Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, § 52 Abs. 2 StPO

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A wird vor dem Landgericht angeklagt. Belastungszeugin ist As 7 Jahre alte Tochter T, die geistig auf dem Stand einer 5-jährigen ist. Der Vorsitzende belehrt T über ihr Zeugnisverweigerungsrecht und fragt sie, ob sie bereit sei auszusagen. T bejaht dies. Zu Ts Verstandesreife wird nichts ins Protokoll und Urteil aufgenommen.

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Einordnung des Falls

Zustimmung des gesetzlichen Vertreters, § 52 Abs. 2 StPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Sagt ein minderjähriger Zeuge aus, muss der gesetzliche Vertreter immer der Vernehmung zustimmen (§ 52 Abs. 2 StPO).

Nein, das ist nicht der Fall!

Der gesetzliche Vertreter eines Minderjährigen muss der Vernehmung zustimmen, wenn der Minderjährige wegen (1) mangelnder Verstandesreife, (2) einer psychischen Krankheit oder (3) einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung hat (§ 52 Abs. 2 S. 1 StPO). Stimmt der gesetzliche Vertreter nicht zu, besteht hinsichtlich der Aussage des Minderjährigen ein VerwertungsverbotMinderjährige und Betreute, die die Bedeutung des ihnen zukommenden Zeugnisverweigerungsrechts nicht hinreichend erfassen können, sollen durch die Norm davor geschützt werden, dass sie aus Mangel an Verständnis aussagen und sich später dadurch belastet fühlen.
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2. Für die Feststellung, ob die notwendige Verstandesreife vorliegt, gibt es feste Altersgrenzen.

Nein, das trifft nicht zu!

Die notwendige Verstandesreife hat der Zeuge, wenn er erkennen kann, dass der Beschuldigte etwas Unrechtes getan hat, dass ihm hierfür Strafe droht und dass die Zeugenaussage möglicherweise zu dieser Bestrafung beitragen kann. Es gibt insofern keine festen Altersgrenzen. Jedoch kann das Alter natürlich als Indiz herangezogen werden. So wird regelmäßig bei einem 7 Jahre alten Kind die nötige Verstandesreife fehlen. Dagegen wird man bei 14- oder 16-jährigen vom Vorliegen der nötigen Reife ausgehen können. Eine Begründung muss aber immer am Einzelfall erfolgen.

3. Die Entscheidung darüber, ob dem weigerungsberechtigten Zeugen die nötige Verstandesreife fehlt, obliegt dem Vorsitzenden.

Ja!

Die Prüfung, ob die nötige Verstandesreife vorliegt, obliegt dem Tatrichter, der sich gegebenenfalls sachverständiger Hilfe zu bedienen hat. An diese Einschätzung ist das Revisionsgericht gebunden, da sie maßgeblich vom persönlichen Eindruck des Vorsitzenden abhängt. Dass die Verstandesreife vorliegt, ist aber jedenfalls dann besonders zu begründen, wenn es Anhaltspunkte gibt, die ein fehlendes Verständnis des Zeugen nahelegen.. Bleibt die Frage zweifelhaft, ist zum Schutz des Minderjährigen von mangelndem Verständnis auszugehen und die Zustimmung einzuholen.

4. Die Verwertung der Aussage der T war verfahrensfehlerhaft, da sie trotz fehlender Verstandesreife ohne Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters aussagte, § 52 Abs. 2 StPO.

Genau, so ist das!

Der Vorsitzende muss im Einzelfall prüfen, ob der Zeuge die erforderliche Reife besitzt oder ob die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters einzuholen ist (§ 52 Abs. 2 StPO). Dass die Verstandesreife vorliegt, ist besonders zu begründen, wenn ihr Fehlen nahe liegt. Unterbleibt dies, ist im Zweifel vom Fehlen der Verstandesreife auszugehen.Es ist nicht ersichtlich, dass das Gericht geprüft hat, ob T die für das Verständnis ihres Weigerungsrechtes erforderliche Reife besaß. Eine solche Untersuchung war aber geboten, da T im Zeitpunkt der Hauptverhandlung 7 Jahre alt war und sie in ihrer geistigen Entwicklung sogar nur einem 5-jährigen Kind entsprach. Mangels entsprechender Feststellungen ist vom Fehlen der Reife auszugehen. Da die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters fehlt, besteht ein Verwertungsverbot für Fs Aussage.

5. Ts Vater A hätte als gesetzlicher Vertreter der T die Zustimmung für die Aussage erteilen müssen (§ 52 Abs. 2 StPO, §§ 1626, 1629 Abs. 1 S. 1 BGB).

Nein, das trifft nicht zu!

Da A zwar gesetzlicher Vertreter der T (§§ 1626, 1629 Abs. 1 S. 1 BGB), gleichsam aber selbst Beschuldigter ist, kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden (§ 52 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 StPO). Steht die gesetzliche Vertretung - wie in der Regel - beiden Eltern zu (§§ 1626 Abs. 1, 1629 Abs. 1 S. 2 BGB), ist auch der nicht beschuldigte Elternteil ausgeschlossen (§ 52 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 StPO). Beide unterliegen dann einem Interessenkonflikt. Stattdessen muss ein Ergänzungspfleger (§ 1809 Abs. 1 S. 1 BGB) bestellt werden.
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Reichweite des Zeugnisverweigerungsrechts

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen A wegen Betruges und gegen T wegen Beihilfe. Das Verfahren gegen T wird nach § 153 StPO eingestellt, A wird angeklagt. Im Prozess sagt Ts Bruder B aus und A wird verurteilt. Über ein Zeugnisverweigerungsrecht wird B nicht belehrt.

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