Definition: Möglichkeitstheorie (§ 15 StGB)
30. Januar 2025
4 Kommentare
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Was versteht man unter der „Möglichkeitstheorie“?
Nach der Möglichkeitstheorie liegt bedingter jurafuchs.de/definitionen/jq7z81g/vorsatz-%C2%A7-276-abs-1-bgb" class="underline">Vorsatz bereits vor, wenn der Täter die konkrete Möglichkeit des Erfolgseintritts erkennt und dennoch handelt (kognitives Element). Auf das voluntative Vorsatzelement kommt es hiernach gar nicht an. Gegen die teilweise in der Literatur vertretene Möglichkeitstheorie spricht, dass der Verzicht auf das Willenselement tendenziell zu einer Ausdehnung des Vorsatzes im Bereich der bewussten Fahrlässigkeit führt. Die Abgrenzung zwischen jurafuchs.de/definitionen/jq7z81g/vorsatz-%C2%A7-276-abs-1-bgb" class="underline">Vorsatz und Fahrlässigkeit wird so erschwert.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
🦊LEXDEROGANS
6.10.2021, 23:51:32
M. E. sprachlogisch sehr problematisch, wenn man sagt, „wer erkennt und handelt“ hat zwar ein kognitives, jedoch kein voluntatives
Vorsatzelement: Wer erkennt, dass jmdn. sterben kann und trotzdem abdrückt, der* will auch töten.
Lukas_Mengestu
7.10.2021, 08:28:48
Vielen Dank für die Rückfrage, Lexderogans. Sie berührt unmittelbar den Streit und die praktischen Schwierigkeiten die sich bei der Abgrenzung
bewusste Fahrlässigkeitund bedingtem
Vorsatzstellen. In dem von Dir gebildeten Beispiel kann es ja durchaus unterschiedliche Motivationslagen für das Abdrücken geben. Vielleicht will derjenige, der auf einen anderen schießt, diesem nur einen Denkzettel verpassen oder den Schuss als Folterinstrument nutzen, um an Informationen zu gelangen. Vielleicht ist es eine besonders dämliche Mutprobe, bei der man Wilhelm Tell
nachstellenwill. Um dies stärker zu berücksichtigen ist die Rechtsprechung und die herrschende Literatur dazu übergegangen, das voluntative Element ebenfalls mit in die
Vorsatzprüfung einzustellen. Und auch wenn die gängigen Floskeln ("billigen im Rechtssinne" / "ernstnehmen des Erfolgseintritts") auch nicht immer klare Ergebnisse liefern, so wird durch dieses Element ein größerer Abstand zur bewussten Fahrlässigkeit aufgebaut. Beste Grüße, Lukas - für das
Jurafuchs-Team
ehemalige:r Nutzer:in
5.12.2021, 02:02:07
Tatsächlich ist das das Hauptargument der Möglichkeits- und Wahrscheinlichkeitstheorie. Wer ein Risiko erkennt und trotzdem handelt, kann danach nicht mehr glaubhaft behaupten, dass er sich mit dem Eintritt des Risikos nicht abgefunden hat.
QuiGonTim
22.10.2024, 20:11:20
Gegen die
Möglichkeitstheoriespricht außerdem der im Vergleich zu den Fahrlässigkeitsdelikten deutlich höhere Strafrahmen der
Vorsatzdelikte. Dieser ist Ausdruck des durch den
Vorsatzgesteigerten Handlungsunwertes, der gerade durch das voluntative Element, also den Willen zur Verwirklichung des
Tatbestandes, begründet ist.