Mündlichkeitsgrundsatz, § 261 StPO (Beweis einer Verstoßes in der Revision)

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A und B werden vor dem Landgericht wegen Untreue (§ 266 StGB) verurteilt. Das Urteil stützt sich maßgeblich auf eine belastende E-Mail-Korrespondenz zwischen beiden, die laut Urteil in der Hauptverhandlung „verlesen wurde“, was A bestreitet. Das Protokoll schweigt hierzu.

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Einordnung des Falls

Mündlichkeitsgrundsatz, § 261 StPO (Beweis einer Verstoßes in der Revision)

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Im Urteil darf nur das verwertet werden, was mündlich in die Hauptverhandlung eingeführt wurde (§ 261 StPO).

Ja!

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. Inbegriff der Verhandlung meint den Verfahrensstoff, der prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt wurde. Nach dem sogenannten Mündlichkeitsgrundsatz darf das Gericht nur den mündlich vorgetragenen und erörterte Prozessstoff dem Urteil zugrunde legen. So darf das Urteil etwa nicht einfach auf den Akteninhalt verweisen.Der Mündlichkeitsgrundsatz sichert die Unmittelbarkeit und damit die Qualität der Beweisaufnahme, sowie deren Transparenz.
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2. Hat das Gericht den Inhalt der E-Mail-Korrespondenz nicht ordnungsgemäß in den Prozess eingeführt und trotzdem im Urteil verwertet, verstößt es gegen § 261 StPO.

Genau, so ist das!

In das Urteil einfließen darf nur der Verfahrensstoff, der prozessordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführt wurde (§ 261 StPO). So etwa müssen Urkunden grundsätzlich durch Verlesung (§ 249 Abs. 1 S. 1 StPO) und Zeugenaussagen durch Vernehmung (§ 48 Abs. 1 StPO) eingeführt werden.Sofern der E-Mail-Verlauf nicht ordnungsgemäß eingeführt wurde, verletzt das Gericht also § 261 StPO und es läge ein Verfahrensfehler vor.

3. Die E-Mail-Korrespondenz ist eine Urkunde. Musste das Gericht sie daher durch Verlesen in die Hauptverhandlung einführen (§ 249 Abs. 1 StPO)?

Ja, in der Tat!

Urkunden müssen grundsätzlich durch Verlesung in den Prozess eingeführt werden (§ 249 Abs. 1 S. 1 StPO). Eine Urkunde ist jedes Schriftstück, das verlesbar und geeignet ist, durch ihren Gedankeninhalt Beweis zu erbringen. Elektronische Dokumente sind ebenfalls Urkunden, soweit sie verlesbar sind (§ 249 Abs. 1 S. 2 StPO).Der E-Mail-Verkehr ist als solcher verlesbar und in der Lage, über den Inhalt der Korrespondenz Beweis zu erbringen. Egal ob dieser als Ausdruck vorlag (§ 249 Abs. 1 S. 1 StPO) oder direkt vom Bildschirm abgelesen wurde (dann § 249 Abs. 1 S. 2 StPO), handelt es sich um eine Urkunde. Das Gericht muss diese durch Verlesung einführen.

4. Um eine Verletzung des Mündlichkeitsgrundsatzes (§ 261 StPO) zu beweisen, kann das Revisionsgericht die Beteiligten über den Ablauf der Beweisaufnahme vernehmen (vgl. § 274 StPO).

Nein!

Außer für die wesentlichen Förmlichkeiten der Verhandlung (§ 274 StPO) gilt in der Revision grundsätzlich der Freibeweis. Die Verletzung des Mündlichkeitsgrundsatzes (sog. Inbegriffsrüge) kann nach der Rspr. in der Revision aber nur geltend gemacht werden, wenn sie ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme bewiesen werden kann. Eine Wiederholung oder Ergänzung der Beweisaufnahme in der Revision ist ausgeschlossen. Sie würde der Ordnung des Revisionsverfahrens widersprechen, das eine rein rechtliche Überprüfung der Feststellungen der Instanzgerichte bezweckt. Die gesetzliche Aufgabenteilung - Tatsachenfeststellung in der Instanz, Rechtskontrolle durch das Obergericht - würde sonst unterlaufen.Im Ergebnis kann die Nichteinführung eines Beweismittels - eine wesentliche Förmlichkeit - nur durch das Protokoll bewiesen werden (§ 274 S. 1 StPO).

5. A kann erfolgreich in Revision gehen (§ 337 StPO).

Genau, so ist das!

A kann erfolgreich in Revision gehen, wenn das Urteil auf einem ihn beschwerenden Verfahrensfehler beruht (§ 337 StPO) und er dies auch darlegen und beweisen kann.Indem das Gericht den E-Mail-Verlauf nicht ordnungsgemäß in den Prozess einführte, verstieß es gegen § 261 StPO. Es kann auch nicht ausgeschlossen werden, dass das Urteil ohne den den A belastenden E-Mail-Verlauf für ihn günstiger ausgefallen wäre. Schließlich ist der Verfahrensfehler auch ohne Rekonstruktion der Hauptverhandlung beweisbar. Denn das Protokoll schweigt zur Einführung der Urkunde, weshalb dessen negative Beweiskraft (§ 274 S. 1 StPO) greift.
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