Zivilrecht
Sachenrecht
Der Besitzschutz
Verbotene Eigenmacht mittels Einschaltung der Polizei, § 858 Abs. 1 BGB
Verbotene Eigenmacht mittels Einschaltung der Polizei, § 858 Abs. 1 BGB
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
E und B sind ein Paar. E ist Eigentümer eines Autos, das B besitzt und in Benutzung hat. Als E auszieht, bleibt der PKW zunächst bei B. E ruft die Polizei und behauptet, B habe seinen Pkw unterschlagen. Aufgrund des Vortrags des E stellt die Polizei den PKW bei B sicher und gibt ihn an E heraus. B möchte den PKW zurück.
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Einordnung des Falls
Verbotene Eigenmacht mittels Einschaltung der Polizei, § 858 Abs. 1 BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat den unmittelbaren Besitz an dem PKW verloren, als die Polizei ihn abschleppen ließ.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. E hat B den PKW mit verbotener Eigemacht entzogen, indem er ihn von der Polizei sicherstellen ließ.
Ja, in der Tat!
3. B hat einen Herausgabeanspruch aus § 861 Abs. 1 BGB gegen E.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
🦊LEXDEROGANS
17.1.2020, 08:47:32
Eine genauere Erläuterung zum mittelbaren Besitzentzug wäre nice...
Christian Leupold-Wendling
22.1.2020, 10:23:05
Hi, machen wir sehr gern! Aber in welcher Hinsicht wünschst Du eine Vertiefung? Im Hinweis heißt es: "Nicht nötig ist eine eigenhändige Vornahme der Besitzbeeinträchtigung. E hat der Polizei eine Unterschlagung vorgespiegelt. Er hat damit ein staatliches Organ als sein Werkzeug eingesetzt, um sich Besitz am PKW zu verschaffen." Das Besondere an dem Fall hier ist, dass B nicht selbst den PKW mitgenommen hat, sondern sich eines "Werkzeugs" (der Polizei) bedient hat.
🦊LEXDEROGANS
23.4.2020, 15:28:56
@Christian Leupold-Wendling, Danke für Ihr Angebot; sehe Ihre Antwort leider erst jetzt. M. E. wäre u. a. interessant zu wissen, ob man für die Zurechnung des Besitzentzuges einer anderen Person als eigenen mittelbaren Besitzentzug ähnlicher Voraussetzungen bedarf wie für die
mittelbare Täterschaftim Strafrecht.
Sylvie
23.4.2020, 08:33:16
Warum ist E nicht durch seine Eigentümerstellung zum Besitzentzug berechtigt?
Stefan Thomas Neuhöfer
23.4.2020, 10:53:35
Hi, hier geht es rein um Besitzschutzansprüche. Das Eigentum spielt (außer in der Sonderkonstellation der
petitorischen
Widerklage) keine Rolle. Das ergibt sich aus § 863 BGB - gegen possesorische Ansprüche können Einwendungen aus materiellem Recht nicht geltend gemacht werden (weil die Ansprüche aus §§ 861,
862 BGBder schnellen Wiederherstellung der Besitzlage dienen). Viele Grüße Für das Jurafuchs-Team - Stefan
lexspecialia
24.7.2024, 19:12:18
Ich verstehe nicht ganz wie man das aus § 863 BGB herausliest… denn da steht ja gegenüber den in den §§ 861, 862 bestimmten Ansprüchen kann ein RECHT ZUM BESITZ (bsp eigentümerstellung) {..} geltend gemacht werden ? Wäre dankbar für eine Erklärung und was ich falsch lese/verstehe im Gesetzestext :)
natiiswelt
11.10.2024, 13:59:48
Das lese ich aus dem § 683 BGB auch nicht explizit raus
Stella
28.10.2024, 11:49:57
Das Recht zum Besitz kann aber nur dahingehend geltend gemacht werden, dass es sich bei der Entzuehung nicht um
verbotene Eigenmachthandele (weil derjenige zB Eigentümer der Sache ist). Im Ergebnis müsste das aber dann auch dazu führen, dass ein Anspruch aus §§ 861, 862 nicht bejaht werden könnte, weil es ja dann an dem Merkmal der verbotenen
Eigenmachtfehlen würde.. vielleicht könnte jemand aus dem JuraFuchs-Team die Frage beantworten :)
Sebastian Schmitt
19.11.2024, 14:11:51
Hallo @[lexspecialia](213087), zunächst mal sollte klar sein, dass eine Eigentümerstellung ohnehin nicht zwingend ein Recht zum Besitz (RzB) gibt, denken wir nur mal an den Vermieter. So doof es klingt: Nur ein RzB gibt ein RzB. Zum anderen muss man § 863 BGB genau lesen: Die danach einzige (!) zugelassene Verteidigung gegen Ansprüche aus §§ 861,
862 BGBist, dass es keine
verbotene Eigenmachtwar (§ 863 BGB aE). Um diese Verteidigung zu untermauern, kann man dann ein RzB oder ein Recht zur Vornahme der störenden Handlung vorbringen. Ein Eigentumsrecht allein kann deshalb auch nicht die
verbotene Eigenmachtentfallen lassen. Ihr müsst euch iRd Besitzschutzansprüche weitestgehend von Eigentumsfragen lösen, die spielen eben keine Rolle. Ausnahmen sind die bereits angesprochene
petitorischeWiderklage
und ein rechtskräftiges Urteil über das Eigentum iSd § 864 II BGB. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
AJT
22.3.2022, 18:26:40
Wär nicht der E durch sein Eigentum bei 'Wegnahme' des Autos gerechtfertigt, so dass schon gar keine
verbotene Eigenmachtvorliegt?
Lukas_Mengestu
23.3.2022, 15:36:56
Hallo AJT, allein der Umstand, dass E Eigentümerin ist, berechtigt sie hier nicht, das Auto einfach wegzunehmen. Sofern B kein
Besitzrechtmehr hat, kann E den Wagen herausverlangen (zB § 985 BGB). Der Anspruch auf Herausgabe der Sache ändert aber nichts daran, dass der eigenmächtige Besitzentzug widerrechtlich erfolgt. Kommt B dem Anspruch nicht nach, so wäre E vielmehr verpflichtet, ihren Anspruch gerichtlich geltend zu machen. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Jimmy105
7.9.2024, 09:26:47
Bedarf es hier nicht einer Zurechnungsnorm oÄ? Strenggenommen wird die
verbotene Eigenmachtja nicht "selbst" bzw. eigenhändig vorgenommen. Das ist ja erstmal gegen den Wortlaut. Was ist ggf. das teleologische Argument für die mittelbare Ausführung?
Jimmy105
7.9.2024, 09:28:34
tut mir leid sollte nur einmal gesendet werden 😓
HannaHaas
14.9.2024, 17:46:54
Das würde mich auch interessieren 👍🏽
Rüsselrecht 🐘
7.11.2024, 21:02:28
„… auf eine eigenhändige Vornahme der Besitzbeeinträchtigung kommt es nicht an. Es genügt, wenn dies mit Hilfe eines Dritten geschieht. So kann sich eine formal rechtmäßige Besitzverschaffung durch staatliche Organe als
verbotene Eigenmachtbei demjenigen darstellen, der ihr Handeln veranlasst und die staatlichen Organe auf diese Weise als Werkzeug zur Erreichung seiner Zwecke eingesetzt hat.“ Das dem Fall zu Grunde liegende Urteil ist zwar in der Aussage eindeutig, aber (wie zu oft) ohne Begründung 😬 Ich kann mir dies nur aus einem weiten Schutzgedanken des § 859 erklären, der jeden (!) gesetzlich nicht gestatteten Eingriff in den unmittelbaren Besitz ohne Willen des unmittelbaren Besitzers unerlaubt sein lässt. Die Falschanzeige wäre dann wohl der gesetzlich nicht gestattete Eingriff 🤔
Jimmy105
8.11.2024, 11:20:31
guter Gedanke @[Rüsselrecht 🐘](133697)
Sebastian Schmitt
19.11.2024, 13:58:52
Hallo @[Jimmy105](252785), wie @[Rüsselrecht 🐘](133697) vollkommen richtig gesagt hat: Begründet wird das weder von der Lit noch von der Rspr, zB auch nicht in einer etwas älteren Entscheidung des OLG Köln (NJW-RR 1994, 557). Ich würde das Ergebnis (ebenfalls) am ehesten mit dem weiten Schutzgedanken der Regeln zur verbotenen
Eigenmachtund einer pragmatischen Rspr erklären (vgl auch BeckOGK-BGB/Götz, Stand 1.10.2024, § 858 Rn 18). Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team