zu haben. Der Automat prüft aber nicht, ob dieser Wille auf einer Täuschung beruht.

3. Nach der subjektiven Auslegung hat B die Daten unbefugt verwendet (§ 263a Abs. 1 Var. 3 StGB).

Ja!

Nach der subjektiven Auslegung ist eine Datenverwendung „unbefugt“, wenn sie dem wahren oder mutmaßlichen Willen des Berechtigten widerspricht.O war im konkreten Fall nur damit einverstanden, dass B ihre Karte von dem vermeintlichen Virus befreit. Er war hingegen nicht mit der Abhebung der € 7.500 einverstanden.Diese Ansicht wird entgegengehalten, sie sei zu weitreichend. Dadurch würde jede zivilrechtliche Pflichtverletzung zugleich strafrechtlich sanktioniert. Eine solche Auslegung sei deshalb verfassungswidrig.

4. Bleibt B nach Ansicht des BGH straffrei (Rechtswidrigkeit und Schuld unterstellt)?

Nein, das ist nicht der Fall!

Erlangt der Täter die PIN und die Karte des Opfers, indem er das Opfer täuscht, erfüllt er bereits durch die Einwirkung auf das Opfer den objektiven Tatbestand des Betrugs (§ 263 Abs. 1 StGB). Nach dem BGH wird die Tat schon durch die Aushändigung von PIN und Karte vollendet, weil das Vermögen des Opfers bereits derart konkret gefährdet ist, dass ein Vermögensschaden vorliegt (=Eingehungsbetrug).B hat bei O durch Täuschung einen Irrtum ihre Karte hervorgerufen, der dazu geführt hat, dass O ihm Karte und PIN ausgehändigt hat (Vermögensverfügung), was Os Vermögen unmittelbar gefährdet hat. B tat dies vorsätzlich und mit der Absicht rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherung. B ist strafbar wegen „normalen“ Betrugs gemäß § 263 Abs. 1 StGB.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

PET

Petrus

3.1.2024, 14:28:50

Ich verstehe den Unterschied zu den Fällen, in denen der Täter Karte und PIN durch verbotene Eigenmacht bekommt, nicht. In diesen Fällen wird ein unbefugtes Verwenden angenommen, weil man gegenüber der fiktiven Verlgeichsperson vorspiegeln müsste eine Vollmacht zu haben. Erlangt man Karte und PIN aber durch Täuschung, sagt der BGH, dass man die fiktive Vergleichsperson nicht täuschen müsste, weil für den Automaten die Identität und Berechtigung des Abhebenden mit Eingabe der richtigen Daten hinreichend festgestellt sei. Aber der Automat prüft doch genau das gleiche, wenn ich mir Karte und PIN geklaut habe. Dann müsste die Berechtigung in solchen Fällen ja auch hinreichend festgestellt sein. Irgendwie verstehe ich da den Unterschied nicht…

Florian

Florian

18.1.2024, 20:36:18

Ich habe mir das immer so gemerkt, dass letztendlich eine Gesamtbetrachtung vom Geschehen der Erlangung der Karte bis zur

Geld

abhebung erfolgt. Wird die Karte also vorher weggenommen (und es liegt mangels

Zueignungsabsicht

kein Diebstahl vor), dann ist das insofern relevant für die täuschungsäquivalente Ansicht, weil letztendlich dann die Karte unbefugt verwendet wird. Erlangt der Täter die Karte aber durch Betrug, also durch Täuschung, dann ist das Opfer letztlich zwar nicht mit der Kartennutzung (wie auch immer die dann konkret aussieht), einverstanden, es gibt die Karte aber freiwillig aus der Hand. Und das würde dann auch ein Bankangestellter nicht anzweifeln, weswegen die Berechtigung dann nicht weiter überprüft wird.

AR

Artimes

3.4.2024, 17:14:39

Ist der Meinungsstreit zur Auslegung von „unbefugt“ in der dritten UND auch in der 4. Variante der Norm (§ 263a I Var. 3 und Var. 4 StGB) umstritten?

L.G

L.Goldstyn

3.8.2024, 18:23:31

Hallo Artimes, meiner Kenntnis nach ja.

B333

b333

21.5.2024, 10:11:11

Sollte man in diesem Fall also mit dem spezielleren Delikt (§263a) anfangen, das ablehnen und dann §263 prüfen? §263a ist eigentlich im Verhältnis zu §263 subsidiär.


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