Referendariat
Die Revisionsklausur im Assessorexamen
Begründetheit II: Verletzungen des Verfahrensrechts (Verfahrensrüge)
Mündlichkeitsgrundsatz - Verpflichtung zur umfassenden Beweiswürdigung (§ 261 Abs. 1 StPO)
Mündlichkeitsgrundsatz - Verpflichtung zur umfassenden Beweiswürdigung (§ 261 Abs. 1 StPO)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A wird freigesprochen. Maßgeblich für die Anklage war die Aussage des Z in einer richterlichen Vernehmung. Die Niederschrift wird im Prozess verlesen, da Z nach einer Haftentlassung untertauchte und nicht mehr auffindbar ist. Das Gericht verwertet sie dann aber unter Verweis auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht im Urteil.
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Einordnung des Falls
Mündlichkeitsgrundsatz - Verpflichtung zur umfassenden Beweiswürdigung (§ 261 Abs. 1 StPO)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Weil das Gericht den Inhalt der im Prozess verlesenen Vernehmungsniederschrift im Urteil nicht verwertet hat, könnte der Mündlichkeitsgrundsatz verletzt sein (§ 261 StPO).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ein Beweisverwertungsverbot könnte sich daraus ergeben, dass das Gericht Z in der mündlichen Verhandlung nicht persönlich vernommen hat. Können nach dem Unmittelbarkeitsgrundsatz Zeugenaussagen grundsätzlich dadurch ersetzt werden, dass ein Protokoll über eine frühere Aussage verlesen wird (§ 250 StPO)?
Nein!
3. Da Z untergetaucht und für das Gericht nicht auffindbar war, durfte der Inhalt der Vernehmungsniederschrift durch Verlesung eingeführt werden (§ 251 Abs. 2 Nr. 1 StPO). Ein Beweisverwertungsverbot liegt damit nicht vor.
Genau, so ist das!
4. Indem das Gericht die verlesene Vernehmungsniederschrift nicht im Urteil berücksichtigte, verletzte es den Mündlichkeitsgrundsatz (§ 261 StPO).
Ja, in der Tat!
5. Die Staatsanwaltschaft kann diesen Rechtsfehler erfolgreich mit der Revision rügen (§ 337 StPO).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
n00b
24.8.2024, 05:54:58
Ich hätte gedacht, das Nichtwürdigen ordnungsgemäß eingeführter Beweismittel sei ein Verstoß gegen das aus §
261 StPOfolgende Gebot erschöpfender Beweiswürdigung als Grenze der freien Beweiswürdigung. Ist dem nicht so?
Hanna
9.11.2024, 10:28:18
Das sehe ich genauso. Der Mündlichkeitsgrundsatz besagt lediglich, dass nur der mündlich vorgetragene und erörterte Prozessstoff dem Urteil zugrunde gelegt werden darf (M-G/S 2024 § 261 Rn. 7). Vorliegend geht es jedoch um die Nichtverwendung eines Beweises, welcher ohne Vorliegen eines Beweisvertungsverbots in die HV eingeführt wurde. Somit liegt auch m.E. ein Verstoß gegen den Grundsatz der umfassenden Beweiswürdigung vor.
vulpes iuris
6.11.2024, 14:59:06
In der Vertiefung dieses Falls heißt es, „eine zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft setzt die Beschwer des Angeklagten voraus“. In einem anderen Fall wird jedoch erklärt, die Staatsanwaltschaft sei „stets beschwert“. Wenn ich mich richtig erinnere, wird das in dem anderen Fall damit begründet, dass sie die einwandfreie Strafrechtspflege überwache, oder so ähnlich. Widerspricht sich das?