Zivilrecht

Bereicherungsrecht

Die Leistungskondiktion

Erlangtes Etwas bei einer Banküberweisung

Erlangtes Etwas bei einer Banküberweisung

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K kauft von V ein Grundstück zum Preis von €300.000. Er beauftragt seine Bank (B1) mit der Zahlung des Kaufpreises, indem er online €300.000 an V anweist. B1 überweist das Geld an V's Bank B2. Nachdem die Überweisung bei B2 eingeht, schreibt diese dem V 300.000 € gut.

Diesen Fall lösen 74,0 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

Einordnung des Falls

Erlangtes Etwas bei einer Banküberweisung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V hat eine Gutschrift von €300.000 auf seinem Konto und damit die Verfügungsgewalt über diesen Betrag "erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Genau, so ist das!

V hat durch die Überweisung eine Gutschrift auf seinem Konto in Höhe von €300.000 erlangt. In der Gutschrift auf seinem Konto liegt rechtlich ein abstraktes Schuldversprechen der B2 (§ 780 BGB): B2 verspricht, dem V im Kontokorrent einen Betrag in Höhe von €300.000 zu schulden, und zwar unabhängig vom zugrundeliegenden Kausalverhältnis der Überweisung.
Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und tausende Fälle wie diesen selbst lösen.
Erhalte uneingeschränkten Zugriff alle Fälle und erziele Spitzennoten in
Jurastudium und Referendariat.

2. B1 hat dadurch, dass sie der B2 €300.000 gutgeschrieben hat, "etwas erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

B1 hat die Befreiung von einer Verbindlichkeit aus dem Girovertrag (§ 675f Abs. 2 BGB) mit K "erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BG). Zwischen der Bank und ihren Kunden besteht ein Bündel von Verträgen. Grundlage ist der Girovertrag als typische Form eines Zahlungsdiensterahmenvertrags. Nach § 675c Abs. 1 BGB handelt es sich dabei um einen besonderen Fall eines Geschäftsbesorgungsvertrags. Aus dem Girovertrag ist die Bank verpflichtet, für den Kontoinhaber Zahlungsvorgänge auszuführen. Die Überweisung des K ist rechtlich ein Zahlungsauftrag (§ 675n BGB). Die Bank ist aus dem Girovertrag verpflichtet, die Zahlung auszuführen. Indem B1 den Betrag der B2 gutschreibt, erfüllt sie diese Pflicht und erlangt damit Befreiung von einer Verbindlichkeit.

3. V hat €300.000 "erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Nein!

„Etwas“ im Sinne von § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB ist jede vorteilhafte Rechtsposition, wie etwa Eigentum, Besitz, beschränkt dingliche Rechte, immaterielle Rechte, Forderungen, Gebrauchs- oder Nutzungsmöglichkeiten an Sachen oder Rechten oder die Tätigkeit für einen anderen.In einer Klausur oder einem Urteil wäre es zu unpräzise davon zu sprechen, dass V "€300.000" erlangt habe. Der Geldbetrag selbst ist nichts, was man als "erlangtes Etwas" greifen könnte.

4. B2 hat dadurch, dass sie dem V €300.000 auf seinem Konto gutgeschrieben hat, "etwas erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Genau, so ist das!

B2 hat die Befreiung von einer Verbindlichkeit aus dem Girovertrag (§ 675f Abs. 2 BGB) mit V "erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB). Die Empfängerbank einer Überweisung ist aus dem Girovertrag verpflichtet, den erlangten Betrag dem Konto des Empfängers unverzüglich gutzuschreiben (§ 675t Abs. 1 BGB). Durch die Gutschrift auf dem Konto des V hat B2 Befreiung von dieser Verbindlichkeit erlangt.

5. Durch die Überweisung an V hat auch K "etwas erlangt" (§ 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB).

Ja, in der Tat!

K hat die Befreiung seiner Kaufpreiszahlungspflicht aus dem Kaufvertrag erlangt. Aus dem Kaufvertrag war K zur Kaufpreiszahlung verpflichtet (§ 433 Abs. 2 BGB). Es ist streitig, ob die Banküberweisung das Bewirken einer Leistung i.S.d. § 362 Abs.1 BGB darstellt oder eine Annahme an Erfüllungs Statt i.S.d. § 364 Abs. 1 BGB (dazu Palandt/Grüneberg, § 362 RdNr. 9; MüKo/Wenzel, § 362 RdNr. 22). Jedenfalls führt eine Gutschrift mit freier Verfügbarkeit des Empfängers zum Erlöschen der Schuld.
Dein digitaler Tutor für Jura

7 Tage kostenlos* ausprobieren

* Nach dem Probeabo ab 7,99€ /Monat (weitere Infos). Ich akzeptiere die AGB und habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.

Jurafuchs kostenlos testen


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MALTE BÖLLER

MALTE BÖLLER

16.11.2019, 18:41:48

Find ich super

Christian Leupold-Wendling

Christian Leupold-Wendling

17.11.2019, 11:12:21

Danke! :)

MOA

MoAnge

5.4.2020, 15:57:16

Ich verstehe nicht, Wieso in diesem Zusammenhang eine Annahme

an Erfüllungs Statt

diskutiert wird.

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

11.11.2020, 16:33:50

@MoAnge, K schuldet V ja Kaufpreiszahlung und nicht explizit eine Überweisung. M. E. ist die vorliegende Problematik die, ob die Überweisung hier als Kaufpreiszahlung angesehen werden darf oder eine andere Leistung darstellt, die V dann eben

an Erfüllungs statt

annimmt (an Stelle der Kaufpreiszahlung). Hilfreich?

JO

JonasRehder

26.6.2023, 11:23:00

Moin! Ich hätte eine Abgrenzungsfrage zum Fall vorher: Dort wird darauf verwiesen, dass die Gutschrift selbst das erlangte Etwas sei. Dies deckt sich so auch mit meiner Recherche (MüKoBGB/Schwab, 8. Aufl. 2020, BGB § 812 Rn. 11). Hier wird hingegen auf die

Verfügungsgewalt

abgestellt. Impliziert diese aber nicht gerade die Möglichkeit eines Auszahlungsanspruches/der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit, welche ja am aktuellen Tagessaldo hängt? Beste Grüße!

JO

JonasRehder

26.6.2023, 11:58:00

Nevermind, hier geht es ja um Online-Banking und kein Girokonto, der Kommentar hat sich damit erledigt

maluno

maluno

29.7.2023, 13:12:32

Das Hin und Her des "Erlangten Etwas" kann einen erst einmal mächtig verwirren, das fand' ich bei Bereicherungsrecht immer sehr nervig. Die nachvollziehbare Unterteilung in "Einzelschritte" macht's einfacher -> thx

Pilea

Pilea

24.8.2023, 08:45:37

Worauf würde sich denn ein hypothetischer Bereicherungsanspruch generell richten, wenn das Erlangte Etwas die Befreiung von einer Verbindlichkeit ist?

LELEE

Leo Lee

24.8.2023, 14:11:52

Hallo Pilea, der hypothetische Bereicherungsanspruch würde sich auf die grds. Rechtsfolgen richten, d.h. man würde das herausgeben, was man erlangt hat (Befreiung von einer Verbindlichkeit). D.h., man wird fast immer den Geldbetrag fordert, den der Bereicherungsgegner selbst hätte zahlen müssen. Hierzu kann ich die Lektüre von MüKo-BGB, 6. Auflage, Schwab § 812 Rn. 5 empfehlen :). Liebe Grüße - für das Jurafuchsteam - Leo


Jurafuchs 7 Tage kostenlos testen und mit 15.000+ Nutzer austauschen.
Kläre Deine Fragen zu dieser und 15.000+ anderen Aufgaben mit den 15.000+ Nutzern der Jurafuchs-Community

Weitere für Dich ausgwählte Fälle

Jurafuchs

Materiell-rechtliche Einwendungen / Unvermögensfall

G ist Eigentümer wertvoller Noten, die bei S liegen. G verklagt S auf Herausgabe. Für den Fall, dass S die Noten nicht innerhalb von 4 Wochen herausgibt, beantragt er, S auf Zahlung von Schadensersatz (€20.000) zu verurteilen. Das Gericht verurteilt S antragsgemäß. S gibt die Noten nicht heraus, zahlt aber nach 5 Wochen €20.000. G beauftragt den Gerichtsvollzieher mit der Herausgabevollstreckung.

Fall lesen

Jurafuchs

Präklusion / maßgeblicher Zeitpunkt bei Aufrechnung

G und S haben fällige Zahlungsansprüche in Höhe von €10.000 gegen den jeweils anderen. G verklagt S auf Zahlung. S wartet das Urteil ab, das ihn zur Zahlung verurteilt, und erklärt gegenüber G die Aufrechnung mit seiner Forderung. G kündigt die Vollstreckung an.

Fall lesen

Dein digitaler Tutor für Jura

7 Tage kostenlos* ausprobieren

* Nach dem Probeabo ab 7,99€ /Monat (weitere Infos). Ich akzeptiere die AGB und habe die Datenschutzerklärung zur Kenntnis genommen.