Öffentliches Recht

Grundrechte

Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG)

Umfang des Gesetzesvorbehaltes: Kontrollkarte

Umfang des Gesetzesvorbehaltes: Kontrollkarte

4. Juli 2025

5 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Das Innenministerium des Landes L bestimmt per Rechtsverordnung, dass Polizistinnen und Polizisten ab einer Mindestgröße von 1,65 cm verbeamtet werden können. Die 1,64 cm große Polizistin P meint, dafür brauche es ein formelles Gesetz. Ein solches existiert nicht.

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Einordnung des Falls

Umfang des Gesetzesvorbehaltes: Kontrollkarte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) unterliegt einem einfachen Gesetzesvorbehalt.

Genau, so ist das!

Da es sich bei der Berufsfreiheit um ein einheitliches Grundrecht handelt, das Berufswahl, Berufsausübung und Ausbildungsfreiheit schützt, wird der in Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG normierte einfache Gesetzesvorbehalt herrschend nicht nur zur Einschränkung der Berufsausübung, sondern auch zur Einschränkung der Berufswahl angewendet.
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2. Als einfaches Gesetz im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG gelten sowohl formelle als auch materielle Gesetze.

Ja, in der Tat!

Der Ausdruck „durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes“ umfasst neben formellen Gesetzen auch materielle Gesetze, also Rechtsverordnungen und Satzungen. Auch Verwaltungsakte, die auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen, können die Berufsfreiheit einschränken. Hier gilt natürlich wie immer die Wesentlichkeitstheorie, das heißt, alle für die Berufsfreiheit wesentlichen Voraussetzungen der Einschränkungen müssen durch das formelle Gesetz selbst geregelt werden.

3. Zwar kann die Berufsfreiheit durch die Exekutive per materiellem Gesetz eingeschränkt werden. Alle wesentlichen Voraussetzungen müssen jedoch im zugrundeliegenden formellen Gesetz geregelt sein.

Ja!

Für die Einschränkung der Berufsfreiheit gilt die Wesentlichkeitstheorie. Das heißt, alle für die Berufsfreiheit wesentlichen Voraussetzungen der Einschränkung durch die Exekutive, etwa per Verordnung, müssen durch das ermächtigende formelle Gesetz selbst geregelt werden. Dabei sind laut Rechtsprechung solche Regelungen als wesentlich zu verstehen, die für die Verwirklichung von Grundrechten erhebliche Bedeutung haben und die Grundrechte besonders intensiv betreffen.

4. Die Festlegung einer Mindestgröße zur Verbeamtung durch Land L ist für die Berufsfreiheit wesentlich und bedarf daher einer formellen Gesetzesgrundlage.

Genau, so ist das!

Alle für die Berufsfreiheit wesentlichen Voraussetzungen einer Einschränkung müssen durch ein ermächtigendes formelles Gesetz selbst geregelt werden. Dabei sind laut Rechtsprechung solche Regelungen als wesentlich zu verstehen, die für die Verwirklichung von Grundrechten erhebliche Bedeutung haben und sie besonders intensiv betreffen. Die Festlegung einer Mindestgröße zur Verbeamtung per Exekutivverordnung durch das Innenministerium in L ist geeignet, vor allem kleineren Bewerberinnen den Zugang zum Beamtenstatus im Polizeidienst aufgrund ihrer Körpergröße zu verwehren. Eine solche Regelung ist daher wesentlich, denn sie ist für die Verwirklichung der Berufsfreiheit der Bewerberinnen von erheblicher Bedeutung und betrifft diese besonders intensiv. Gleiches gilt etwa für die Ablehnung eines Polizeibewerbers aufgrund seiner Tätowierung, wenn sich die Ablehnungskriterien nicht auf eine formell-gesetzliche Grundlage stützen lassen. Auch muss der Zugang zu zulassungsbeschränkten Studiengängen im wesentlichen vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst geregelt werden.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

OKA

okalinkk

23.5.2025, 12:01:14

da Grundrechtseingriffe wesentlich sind, ist doch für die Einschränkung eines Grundrechts eigtl stets ein formelles Gesetz notwendig? Ich verstehe nicht ganz, was im Fall von materiellen Gesetzen die Schranke ist? stellt man für die Schranke dann selbst auf die RVO oder Satzung ab oder auf das formelle Parlamentsgesetz, also das Ermächtigungsgesetz?

JES

Jessica

29.5.2025, 16:14:04

Push

Simon

Simon

30.5.2025, 13:52:20

Der Gesetzesvorbehalt dient der Abgrenzung der Wirkbereiche von Gesetzgebung und Verwaltung und hat seinen historischen Ursprung in der Begrenzung der monarchischen Gewalt durch die Mitwirkung des Parlaments. Seine grundgesetzliche Verankerung findet er sowohl im Rechtsstaats- als auch im Demokratieprinzip (Art. 20 I, II, III GG). Dabei sind allgemeiner und grundrechtlicher Gesetzesvorbehalt zu unterscheiden. Ersterer soll das Bestimmungsrecht des Gesetzgebers gegenüber der Exekutive wahren, Letzterer wendet sich "gegen" den Gesetzgeber und soll die Grundrechte der Bürger gegenüber staatlichen Eingriffen schützen. (Zum Ganzen Ossenbühl, in: Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, § 101 -

Vorbehalt des Gesetzes

). Grundsätzlich bedarf jeder Grundrechtseingriff - unabhängig von seiner irgendwie gearteten Wesentlichkeit - eines formellen Parlamentsgesetzes als Rechtsgrundlage. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, wie genau dieses ausgestaltet sein muss. So könnte der Bundestag i.S.e. bloßen

Blankett

norm einen Bundesminister zu weitreichenden Grundrechtseingriffen im Wege einer Rechtsverordnung ermächtigen. Der Gesetzesvorbehalt wird daher ergänzt und konkretisiert durch den Parlamentsvorbehalt und die Wesentlichkeitstheorie: Alle wesentlichen Entscheidungen müssen vom parlamentarischen Gesetzgeber selbst geregelt werden und dürfen nicht an die Exekutive delegiert werden. In Bezug auf Parlamentsgesetze, die zu Grundrechtseingriffen ermächtigen, bedeutet dies, dass im formellen Gesetz selbst die wesentlichen Voraussetzungen, Ziele und der Umfang des Eingriffs geregelt werden müssen. Zusammenfassend: Der grundrechtliche Gesetzesvorbehalt verlangt immer ein formelles Parlamentsgesetz. Wie genau dieses sein muss, beurteilt sich nach der Wesentlichkeitstheorie. In der Klausur kann man i.R.d. Rechtfertigung m.E. wie folgt vorgehen: 1. Schrankenvorbehalt (Schranke): Prüfung des Vorhandenseins einer Schranke und Anforderungen an das Schrankengesetz, d.h. einfacher/qualifizierter Gesetzesvorbehalt oder verfassungsimmanente Schranke (hierbei ist auf das formelle Parlamentsgesetz abzustellen!); 2. Grenzen des Schrankenvorbehalts (Schranken-Schranken):

Verfassungsmäßigkeit

des formellen Parlamentsgesetzes, insb.

formelle Verfassungsmäßigkeit

, Verhältnismäßigkeit, Wesentlichkeitsgarantie und Bestimmtheitsgebot; 3. Verfassungskonforme Anwendung des Schrankengesetzes: Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rechtsverordnung/Satzung und des darauf basierenden Einzelaktes (soweit jeweils vorhanden), insb. im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit.

JES

Jessica

30.5.2025, 13:57:25

Danke!

OKA

okalinkk

30.5.2025, 14:39:43

@[Simon](131793) Vielen Dank für den ausführlichen Beitrag!


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