Herausgabe gezogener Nutzungen

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Der geisteskranke V verpachtet seinen Weinhang in der Pfalz an P. P weiß von der Krankheit. Er ignoriert dies aber, da er zumindest einige Trauben ernten möchte, solange niemand die Krankheit des V bemerkt. Einige Wochen später erntet er die erste Lese.

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Einordnung des Falls

Herausgabe gezogener Nutzungen

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. V kann von P die Herausgabe der gezogenen Nutzungen verlangen, wenn die Voraussetzungen der §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB vorliegen.

Ja!

Der Anspruch aus §§ 987 Abs. 1, 990 Abs. 1 BGB setzt (1) eine Vindikationslage, (2) Ziehung von Nutzungen durch den Besitzer und (3) Bösgläubigkeit des Besitzers voraus.
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2. Es bestand eine Vindikationslage, als P die Trauben erntete.

Genau, so ist das!

Die Vindikationslage setzt voraus, dass (1) der Anspruchsteller Eigentümer und (2) der Anspruchsgegner Besitzer (3) ohne Recht zum Besitz (§ 986 BGB) ist. V war und ist Eigentümer des Weinhanges. P war infolge der Pacht Besitzer. Grundsätzlich vermittelt die Pacht ein relatives Besitzrecht nach § 986 Abs. 1 S. 1 BGB. Da V aber geisteskrank und dementsprechend geschäftsunfähig war (§ 104 Nr. 2 BGB), ist der Pachtvertrag nichtig. Somit hatte P kein Recht zum Besitz.

3. Hat P Nutzungen gezogen?

Ja, in der Tat!

Nutzungen sind nach § 100 BGB Früchte iSd § 99 BGB sowie Gebrauchsvorteile. Früchte wiederum sind die Erzeugnisse einer Sache. Trauben sind Erzeugnisse der Reben und dementsprechend als Früchte auch Nutzungen iSd § 100 BGB. Durch die Lese hat P die Nutzungen auch tatsächlich gezogen.

4. War P bösgläubig?

Ja!

Bösgläubig ist, wem bekannt oder in Folge grober Fahrlässigkeit unbekannt ist, dass ihm das Besitzrecht nicht zusteht (vgl. § 932 Abs. 2 BGB). P wusste, dass V geisteskrank ist. Auch war er sich bewusst, dass der Vertrag nichtig war und er dementsprechend auch kein Besitzrecht hatte. Er ging davon aus, dass die Nichtigkeit des Vertrages bemerkt wird und wollte zuvor noch von der vermeintlichen Pacht profitieren. Daher war er bösgläubig.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Edward Hopper

Edward Hopper

23.2.2023, 10:57:10

Spielt hier 817krine Rolle? Schließlich wusste der Verpächter ja auch dass die Vindikationslage besteht und hat es rausgegeben?

TI

Timurso

23.2.2023, 21:07:43

Vorliegend wird kein Bereicherungsanspruch geprüft, sondern ein Anspruch nach §§ 987, 990 BGB . Daher ist § 817 nicht anwendbar. Selbst wenn er anwendbar wäre, denke ich nicht, dass man einen Sittenverstoß durch den Verpächter annehmen kann. Er ist ja geschäftsunfähig und soll daher gerade vor den Auswirkungen seiner Handlungen geschützt werden.


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