Referendariat: Prozessrecht & Klausurtypen
Die Revisionsklausur im Assessorexamen
Begründetheit II: Verletzungen des Verfahrensrechts (Verfahrensrüge)
Mündlichkeitsgrundsatz - Verpflichtung zur umfassenden Beweiswürdigung (§ 261 Abs. 1 StPO)
Mündlichkeitsgrundsatz - Verpflichtung zur umfassenden Beweiswürdigung (§ 261 Abs. 1 StPO)
1. Juni 2025
8 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
A wird freigesprochen. Maßgeblich für die Anklage war die Aussage des Z in einer richterlichen Vernehmung. Die Niederschrift wird im Prozess verlesen, da Z nach einer Haftentlassung untertauchte und nicht mehr auffindbar ist. Das Gericht verwertet sie dann aber unter Verweis auf den Unmittelbarkeitsgrundsatz nicht im Urteil.
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Einordnung des Falls
Mündlichkeitsgrundsatz - Verpflichtung zur umfassenden Beweiswürdigung (§ 261 Abs. 1 StPO)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Weil das Gericht den Inhalt der im Prozess verlesenen Vernehmungsniederschrift im Urteil nicht verwertet hat, könnte der Mündlichkeitsgrundsatz verletzt sein (§ 261 StPO).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ein Beweisverwertungsverbot könnte sich daraus ergeben, dass das Gericht Z in der mündlichen Verhandlung nicht persönlich vernommen hat. Können nach dem Unmittelbarkeitsgrundsatz Zeugenaussagen grundsätzlich dadurch ersetzt werden, dass ein Protokoll über eine frühere Aussage verlesen wird (§ 250 StPO)?
Nein!
3. Da Z untergetaucht und für das Gericht nicht auffindbar war, durfte der Inhalt der Vernehmungsniederschrift durch Verlesung eingeführt werden (§ 251 Abs. 2 Nr. 1 StPO). Ein Beweisverwertungsverbot liegt damit nicht vor.
Genau, so ist das!
4. Indem das Gericht die verlesene Vernehmungsniederschrift nicht im Urteil berücksichtigte, verletzte es den Mündlichkeitsgrundsatz (§ 261 StPO).
Ja, in der Tat!
5. Die Staatsanwaltschaft kann diesen Rechtsfehler erfolgreich mit der Revision rügen (§ 337 StPO).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
n00b
24.8.2024, 05:54:58
Ich hätte gedacht, das Nichtwürdigen ordnungsgemäß eingeführter Beweismittel sei ein Verstoß gegen das aus
§ 261 StPOfolgende Gebot erschöpfender Beweiswürdigung als Grenze der freien Beweiswürdigung. Ist dem nicht so?

Hanna
9.11.2024, 10:28:18
Das sehe ich genauso. Der
Mündlichkeitsgrundsatzbesagt lediglich, dass nur der mündlich vorgetragene und erörterte Prozessstoff dem Urteil zugrunde gelegt werden darf (M-G/S 2024 § 261 Rn. 7). Vorliegend geht es jedoch um die Nicht
verwendungeines Beweises, welcher ohne Vorliegen eines Beweisvertungsverbots in die HV eingeführt wurde. Somit liegt auch m.E. ein Verstoß gegen den Grundsatz der umfassenden Beweiswürdigung vor.
P K
2.12.2024, 22:55:19
Hatten in der AG so einen Fall, wo eine Einlassung im Rahmen des letzten Worts nicht verwertet wurde. Nach der Lösungsskizze kann man das sowohl als Fall von
§ 261 StPOoder der Beweiswürdigung behandeln, solange man klarstellt, dass es bei der Inbegriffsrüge nicht um eine Sachrüge geht, weil ich ja mehr brauche als die Urteilsurkunde. Typische Fehler der Beweiswürdigung - Vertsöße gegen Denkgesetze uA - ergeben sich ja schon aus dem Urteil selbst und werden auf die Sachrüge hin geprüft.

vulpes iuris
6.11.2024, 14:59:06
In der Vertiefung dieses Falls heißt es, „eine zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft setzt die
Beschwerdes Angeklagten voraus“. In einem anderen Fall wird jedoch erklärt, die Staatsanwaltschaft sei „stets
beschwert“. Wenn ich mich richtig erinnere, wird das in dem anderen Fall damit begründet, dass sie die einwandfreie Strafrechtspflege überwache, oder so ähnlich. Widerspricht sich das?
Rebecca
20.3.2025, 12:24:28
Bitte antworten :-)

Sebastian Schmitt
24.4.2025, 12:52:57
Hallo @[vulpes iuris](261497), hallo @Rebecca, meine Vermutung (!): Inhaltlich besteht kein Unterschied, vielmehr geht es darum, wie man das Ganze terminologisch am besten angeht. Verkürzt: Nach allgM gelten bestimmte Einschränkungen für eine Revision der StA, zB kann sie keine Revision allein aus dem Grund einlegen, dass sie eine andere Begründung des Urteils wünscht. Manche schließen daraus, dass auch die StA
beschwert sein muss, legen die
Beschweraber deutlich weiter aus als beim Verurteilten. Andere sehen einen so elementaren Unterschied im Vergleich zur
Beschwerbeim Verurteilten, dass eine "
Beschwer" bei der StA eben keine Voraussetzung sei bzw die StA immer
beschwert sei (zum Ganzen MüKoStPO/Allgayer, 2. Aufl 2024, § 296 Rn 48). Ich würde mir die andere, von Dir genannten Aufgabe aber gerne mal anschauen und die Aufgaben evtl sprachlich "glatt" ziehen und vereinheitlichen, falls das nötig ist. Leider sagst Du, vulpes iuris, nicht ganz konkret, auf welchen anderen Fall Du Dich beziehst. Falls Du noch weißt, um welchen Fall es sich konkret handelt oder jemand anders zufällig gerade darüber stolpert, lass(t) es mich/uns gerne wissen (am besten, indem Ihr mich oder einen der anderen Mods mit einem @ darauf hinweist)! Am einfachsten macht Ihr es uns und am schnellsten können Eure Hinweise geprüft und umgesetzt werden, wenn Ihr uns die Aufgabe, auf die Ihr Bezug nehmt, konkret nennt. Klickt dazu über der Aufgabe auf das Kästchen mit dem nach rechts oben herausragenden Pfeil ("Teilen"-Symbol), anschließend rechts auf die beiden überlappenden Quadrate. Dann habt Ihr den Link zur Aufgabe in der Zwischenablage und könnt ihn zB mit Strg+v in Euren Post einfügen. Falls das nicht geht, liegt es evtl an Eurem AdBlocker, also am besten die Jurafuchs-Seite whitelisten oder mal mit einem anderen Browser probieren. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team
Aleks_is_Y
28.2.2025, 17:19:49
Kann die StA eigentlich auch mit ihrer Revision präkludiert sein, wenn sie bestimmt Verfahrensfehler nicht schon in der Ausgangsverhandlung geltend macht/ rügt? ... es wäre sehr fair,... aber ich vermute, dass es nicht so ist?!
Rebecca
20.3.2025, 12:24:58
Bitte antworten :-)