Abtretung ohne Kenntnis vom Rechtsstreit
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Kläger K führt gegen Beklagten B einen Rechtsstreit auf ausstehende Mietzahlungen. Die Klage wurde B am 3.5. zugestellt. Am 9.5. tritt K die Forderung an G ab. K beantragt nunmehr die Zahlung an G, der vom Rechtsstreit nichts ahnt.
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Einordnung des Falls
Abtretung ohne Kenntnis vom Rechtsstreit
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K ist nicht mehr Anspruchsinhaber. Die Klage ist mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig, denn nur der Anspruchsinhaber darf klagen.
Nein, das trifft nicht zu!
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2. Es liegt eine gewillkürte Prozessstandschaft vor.
Nein!
3. B behauptet, das spätere Urteil hätte keine Rechtskraftwirkung auf G und rügt die mangelnde Prozessführungsbefugnis. Die Klage des K ist unzulässig (§ 265 Abs. 3 ZPO).
Nein, das ist nicht der Fall!
4. K hat richtigerweise seine Klage umgestellt, indem er nunmehr beantragt, B zur Zahlung an G zu verurteilen.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
medoLaw
25.5.2022, 09:36:44
Gutgläubiger Erwerb ist bei der Abtretung nur im Ausnahmefall möglich, aber wieso sollte es auf diesen hier überhaupt ankommen? Die Forderung besteht ja und wurde vom berechtigten Inhaber abgetreten?
Lukas_Mengestu
2.6.2022, 16:24:01
Hallo medoLaw, vielen Dank für Deine Frage. Ausgangspunkt des Falles ist hier ja die Frage, ob K hier die Klage fortführen kann, obwohl er die Forderung abgetreten hat. Aufgrund dieser Abtretung könnte es ihm an der Prozessführungsbefugnis fehlen, sodass seine Klage unzulässig ist. Hier liegt nun aber ein Fall der sog. gesetzlichen
Prozesstandschaftvor, denn § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO statuiert, dass grundsätzlich die Veräußerung der Streitsache für den Prozess zunächst ohne Belang ist. Hintergrund hierfür ist, dass nach § 325 Abs. 1 ZPO auch der Rechtsnachfolger daran gebunden ist. Nach § 265 Abs. 3 ZPO gilt dies aber nicht, sofern das Urteil nach § 325 ZPO nicht gegen den Rechtsnachfolger wirksam wird. Aus diesem Grund wurde hier - quasi als Exkurs - kurz geprüft, ob evtl. § 325 Abs. 2 ZPO einschlägig ist. Dies ist nicht der Fall, sodass das Urteil auch gegenüber G als Rechtsnachfolger wirksam ist. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Patrick4219
10.2.2024, 21:27:21
Hallo @[Lukas_Mengestu](136780), der Post ist zwar schon etwas älter aber ich bin gerade ebenfalls über die Stelle gestolpert und verstehe den "Exkurs" nicht ganz. Der "Exkurs" klingt für mich so, als wäre § 325 Abs. 2 ZPO immer dann einschlägig und demnach zu prüfen, wenn ein
gutgläubiger Erwerb vom NichtberechtigtenABSTRAKT MÖGLICH ist. Dies wäre im vorliegenden Fall ja wie beschrieben nicht möglich, sodass es auf § 325 Abs. 2 ZPO nicht ankommt. Wenn ich jedoch in den Thomas/Putzo schaue, dann ließt sich die dortige Kommentierung unter Rn. 8 so, dass es nicht auf die abstrakte Möglichkeit eines gut gläubigen Erwerbs vom Nichtberechtigten ankommt, sondern darauf, ob im konkreten Fall der Erwerb vom Nichtberechtigten erfolgte. Wenn also wie hier die Forderung vom Berechtigten abgetreten wurde, dann scheidet § 325 Abs. 2 ZPO bereits deshalb aus. Vielleicht könnte man den Exkurs noch etwas präzisieren oder hier an dieser Stelle aus der Lösung nehmen, da er auf den Fall einfach nicht wirklich passt und zu Verwirrungen führt?
Lukas_Mengestu
14.2.2024, 10:25:41
Hallo Patrick4219, vielen Dank für Deine gute Nachfrage. Im Ergebnis ist beides richtig: (1) § 325 Abs. 2 setzt zunächst voraus, dass das materielle Recht einen gutgläubigen Erwerb vom Nichtberechtigten ermöglicht. Scheidet jedoch schon materiell-rechtlich ein Gutglaubenserwerb aus, so findet Abs. 2 keine Anwendung (BeckOK ZPO/Gruber, 51. Ed. 1.12.2023, ZPO § 325 Rn. 26). --> Schon an dieser Voraussetzung scheitern wir hier, da ein
gutgläubiger Forderungserwerbmateriell-rechtlich eben nicht vorgesehen ist. (2) In Fällen in denen dies abstrakt möglich ist (zB §§ 929 S. 1,
932 BGB), müsstest Du dann aber natürlich prüfen, ob im konkreten Fall die Voraussetzungen tatsächlich auch vorliegen. (3) Schließlich ist zu beachten, dass § 325 Abs. 2 ZPO eine "doppelte Gutgläubigkeit" fordert. Der Erwerber muss also sowohl im Hinblick auf die Berechtigung des Veräußerers gutgläubig sein als auch im Hinblick auf das Nichtbestehen des Prozesses. Ich hoffe, jetzt ist es noch etwas klarer geworden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team