Zivilrecht

Zivilprozessrecht

Prozessführungsbefugnis

Abtretung ohne Kenntnis vom Rechtsstreit

Abtretung ohne Kenntnis vom Rechtsstreit

21. November 2024

4,8(18.805 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Kläger K führt gegen Beklagten B einen Rechtsstreit auf ausstehende Mietzahlungen. Die Klage wurde B am 3.5. zugestellt. Am 9.5. tritt K die Forderung an G ab. K beantragt nunmehr die Zahlung an G, der vom Rechtsstreit nichts ahnt.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Abtretung ohne Kenntnis vom Rechtsstreit

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K ist nicht mehr Anspruchsinhaber. Die Klage ist mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig, denn nur der Anspruchsinhaber darf klagen.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Prozessstandschaft ermöglicht fremde Rechte im eigenen Namen geltend zu machen. Man unterscheidet die gewillkürte und die gesetzliche Prozessstandschaft.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. Es liegt eine gewillkürte Prozessstandschaft vor.

Nein!

Ist ein Recht oder seine Ausübung abtretbar gemäß §§ 398 ff. BGB, ist eine gewillkürte Prozessstandschaft möglich. Eine gesetzliche Prozessstandschaft liegt dagegen vor, wenn eine bestimmte Person durch Gesetz ermächtigt wird, ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen (zum Beispiel Insolvenzverwalter). Hier hat K die Forderung am 9.5. und damit nach Rechtshängigkeit der Klage (3.5.) abgetreten. Die Abtretung berührt nicht die Prozessführungsbefugnis des K (§ 265 Abs. 2 ZPO). Es handelt sich mithin nicht um eine gewillkürte Prozessstandschaft. Vielmehr kommt eine gesetzliche Prozessstandschaft nach § 265 Abs. 2 ZPO in Betracht.

3. B behauptet, das spätere Urteil hätte keine Rechtskraftwirkung auf G und rügt die mangelnde Prozessführungsbefugnis. Die Klage des K ist unzulässig (§ 265 Abs. 3 ZPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Gemäß § 325 Abs. 1 ZPO wirkt das Urteil auch gegen denjenigen, der nach dem Eintritt der Rechtshängigkeit Rechtsnachfolger der Parteien geworden ist. Die mangelnde Kenntnis des Zessionars hinsichtlich des bestehenden Rechtsstreits ist unerheblich. Die Regelung des § 325 Abs. 2 ZPO ist nur anwendbar, wenn das Gesetz materiell-rechtlich einen Erwerb vom Nichtberechtigten erlaubt.Im Fall der Forderungsabtretung ist ein gutgläubiger Erwerb jedoch grundsätzlich nicht möglich (vgl. § 404 BGB). Hier kommt es auf die Gutgläubigkeit des Zessionars G also nicht an. Die Klage ist zulässig.

4. K hat richtigerweise seine Klage umgestellt, indem er nunmehr beantragt, B zur Zahlung an G zu verurteilen.

Ja, in der Tat!

Stellt der Prozessstandschafter den Antrag nicht um, ist die Klage abzuweisen. Es handle sich dabei laut BGH nicht um einen Fall der Klageänderung, sondern eine Modifikation des Klageantrags (BGH, Az. V ZR 104/03 RdNr. 21 und 25f). Ein Vorgehen nach § 264 ZPO ist kraft gesetzlicher Anordnung nicht als Klageänderung anzusehen und damit ohne weitere Voraussetzungen stets zulässig. Die Umstellung des Antrags dient vorwiegend der Prozessökonomie, denn sie verhindert die erneute Klageerhebung.
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

medoLaw

medoLaw

25.5.2022, 09:36:44

Gutgläubiger Erwerb ist bei der Abtretung nur im Ausnahmefall möglich, aber wieso sollte es auf diesen hier überhaupt ankommen? Die Forderung besteht ja und wurde vom berechtigten Inhaber abgetreten?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

2.6.2022, 16:24:01

Hallo medoLaw, vielen Dank für Deine Frage. Ausgangspunkt des Falles ist hier ja die Frage, ob K hier die Klage fortführen kann, obwohl er die Forderung abgetreten hat. Aufgrund dieser Abtretung könnte es ihm an der Prozessführungsbefugnis fehlen, sodass seine Klage unzulässig ist. Hier liegt nun aber ein Fall der sog. gesetzlichen

Prozesstandschaft

vor, denn § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO statuiert, dass grundsätzlich die Veräußerung der Streitsache für den Prozess zunächst ohne Belang ist. Hintergrund hierfür ist, dass nach § 325 Abs. 1 ZPO auch der Rechtsnachfolger daran gebunden ist. Nach § 265 Abs. 3 ZPO gilt dies aber nicht, sofern das Urteil nach § 325 ZPO nicht gegen den Rechtsnachfolger wirksam wird. Aus diesem Grund wurde hier - quasi als Exkurs - kurz geprüft, ob evtl. § 325 Abs. 2 ZPO einschlägig ist. Dies ist nicht der Fall, sodass das Urteil auch gegenüber G als Rechtsnachfolger wirksam ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

PAT

Patrick4219

10.2.2024, 21:27:21

Hallo @[Lukas_Mengestu](136780), der Post ist zwar schon etwas älter aber ich bin gerade ebenfalls über die Stelle gestolpert und verstehe den "Exkurs" nicht ganz. Der "Exkurs" klingt für mich so, als wäre § 325 Abs. 2 ZPO immer dann einschlägig und demnach zu prüfen, wenn ein

gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten

ABSTRAKT MÖGLICH ist. Dies wäre im vorliegenden Fall ja wie beschrieben nicht möglich, sodass es auf § 325 Abs. 2 ZPO nicht ankommt. Wenn ich jedoch in den Thomas/Putzo schaue, dann ließt sich die dortige Kommentierung unter Rn. 8 so, dass es nicht auf die abstrakte Möglichkeit eines gut gläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten ankommt, sondern darauf, ob im konkreten Fall der Erwerb vom Nichtberechtigten erfolgte. Wenn also wie hier die Forderung vom Berechtigten abgetreten wurde, dann scheidet § 325 Abs. 2 ZPO bereits deshalb aus. Vielleicht könnte man den Exkurs noch etwas präzisieren oder hier an dieser Stelle aus der Lösung nehmen, da er auf den Fall einfach nicht wirklich passt und zu Verwirrungen führt?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

14.2.2024, 10:25:41

Hallo Patrick4219, vielen Dank für Deine gute Nachfrage. Im Ergebnis ist beides richtig: (1) § 325 Abs. 2 setzt zunächst voraus, dass das materielle Recht einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten ermöglicht. Scheidet jedoch schon materiell-rechtlich ein Gutglaubenserwerb aus, so findet Abs. 2 keine Anwendung (BeckOK ZPO/Gruber, 51. Ed. 1.12.2023, ZPO § 325 Rn. 26). --> Schon an dieser Voraussetzung scheitern wir hier, da ein

gutgläubiger Forderungserwerb

materiell-rechtlich eben nicht vorgesehen ist. (2) In Fällen in denen dies abstrakt möglich ist (zB §§ 929 S. 1,

932 BGB

), müsstest Du dann aber natürlich prüfen, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen tatsächlich auch vorliegen. (3) Schließlich ist zu beachten, dass § 325 Abs. 2 ZPO eine "doppelte Gutgläubigkeit" fordert. Der Erwerber muss also sowohl im Hinblick auf die Berechtigung des Veräußerers gutgläubig sein als auch im Hinblick auf das Nichtbestehen des Prozesses. Ich hoffe, jetzt ist es noch etwas klarer geworden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community
Dein digitaler Tutor für Jura
Jetzt kostenlos testen