Lockspitzel (agent provocateur) 3

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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Klassisches Klausurproblem

Die verdeckte Ermittlerin E überredet D zum Einbruch in die Villa des M, der sich gerade im Urlaub befindet. M ist nicht eingeweiht. Als D die Villa mit dem Diebesgut verlässt, wird er - wie geplant - im Garten von der Polizei festgenommen.

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Einordnung des Falls

Lockspitzel (agent provocateur) 3

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 8 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. D hat sich wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls strafbar gemacht, §§ 242, 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB.

Ja!

D hat fremde, bewegliche Sachen aus der Villa getragen und damit weggenommen. Zur Ausführung der Tat ist er in die Wohnung des M eingebrochen. D handelte dabei vorsätzlich, mit der Absicht rechtswidriger Zueignung, rechtswidrig und schuldhaft.Je nach Umfang der Einwirkung durch den Lockspitzel, kann es sich allerdings um eine rechtsstaatswidrige Tatprovokation handeln, die zur Verfahrenseinstellung führen kann. Mehr dazu erfährst Du: hier.
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2. D hat sich zudem gem. § 123 Abs. 1 Var. 1 StGB wegen Hausfriedensbruchs strafbar gemacht, indem er in die Villa des M eingebrochen ist.

Genau, so ist das!

Objektive Voraussetzungen für eine Strafbarkeit nach § 123 Abs. 1 Var. 1 StGB sind: (1) Tatobjekt: Wohnung, Geschäftsraum, befriedetes Besitztum, abgeschlossene Diensträume (2) Tathandlung: Eindringen Der Täter muss darüber hinaus vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft gehandelt haben. Für die Verfolgung muss das Opfer einen Strafantrag stellen, § 123 Abs. 2 StGB.Die Villa des M dient bestimmungsgemäß Menschen zum Aufenthalt, ohne primär Arbeitsraum zu sein. Diese hat M ohne Ds Zustimmung betreten, ist also eingedrungen. D tat dies vorsätzlich, rechtswidrig und schuldhaft.Achtung! Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt, § 123 Abs. 2 StGB! Achte also in der Klausur darauf, ob auf einen gestellten Strafantrag hingewiesen wird.

3. Ein Diebstahl ist erst vollendet, wenn der Täter die Beute gesichert hat.

Nein, das trifft nicht zu!

Eine Straftat gilt dann als vollendet, wenn alle Merkmale des objektiven und subjektiven Deliktstatbestands verwirklicht sind. Beendet ist die Tat hingegen erst dann, wenn die Rechtsgutsverletzung materiell abgeschlossen ist, mithin das strafbare Unrecht seinen Abschluss gefunden hat. Bei einem Diebstahl tritt Beendigung erst ein, wenn der neue Gewahrsam gesichert ist.Als D das Diebesgut aus Ms Villa trug, hatte er den Gewahrsam des M gebrochen und neuen Gewahrsam bei sich begründet. Er hatte damit den Tatbestand verwirklicht und den Diebstahl vollendet. Weil der Gewahrsam an der Beute noch nicht gesichert war, war der Diebstahl aber noch nicht beendet.

4. Hatte E Vorsatz bezüglich der Vollendung der Haupttat?

Ja!

D wurde planmäßig im Garten des M - und damit nach Wegnahme der Beute - festgenommen. E wollte also, dass es zu einer Vollendung der Haupttat kommt. Eine Strafbarkeit der E wegen Anstiftung zum Wohnungseinbruchsdiebstahl scheitert also nicht an einem fehlenden Vollendungsvorsatz.

5. Weil E Vollendungsvorsatz hatte, ist sie nach herrschender Meinung wegen Anstiftung zum Wohnungseinbruchsdiebstahl strafbar, §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 3, 26 StGB.

Nein, das ist nicht der Fall!

Die h.M. sieht einen sog. agent provocateur auch dann als straffrei an, wenn der Vorsatz zwar auf die Vollendung der Haupttat, nicht aber auf die Beendigung derselben gerichtet war. Dafür spricht, dass das Teilnahmeunrecht einen eigenständigen Rechtsgutsangriff verlangt. Der agent provocateur möchte es aber durch rechtzeitiges Eingreifen gerade verhindern, dass es zur materiellen Beendigung der Tat und Rechtsgutsverletzung kommt. Zudem argumentieren Befürworter der h.M., dass es ein gewisses kriminalpolitisches Bedürfnis gebe, Ermittlungstaktiken zuzulassen, die zwar eine Vollendung, nicht aber eine Beendigung von Straftaten umfassen.Eine Mindermeinung vertritt hingegen, dass ein formeller Vollendungsvorsatz für eine Strafbarkeit genügt. Der Lockspitzel sei demnach wegen Anstiftung strafbar, es sei denn, es greifen besondere Rechtfertigungsgründe.

6. Ist auch der Hausfriedensbruch des D noch unbeendet?

Nein, das trifft nicht zu!

Bei § 123 StGB handelt es sich um ein Dauerdelikt. Vollendet ist die Tat bereits durch das widerrechtliche Betreten der Wohnung, beendet ist sie zu dem Zeitpunkt, in dem sie wieder verlassen wird. Der bei Dauerdelikte verzögerte Beendigungszeitpunkt ist vor allem für die Verjährung relevant, § 78a S. 1 StGB. Die Rechtsgutsverletzung tritt bereits im Zeitpunkt der Vollendung ein.Das geschützte Rechtsgut - das Hausrecht des M - wird bereits mit dem Einbruch durch D verletzt. Zudem hat er die Wohnung beim Abtransport der Beute auch wieder verlassen. Eine materielle Beendigung liegt damit vor.

7. E handelte mit doppeltem Anstiftervorsatz bezüglich des Hausfriedensbruchs.

Ja!

E wollte, dass D mit dem Diebesgut beim Verlassen der Villa festgenommen wird. Sie wollte dementsprechend auch, dass D die vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat - den Hausfriedensbruch - beging. Zudem wollte E den D dazu auch bestimmen. E handelte mit doppeltem Anstiftervorsatz.

8. War das Handeln der E auch rechtswidrig?

Genau, so ist das!

E könnte gem. § 34 StGB gerechtfertigt sein. Dafür müsste das Interesse an der Überführung des D bei einer Straftat jedoch das Interesse des M am Schutz seines Rechtsguts wesentlich überwiegen. Das ist hier nicht der Fall. E handelte rechtswidrig. Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich. E hat sich gem. §§ 123 Abs. 1, 26 StGB strafbar gemacht.Achtung! Auch hier wird E aber nur verfolgt, wenn ein entsprechender Strafantrag des M vorliegt, § 123 Abs. 2 StGB!In der Praxis könnte E der Strafbarkeit entgehen, indem sie eine solche Tatprovokation mit dem Inhaber des jeweiligen Rechtsguts abspricht. In besonders dringenden oder gefährlichen Fällen könnte wiederum der § 34 StGB einschlägig sein.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JCF

JCF

7.2.2024, 14:19:59

Kann man nicht sagen, dass der Hausfriedensbruch schon vollendet war, als D das Grundstück der Villa (

befriedetes Besitztum

) betrat? Und müsste man dann nicht sagen, dass die Tat noch nicht beendet war, als D im Garten festgenommen wurde? 🤔

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

8.2.2024, 19:46:17

Hi JCF, das wäre an der Stelle wohl etwas zu weite Ausdehnung des Sachverhalts. Dass das Grundstück der Villa umgrenzt und damit befriedet ist, ergibt sich nicht aus dem Sachverhalt. Wäre dies der Fall, so hätten wir in der Tat bereits mit dem Betreten des Grundstücks die Vollendung. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team


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