+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T glüht bis 1 Uhr morgens vor. Dann setzt sie sich in ihren Polo, um feiern zu gehen. Die Preise im Club sind ihr zu teuer, weshalb sie nichts mehr trinkt. Auf dem Rückweg gerät sie gegen 6 Uhr in eine Polizeikontrolle. Die Blutprobe, die T um 7 Uhr morgens entnommen wird, weist eine Blut-Alkoholkonzentration (BAK) von 0,1 Promille (‰) auf.
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Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T könnte sich wegen Trunkenheit im Verkehr strafbar gemacht haben (§ 316 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Der objektive Tatbestand des § 316 Abs. 1 StGB ist erfüllt, wenn der Täter ein Fahrzeug im öffentlichen Verkehr trotz alkohol- oder sonst rauschmittelbedingter
Fahruntüchtigkeit führt. Bei alkoholbedingter
Fahruntüchtigkeit kommt es maßgeblich auf die BAK zum Tatzeitpunkt an. Liegt diese bei Führern eines Kraftfahrzeuges über 1,1 ‰, so gelten sie unwiderleglich, als ungeeignet ein Kraftfahrzeug zu führen (sog. absolute Fahruntauglichkeit. Liegen alkoholbedingte Ausfallerscheinungen vor (z. B. unsichere Fahrweise) kann eine Untauglichkeit aber bereits ab 0,3 ‰ angenommen werden.
Bei Fahrradfahrern ist die Schwelle der absoluten Fahruntauglichkeit erst ab 1,6‰ erreicht.Rechtsgebiet-Wissen in 5min testen
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2. Aufgrund der entnommenen Blutprobe ist davon auszugehen, dass T sowohl bei ihrer Fahrt um 1 Uhr, als auch bei ihrer Rückfahrt um 7 Uhr eine BAK von 0,1 ‰ aufwies.
Nein!
Maßgeblich ist stets die BAK zum Zeitpunkt der Tat. Bei der BAK handelt es sich allerdings um keine statische Größe. Der im Blut vorhandene Alkohol wird vielmehr vom Körper laufend über die Leber abgebaut. Sofern die Blutprobe also nicht unmittelbar zum Zeitpunkt der Tat entnommen wurde, muss zur Bestimmung der Tatzeit-BAK eine Rückrechnung erfolgen.In vielen Lehrbüchern findest Du neben der Rückrechnungsmethode für die Berechnung der BAK auch die sogenannte „Widmark-Formel“. Diese würde man allerdings nur benötigen, wenn keine Blutuntersuchung erfolgt ist, also eine Rückrechnung mangels Angabe einer gemessenen BAK nicht möglich ist. Da hier zahlreiche tatsächliche Angaben (Angaben zur Trinkmenge (z. B. 5 Gläser Wein) inklusive des darin enthaltenen Alkohols, das Gewichts des Täters sowie der Trinkgeschwindigkeit) benötigt werden, eignet sich diese nur bedingt für eine Klausur. In der Assessorklausur steht Dir notfalls hier der Kommentar zur Verfügung (Fischer, StGB, § 20 RdNr. 14-15a).
3. Bei der Rückrechnung zur Ermittlung der Fahruntüchtigkeit sind die ersten beiden Stunden nach Trinkende von der Rückrechnung auszunehmen.
Genau, so ist das!
Nach dem Trinken gelangt nicht der gesamte Alkohol unmittelbar ins Blut. Wie lange der Prozess dauert, ist u.a. von der Trinkgeschwindigkeit und dem Füllstand des Magens abhängig. Unter Umständen kann die BAK in dieser Zeit also noch steigen. Um jede Benachteiligung des Täters durch die Rückrechnung zu vermeiden, muss diese Zeit nach dem Zweifelsgrundsatz für eine Rückrechnung deshalb außer Betracht bleiben. Spätestens nach zwei Stunden ist die Resorptionsphase aber auf jeden Fall abgeschlossen, sodass bis zu diesem Zeitpunkt zurückgerechnet werden kann.Da die Fahruntüchtigkeit zum Tatbestand gehört, ist es für den Täter günstig, wenn ein möglichst geringer BAK-Wert bei der Rückrechnung zustande kommt. 4. Außerhalb der Resorptionsphase ist ein stündlicher Abbauwert in Höhe von 0,1 ‰ zu der gemessenen BAK hinzuzurechnen.
Ja, in der Tat!
Jeder Mensch baut unterschiedlich schnell Alkohol ab. Der Mindestabbau liegt allerdings bei 0,1‰. Zugunsten des Täters (
in dubio pro reo) wird deshalb angenommen, dass bei ihm nur dieser Mindestabbau erfolgt ist, sodass auch nur in dieser Höhe eine Rückrechnung erfolgt.
5. Bei der Rückrechnung zur Ermittlung der Fahruntüchtigkeit ist zudem ein Sicherheitszuschlag von 0,2 ‰ hinzuzurechnen.
Nein!
Wird die Schuldunfähigkeit ermittelt, wird ein Sicherheitszuschlag von 0,2 Promille zugunsten der Beschuldigten hinzugerechnet. Im Falle der Ermittlung der
Fahruntüchtigkeit ist hingegen ein möglichst niedriger BAK Wert für die Beschuldigte günstig, sodass es keinen Sicherheitszuschlag gibt (
in dubio pro reo).
6. Zum Zeitpunkt ihrer ersten Fahrt um 1 Uhr hatte T eine BAK von 0,7‰.
Nein, das ist nicht der Fall!
Kommt es auf Tatbestandsebene auf die BAK an, so ist grundsätzlich für jede Stunde, die zwischen der Tat und der Messung der BAK vergangen ist, ein Abbauwert von 0,1‰ zur gemessenen BAK zu addieren. Für den Zeitraum der Resorptionsphase (=2h nach Trinkende) darf allerdings keine Rückrechnung erfolgen.Zwar liegen zwischen der Blutentnahme (7 Uhr) und der Fahrt (1 Uhr) insgesamt 6 Stunden. Der Zeitraum zwischen 1 Uhr und 3 Uhr muss indes als Resorptionsphase für die Rückrechnung ausgeklammert werden. Somit darf nur bis 3 Uhr zurückgerechnet werden, also 4 Stunden. Für die strafrechtliche Beurteilung ist somit davon auszugehen, dass T zum Zeitpunkt der ersten Fahrt eine BAK von 0,5‰ (=0,1‰ + 4 × 0,1‰) aufwies.Da damit lediglich die Schwelle der relativen Fahruntauglichkeit überschritten ist, bedarf es zur Erfüllung des Tatbestandes zusätzlich des Nachweises, dass T Ausfallerscheinungen aufwies.
7. Für die Rückfahrt um 6 Uhr ist von einer Tatzeit-BAK von 0,2 ‰ auszugehen, sodass T hier noch nicht einmal relativ fahruntüchtig war.
Ja, in der Tat!
(1) Da zwischen der Rückfahrt und dem Trinkende (1 Uhr) mehr als zwei Stunden liegen, ist die Resorptionsphase bereits vorbei, sodass diese hier nicht mehr berücksichtigt werden muss.
(2) Zwischen der Fahrt um 6 Uhr und der Messung um 7 Uhr liegt aber auch nur eine Stunde. Deshalb sind zu dem gemessenen Wert von 0,1‰ nur 0,1‰ zu addieren, also insgesamt 0,2‰.
Da frühestens ab 0,3 ‰ relative
Fahruntüchtigkeit angenommen werden kann, scheidet eine Strafbarkeit nach § 316 Abs. 1 StGB jedenfalls für die Rückfahrt aus.