Öffentliches Recht
Grundrechte
Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)
Umfang des Gesetzesvorbehaltes: Kontrollkarte
Umfang des Gesetzesvorbehaltes: Kontrollkarte
4. Juli 2025
5 Kommentare
4,8 ★ (10.232 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Das Innenministerium des Landes L bestimmt per Rechtsverordnung, dass Polizistinnen und Polizisten ab einer Mindestgröße von 1,65 cm verbeamtet werden können. Die 1,64 cm große Polizistin P meint, dafür brauche es ein formelles Gesetz. Ein solches existiert nicht.
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Einordnung des Falls
Umfang des Gesetzesvorbehaltes: Kontrollkarte
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) unterliegt einem einfachen Gesetzesvorbehalt.
Genau, so ist das!
2. Als einfaches Gesetz im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG gelten sowohl formelle als auch materielle Gesetze.
Ja, in der Tat!
3. Zwar kann die Berufsfreiheit durch die Exekutive per materiellem Gesetz eingeschränkt werden. Alle wesentlichen Voraussetzungen müssen jedoch im zugrundeliegenden formellen Gesetz geregelt sein.
Ja!
4. Die Festlegung einer Mindestgröße zur Verbeamtung durch Land L ist für die Berufsfreiheit wesentlich und bedarf daher einer formellen Gesetzesgrundlage.
Genau, so ist das!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
okalinkk
23.5.2025, 12:01:14
da Grundrechtseingriffe wesentlich sind, ist doch für die Einschränkung eines Grundrechts eigtl stets ein formelles Gesetz notwendig? Ich verstehe nicht ganz, was im Fall von materiellen Gesetzen die Schranke ist? stellt man für die Schranke dann selbst auf die RVO oder Satzung ab oder auf das formelle Parlamentsgesetz, also das Ermächtigungsgesetz?
Jessica
29.5.2025, 16:14:04
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Simon
30.5.2025, 13:52:20
Der Gesetzesvorbehalt dient der Abgrenzung der Wirkbereiche von Gesetzgebung und Verwaltung und hat seinen historischen Ursprung in der Begrenzung der monarchischen Gewalt durch die Mitwirkung des Parlaments. Seine grundgesetzliche Verankerung findet er sowohl im Rechtsstaats- als auch im Demokratieprinzip (Art. 20 I, II, III GG). Dabei sind allgemeiner und grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt zu unterscheiden. Ersterer soll das Bestimmungsrecht des Gesetzgebers gegenüber der Exekutive wahren, Letzterer wendet sich "gegen" den Gesetzgeber und soll die Grundrechte der Bürger gegenüber staatlichen Eingriffen schützen. (Zum Ganzen Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 101 -
Vorbehalt des Gesetzes). Grundsätzlich bedarf jeder Grundrechtseingriff - unabhängig von seiner irgendwie gearteten Wesentlichkeit - eines formellen Parlamentsgesetzes als Rechtsgrundlage. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, wie genau dieses ausgestaltet sein muss. So könnte der Bundestag i.S.e. bloßen
Blankettnorm einen Bundesminister zu weitreichenden Grundrechtseingriffen im Wege einer Rechtsverordnung ermächtigen. Der Gesetzesvorbehalt wird daher ergänzt und konkretisiert durch den Parlamentsvorbehalt und die Wesentlichkeitstheorie: Alle wesentlichen Entscheidungen müssen vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst geregelt werden und dürfen nicht an die Exekutive delegiert werden. In Bezug auf Parlamentsgesetze, die zu Grundrechtseingriffen ermächtigen, bedeutet dies, dass im formellen Gesetz selbst die wesentlichen Voraussetzungen, Ziele und der Umfang des Eingriffs geregelt werden müssen. Zusammenfassend: Der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt verlangt immer ein formelles Parlamentsgesetz. Wie genau dieses sein muss, beurteilt sich nach der Wesentlichkeitstheorie. In der Klausur kann man i.R.d. Rechtfertigung m.E. wie folgt vorgehen: 1. Schrankenvorbehalt (Schranke): Prüfung des Vorhandenseins einer Schranke und Anforderungen an das Schrankengesetz, d.h. einfacher/qualifizierter Gesetzesvorbehalt oder verfassungsimmanente Schranke (hierbei ist auf das formelle Parlamentsgesetz abzustellen!); 2. Grenzen des Schrankenvorbehalts (Schranken-Schranken):
Verfassungsmäßigkeitdes formellen Parlamentsgesetzes, insb.
formelle Verfassungsmäßigkeit, Verhältnismäßigkeit, Wesentlichkeitsgarantie und Bestimmtheitsgebot; 3. Verfassungskonforme Anwendung des Schrankengesetzes: Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rechtsverordnung/Satzung und des darauf basierenden Einzelaktes (soweit jeweils vorhanden), insb. im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit.
Jessica
30.5.2025, 13:57:25
Danke!
okalinkk
30.5.2025, 14:39:43
@[Simon](131793) Vielen Dank für den ausführlichen Beitrag!