Öffentliches Recht
Examensrelevante Rechtsprechung ÖR
Entscheidungen von 2020
Nutzungsuntersagung für Hostel auf Gelände der nordkoreanischen Botschaft
Nutzungsuntersagung für Hostel auf Gelände der nordkoreanischen Botschaft
24. Januar 2025
8 Kommentare
4,7 ★ (21.055 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die K GmbH betreibt ein Hostel auf einem Grundstück, dass Nordkorea gehört. Eine EU-Verordnung verbietet es, Immobilien zu nutzen, die Nordkorea gehören. Das Bezirksamt B erlässt gegen K eine Nutzungsuntersagung im Bezug auf das Hostel.
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Einordnung des Falls
Nutzungsuntersagung für Hostel auf Gelände der nordkoreanischen Botschaft
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 10 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K hält die Nutzungsuntersagung für rechtswidrig und sieht sich in ihren Rechten verletzt. Ist die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) - nach ordnungsgemäßem Ablauf des Widerspruchsverfahrens - hier der statthafte Rechtsbehelf?
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Die Anfechtungsklage ist begründet, soweit die Nutzungsuntersagung rechtswidrig und K dadurch in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Ja, in der Tat!
3. Die polizeiliche Generalklausel (§ 17 ASOG Bln) findet nur Anwendung, wenn keine sondergesetzlichen Befugnisnormen oder speziellere Normen des Polizei- und Ordnungsrechts vorrangig Anwendung finden.
Ja!
4. Die Ordnungsverfügung untersagt jede Tätigkeit, die mit der Nutzung des Gebäudes auf dem Grundstück von Nordkorea zusammenhängt. Damit berührt die Verfügung Ks Gewerbezulassung, sodass die §§ 1, 35 GewO vorgehen.
Nein, das ist nicht der Fall!
5. § 80 S. 2 BauO Bln, wonach die Behörden, die Nutzung von Anlagen untersagen können, wenn diese im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden, hat hier Vorrang vor § 17 Abs. 1 ASOG.
Nein, das trifft nicht zu!
6. Beim Vollzug des Unionsrechts durch die nationalen Behörden bestimmen die jeweiligen nationalen Rechtsordnungen, welche Behörde für den Vollzug zuständig ist.
Ja!
7. Die materielle Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Grundlage von § 17 Abs. 1 ASOG Bln setzt voraus, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung vorliegt.
Genau, so ist das!
8. K hat durch den (Weiter-)betrieb ihres Gewerbes in den Gebäuden auf dem Grundstück Nordkoreas gegen die EU-Verordnung verstoßen. Resultiert daraus eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit?
Ja, in der Tat!
9. Die polizeiliche Generalklausel eröffnet Ermessen. War das Ermessen hier aufgrund des unionsrechtlichen Grundsatzes des „effet utile“ auf Null reduziert?
Ja!
10. Ks Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 VwGO) ist begründet.
Nein, das ist nicht der Fall!
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Sambadi
1.4.2023, 09:56:47
Gibt es erhebliche rechtliche Schwierigkeiten, eine Verordnung zu Erlassen durch die solche Immobilien einfach enteignet werden? Ansonsten ergibt sich ja im Endeffekt ein Zustand in dem Nordkorea (oder wer auch immer berechtigterweise sanktioniert wird) solche Immobilien und Grundstücke zwar behalten darf, diese dann aber faktisch nicht benutzt werden können. Dann kann man die ja auch gleich enteignen, dann geht von denen zumindest irgendein Mehrwert aus
Falsus Prokuristor
1.4.2023, 20:41:26
An eine Enteignung sind andere Anforderungen zu stellen. Vor allem darf sie nur aufgrund eines Gesetzes erfolgen, welches die Entschädigung regelt (Junktim-Klausel). Zweck der Sanktion ist es aber gerade, Nordkorea von Devisen (
Geldvermögen in fremden Währungen) abzuschneiden. Die erforderliche Regelung über die Entschädigung wäre darum unions
rechtswidrig.
Trowa Barton
13.10.2024, 15:20:49
Ist das nicht aber ein
enteignungsgleicher Eingriffan welchen die gleichen Anforderungen gestellt werden?
QuiGonTim
1.2.2024, 21:28:50
Müsste man hinsichtlich des § 80 S. 2 BauO Bln nicht eigentlich erst bei der Prüfung der materiellen
Rechtmäßigkeit„rausfliegen“? Denn die Norm scheidet hier ja nicht wegen ihrer Rechtsfolge, sondern wegen eines
Tatbestandsmerkmals („öffentlich-rechtliche Vorschriften“) aus. Wie würde man es in der Klausur sinnvollerweise darstellen?
Sebastian Schmitt
4.12.2024, 10:37:39
Hallo @[QuiGonTim](133054), keine ganz leichte Frage. Ich halte es für gut vertretbar, hierauf erst iRd
Tatbestandsvorsuaasetzungen einzugehen, jedenfalls unter Klausurbedingungen. Das VG Berlin sagt dazu in der unserem Fall zugrunde liegenden Entscheidung (VG Berlin, Urt v 28.1.2020 - 4 K 135.19) Folgendes: "Zwar kann § 80 Satz 2 der Bauordnung Berlin (BauO Bln) Grundlage für eine baupolizeiliche
Nutzungsuntersagungin Bezug auf ein bestimmtes
Gebäudesein, die ihrem Adressaten in tatsächlicher Hinsicht ein mit der hier streitgegenständlichen Ordnungsverfügung vergleichbares Handeln bzw. Unterlassen auferlegt: Danach kann die Nutzung von Anlagen untersagt werden, wenn diese im
Widerspruchzu öffentlich-rechtlichen Vorschriften genutzt werden. Eine vorrangige Anwendbarkeit gegenüber § 17 ASOG Bln ergibt sich für den vorliegenden Fall jedoch nicht. Denn bei der Bestimmung der zutreffenden Rechtsgrundlage ist danach abzugrenzen, ob die Gefahr, der mit dem behördlichen Einschreiten begegnet werden soll, vom jeweiligen Gefahren
tatbestanderfasst ist [...]. Ziel der baurechtlichen
Nutzungsuntersagungist es, die Einhaltung des formellen Baurechts zu gewährleisten [...]. Sie ist dann geeignete sowie gegenüber bau- und polizeirechtlicher Generalklausel vorrangige Rechtsgrundlage, wenn durch die Nutzung einer baulichen Anlage Vorschriften verletzt werden, die ihrerseits einen hinreichenden Anlagenbezug aufweisen [...], mithin ein „Baurechtsverstoß“ [...] vorliegt und dadurch eine im direkten Zusammenhang mit der Anlage stehende – anlagenbezogene – Gefahr begründet wird [...]. So liegt der Fall hier jedoch nicht. Denn von dem von der Klägerin genutzten
Gebäudein der G... geht keine
gebäudespezifische Gefahr aus, der mit der Einhaltung baurechtlicher Vorschriften begegnet werden könnte. Vielmehr beabsichtigt das Bezirksamt, die Einhaltung verhaltensbezogener Vorschriften der VO (EU) 2017/1509 zu gewährleisten, die sie durch die Nutzung der Räumlichkeiten durch die Klägerin verletzt sieht. Dafür stützt sie sich zu Recht auf § 17 ASOG Bln." Eine klare Stellungnahme hinsichtlich Deiner Frage sehe ich in der Entscheidung nicht. So stellt das VG inhaltlich auf die
drohende Gefahrab (was für Deine Variante spricht), scheint damit aber letztlich schon die fehlende Anwendbarkeit der Norm begründen zu wollen, wobei das nicht ganz eindeutig ist ("Eine vorrangige Anwendbarkeit gegenüber § 17 ASOG Bln ergibt sich für den vorliegenden Fall jedoch nicht. Denn bei der Bestimmung der zutreffenden Rechtsgrundlage [...]."). Vor diesem Hintergrund dürfte sich ebenfalls vertreten lassen, das Problem schon bei der Frage der EGL aufzuwerfen und dort rauszufliegen. Deine Variante halte ich persönlich (!) für dogmatisch etwas sauberer. Andererseits kann es sich gerade angesichts des Zeitdrucks in der Klausur anbieten, eine iE nicht einschlägige EGL etwas schneller auszusortieren... Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Miriam
4.12.2024, 12:04:25
Die meisten Fälle im Ö-Recht beginnen mit der Frage "ist hier die Anfechtungsklage.." oder "ist vorliegend die
Verpflichtungsklagestatthaft" oder so ähnlich. Wäre es evtl. möglich aus der ersten Frage eine Multiple-Choice Frage zu machen und einfach zu Fragen: "Welche Klageart ist statthaft?", sodass man dann selbst überlegen muss, welche Klageart statthaft ist, statt im ersten Schritt z.B. nur überlegen zu müssen, ist das eine Anfechtungsklage, ja oder nein? Natürlich sollte man selbst immer weiter denken als das und sich überlegen, welche Klageart statthaft ist, bevor man die Lösung liest aber ich glaube trotzdem, dass der Lerneffekt größer wäre, wenn man alle Klagearten zur Auswahl hat und dadurch den Anstoß hat wirklich selbst nachzudenken. Nur ein Vorschlag :) falls das überhaupt möglich ist