+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Da der von K im Laden des L gekaufte Fernseher mangelhaft ist, bringt K ihn zurück zu L zur Nachbesserung. Kurz darauf erfährt K, dass das Gerät versteigert werden soll. Es war nämlich bereits vor dem Verkauf durch einen Gerichtsvollzieher gepfändet worden. K erhebt Drittwiderspruchsklage.
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Einordnung des Falls
Erst nach der Pfändung entstandenes Interventionsrecht – gutgläubiger Eigentumserwerb nach §§ 136, 135 Abs. 2, 932ff. BGB
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Begründetheit der Drittwiderspruchsklage setzt zunächst voraus, dass K ein Interventionsrecht hat. Ist das Eigentum ein Interventionsrecht?
Ja!
Ein Interventionsrecht eines Dritten am Vollstreckungsgegenstand liegt vor, wenn eine hypothetische Veräußerung des Vollstreckungsgegenstands durch den Vollstreckungsschuldner widerrechtlich in den Rechtskreis des Dritten eingreifen würde. Das Eigentum stellt den klassischen Fall eines Interventionsrechts dar. K könnte Eigentümer des Fernsehers geworden sein und so ein Interventionsrecht erlangt haben.
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2. Fraglich ist, wer Eigentum an dem Fernseher hat. Durch die Pfändung ist zunächst Verstrickung an dem Fernseher eingetreten.
Genau, so ist das!
Durch die Pfändung einer Sache (§§ 803ff. ZPO) tritt deren Verstrickung ein. Die Verstrickung ist ein durch die Pfändung begründetes öffentlich-rechtliches Gewaltverhältnis über den Vollstreckungsgegenstand zum Zwecke der Zwangsvollstreckung.
Der Fernseher wurde gepfändet, wodurch Verstrickung eingetreten ist.
3. Durch die Verstrickung wurde ein Eigentumserwerb der K von L unmöglich.
Nein, das trifft nicht zu!
Die Verstrickung hat zur Folge, dass der Vollstreckungsschuldner die Verfügungsbefugnis über den Vollstreckungsgegenstand verliert bzw. dass ein relatives Veräußerungsverbot nach §§ 136, 135 BGB entsteht. Hiernach sind Verfügungen des Vollstreckungsschuldners über den verstrickten Gegenstand dem Vollstreckungsgläubiger gegenüber grundsätzlich unwirksam. Die fehlende Verfügungsbefugnis des Vollstreckungsschuldner kann jedoch durch die Gutgläubigkeit des Erwerbers überwunden werden (§§ 136, 135 Abs. 2, 932ff. BGB).
Ein Eigentumserwerb der K von L ist nicht gänzlich unmöglich. Vielmehr könnte die fehlende Verfügungsbefugnis des L unter Umständen durch die Gutgläubigkeit des K überwunden worden sein.
4. K hat trotz der Verstrickung wirksam Eigentum am Fernseher erworben.
Ja!
Der Eigentumserwerb setzt
(1) eine dingliche Einigung
(2) die Übergabe der Sache
(3) das Einigsein im Zeitpunkt der Übergabe und
(4) die Berechtigung des Verfügenden voraus.
Der Eigentümer einer Sache ist berechtigt, sofern er verfügungsbefugt ist. Die aufgrund einer Pfändung im Rahmen der Zwangsvollstreckung fehlende Verfügungsbefugnis des Eigentümers kann nach §§ 136, 135 Abs. 2, 932ff. BGB überwunden werden, wenn
(1) der Erwerber gutgläubig in Bezug auf die fehlende Verfügungsbefugnis und
(2) die Sache nicht abhandengekommen ist (§ 935 BGB).
K nahm den Fernseher nach dem Kauf mit nach Hause. Einigung, Übergabe und Einigsein liegen vor. K erfuhr erst später, dass der Fernseher bereits gepfändet worden war und war somit gutgläubig. Es liegt kein Abhandenkommen vor, da L auch nach der Pfändung unmittelbarer Besitzer des Fernsehers blieb und diesen freiwillig an K übergab.
5. Die Drittwiderspruchsklage wäre unbegründet, da das Interventionsrecht des K erst nach der Pfändung entstanden ist.
Nein, das ist nicht der Fall!
Grundsätzlich muss das Interventionsrecht bereits zum Zeitpunkt der Pfändung begründet worden sein und noch zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bestehen. Eine wichtige Ausnahme hierzu gilt jedoch bei einem gutgläubigen Eigentumserwerb am Vollstreckungsgegenstand nach dessen Pfändung. In diesem Fall genügt es, wenn der Kläger zumindest zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Eigentümer des Vollstreckungsgegenstands ist.
K hat das Eigentum am Fernseher erst nach dessen Pfändung gutgläubig erworben. Dennoch begründet dies ein Interventionsrecht im Sinne des § 771 Abs. 1 ZPO.
Ein gutgläubiger Erwerb nach der Pfändung ist nur bei beweglichen Sachen denkbar. Bei einer Forderung kann die fehlende Verfügungsbefugnis genauso wie die fehlende Forderungsinhaberschaft nicht gutgläubig überwunden werden (§ 404 BGB: kein gutgläubiger Forderungserwerb).
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