Strafrecht
Strafprozessrecht
Verfahrensgrundsätze (Prozessmaximen)
Das Mündlichkeitsprinzip (§ 261 StPO)
Das Mündlichkeitsprinzip (§ 261 StPO)
4. Juli 2025
7 Kommentare
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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

A wird wegen Mordes (§ 211 StGB) verurteilt. Das Gericht stützt sein Urteil zentral auf Videoaufnahmen der Tat. Laut Protokoll verzichtete das Gericht darauf, diese im Prozess abzuspielen. Die Aufnahmen befänden sich ja „für alle zugänglich in der Akte”.
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Einordnung des Falls
Das Mündlichkeitsprinzip (§ 261 StPO)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. In einem Strafprozess schöpft das Gericht sein Urteil aus dem Inbegriff der Verhandlung (§ 261 StPO).
Ja!
2. Hat das Gericht die Videoaufnahmen zur Urteilsgrundlage gemacht, ohne sie ordnungsgemäß einzuführen, so liegt ein Verstoß gegen den Mündlichkeitsgrundsatz vor.
Genau, so ist das!
3. Das Gericht darf nur die Beweise verwerten, die es in die Verhandlung eingeführt hat. Hat das Gericht die Videoaufnahmen durch Inaugenscheinnahme eingeführt (vgl. § 86 StPO)?
Nein, das trifft nicht zu!
4. Das Gericht hat die Videoaufnahmen nicht ordnungsgemäß in den Prozess eingeführt. Ist vorliegend der Mündlichkeitsgrundsatz verletzt (§ 261 StPO)?
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Diaa
23.11.2024, 19:27:06
In der Erklärung hieß es, dass Augenscheinsobjekte solche sind, die der Richter durch eigene sinnliche Wahrnehmung erfassen kann, wobei Zeugenaussagen, Sachverständigenaussagen und Urkunden nicht dazu zählen. Und in der Subsumtion hieß es, "dies sein im vorliegenden Fall nicht der Fall, da Videoaufnahme keine Urkunde sei". Ich checke iwie nichts und stehe total auf dem Schlauch.

2cool4lawschool
5.1.2025, 20:09:43
hey Diaa, also ich hatte es so verstanden: Die Videoaufnahme ist ein Augenscheinsbeweis aber wurde nicht in die Verhandlung eingeführt. Auf die Urkunde wird wegen 249 II StPO Bezug genommen. 249 II StPO erlaubt den Verzicht auf die Verlesung, wenn alle Verfahrensbeteiligten Gelegenheit hatten, den Inhalt der Urkunde selbst zu lesen (
Selbstleseverfahren). Aber da wir ja eben keine Urkunde haben, kommt diese Option gar nicht in Betracht.

Alfestus
20.4.2025, 10:34:57
Gibt es Grenzen der Zumutbarkeit beispielweise Videoaufnahmen von grausamen Morden oder Sexualdelikten, bei welchen sicher auch Opferschutz betrieben werden sollte?
Tin
6.12.2024, 13:30:25
Darf nie auf den Inhalt der Akte verwiesen werden oder nur bei visuellen Beweisstücken ?
Sophia
28.4.2025, 17:06:31
Das Prinzip gilt allgemein für alle Beweismittel. So darf beispielsweise auch eine frühere Zeugenaussage grundsätzlich nicht verlesen werden. Vielmehr muss der Zeuge persönlich gehört werden,
§ 250 StPO. Wichtige Ausnahmen von diesem Grundsatz sind beispielsweise §§ 249, 254, 256 StPO.