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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

S will eine Wohnung kündigen, die er von V gemietet hat. Nach dem Mietvertrag muss die Kündigung bis zum 31.3. erfolgen. S trifft am Morgen des 31.3. Vs Ehefrau F bei Lidl. Er gibt F die Kündigung und bittet um Weitergabe. Heimlich wirft F die Kündigung noch im Supermarkt weg.

Einordnung des Falls

Empfangsbote leitet nicht weiter

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 1 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Kündigung ist noch am 31.3. wirksam geworden.

Ja, in der Tat!

Zugang (Phase 3) tritt bei Übergabe der Erklärung an einen Empfangsboten zu der Zeit ein, zu der nach normalen Umständen mit der Weiterleitung an den Empfänger zu rechnen ist. Ob der Empfangsbote verspätet oder gar nicht weiterleitet, ist für den Zugang irrelevant. Empfangsbote ist, wer vom Empfänger zur Entgegennahme von Erklärungen bestellt worden oder nach der Verkehrsanschauung als bestellt und geeignet anzusehen ist (z.B. Ehegatten, auch außerhalb der gemeinsamen Wohnung sowie andere geeignete Familienmitglieder). Die Weiterleitung durch einen Ehegatten ist noch am selben Tag zu erwarten. Dass F diese unterlassen hat, fällt in die Risikosphäre des V.

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🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

18.3.2020, 12:18:45

Wie wäre es, wenn der Vermieter sich kurz zuvor von seiner Frau getrennt hat (der Mieter konnte hiervon noch nichts wissen), die Frau dem Mieter jedoch vorspielt, noch ein glückliches Eheleben mit dem Vermieter zu führen, dann anschließend die Kündigung aber wegwirft. Vermieter und Mieter sind dann ja schutzwürdig...

Isabell

Isabell

18.3.2020, 19:53:11

Kündigung wirksam und Ersatzansprüche des V gegen seine Nochehefrau? Eine spannende Frage!

SNEU

Stefan Thomas Neuhöfer

31.3.2020, 17:25:06

Hi, herzlichen Dank für die ganz gewiss spannende Frage! Ihr legt gewissermaßen den Finger in die Wunde, denn teilweise wird die Ermächtigung zum Empfangsboten kraft reiner Verkehrsanschauung (ohne Willensakt des Empfängers) durchaus kritisch gesehen. Lassen wir das kurz beiseite und behandeln den Ehepartner auch außerhalb der Wohnung grundsätzlich (mit der Rspr.) als Empfangsboten kraft Verkehrsanschauung. Ändert sich durch die Trennung etwas? - Argumentationsfrage, m.E. nein. Denn beide leben noch in einer Wohnung und sind auch weiterhin Ehegatten - für den Verkehr ist die Ehe gewissermaßen noch intakt (wo zieht man sonst die Grenze? Bei jedem Streit? Was ist eine endgültige Trennung?)

SNEU

Stefan Thomas Neuhöfer

31.3.2020, 17:25:35

Ändert sich etwas, wenn die Frau auszieht und kein gemeinsamer Hausstand mehr besteht? Jetzt wird es wirklich diffizil - hier wäre im "Ernstfall" der Klausur alles vertretbar. Mit Blick auf die Wertung des § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, die ohnehin auf die Zustellung in einer gemeinsamen Wohnung abstellt, wäre ich persönlich geneigt, hier die Empfangsbotenschaft zu verneinen. Dafür spricht auch, dass § 1567 BGB dem Getrenntleben rechtliche Wirkung beimisst (wenn auch nur im Familienrecht). Die Argumentation steht aber auf stelzernen Füßen und ist durchaus angreifbar, weil § 1567 sicher keinen originären Bezug zum Verkehrsschutz hat. Immerhin gibt das irgendeinen gesetzlichen Anknüpfungspunkt.

SNEU

Stefan Thomas Neuhöfer

31.3.2020, 17:26:18

Dann wäre die F keine Empfangsbotin mehr (sondern ggf. Erklärungsbotin), sodass die Willenserklärung dann als nicht abgegeben gilt. Wie sieht es mit Rechtsfolgen/Schadensersatzansprüchen bei fehlerhafter Übermittlung aus? - § 120 BGB hilft bei der Nicht-Übermittlung nicht Wenn F Empfangsbotin ihres (Noch-)Ehemannes ist: Ggf. Anspruch aus § 1353 Abs. 1 S. 2 BGB (ein Anspruch kann sich nur aus dem zugrunde liegenden Rechtsverhältnis ergeben) - auch hier wird es ziemlich dünn.

SNEU

Stefan Thomas Neuhöfer

31.3.2020, 17:26:41

Wenn F Erklärungsbotin ist: Anspruch aus §§ 280 Abs. 1 iVm 662 BGB. Das zugrunde liegende Rechtsverhältnis ist dann mE ein Auftrag mit der Möglichkeit eines Schadensersatzanspruches bei zu vertretender Pflichtverletzung. Man könnte auch an §§ 311 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. 280 Abs. 1 BGB denken, wenn man darauf abstellt, dass der Mieter davon von der Empfangsbotenstellung der Frau ausging und damit keinen Rechtsbindungswillen hinsichtlich eines Auftrages hatte. Auch hier ist sicher alles vertretbar! Man sieht, dass es bei den Rechtsfolgen in jedem Fall etwas konstruiert und gekünstelt wirkt. Das hängt an der haarscharfen Abgrenzung zwischen Empfangs- und

Erklärungsbote

n im familiennahen Umfeld.

SNEU

Stefan Thomas Neuhöfer

31.3.2020, 17:26:53

Ich hoffe, Eure Fragen (einigermaßen) befriedigend beantwortet zu haben! Viele Grüße Für das Jurafuchs-Team - Stefan

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

31.3.2020, 21:28:21

Hallo @Stefan Thomas Neuhöfer, vielen Dank für Ihre aufschlussreichen Kommentare. Haben Sie eine Literaturempfehlung zu dem Meinungsstreit bzgl. Empfangsbote kraft reiner Verkehrsanschauung?

🦊LEXD

🦊LEXDEROGANS

31.3.2020, 21:43:05

@Stefan Thomas Neuhöfer, meine Frage bezog sich auf eine Situation, in der der Vermieter bereits von seiner Frau tats. und rechtl. geschieden war. Aus Ihrer Formulierung „beide [...] sind auch weiterhin Ehegatten“ entnehme ich, dass sie von einer etwas anderen Frage ausgingen? Mit welcher Argumentation würden Sie in einem solchen Fall die Empfangsboteneigenschaft der ehemaligen Frau des Vermieters verneinen?

SNEU

Stefan Thomas Neuhöfer

31.3.2020, 22:05:59

Kurz zur Einordnung - das ist schon ziemlich theoretisches Hochreck und kein typischer Klausurstoff. Zur Frage nach Literatur: Staudinger (2004)-Singer/Benedict, § 130 RdNr. 58. Nach der Scheidung würde ich die Empfangsbotenstellung der Exfau verneinen. Denn nach der allgemeinen Verkehrsanschauung wird die Exfrau nicht zur Entgegennahme von Schriftstücken ermächtigt sein. Arg: Wertung aus § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Nochmal: das ist (bislang) ein rein theoretischer Fall, der so meines Wissens so nicht diskutiert wird/wurde. Also kommt es im Zweifelsfall auf die Argumentation an. Viele Grüße Stefan

DEL

deliaco

11.1.2024, 22:50:36

Hätten Sie vielleicht auch eine Literaturempfehlung bzgl. der Frage eines Schadensersatzanspruches im Falle Nichtübermittlung durch Erklärungs-/bzw. Empfangsbote?

DEL

deliaco

11.1.2024, 23:03:08

Mir erschließt sich insbesondere nicht, weshalb man bei einem Empfangsbote den Rechtsbindungswillen hinsichtlich eines Auftrages verneinen müsste und weshalb das bei einem

Erklärungsbote

anders wäre. Liegt nicht in beiden Fällen ein Auftrag vor? Und wie verhält sich der SE-Anspruch gestützt auf das Auftragsverhältnis zu eine SE-Anspruch gestützt auf § 120 BGB (wenn wir den Fall einer unrichtigen/verspätete Weiterleitung hätten, bei der § 120 BGB tatsächlich anwendbar wäre)?

Steinfan

Steinfan

18.4.2024, 12:59:24

Liebes JF-Team, ich denke eine kurzer Vertiefungshinweis auf potentielle Ersatzansprüche gegen die Ehefrau wäre für ein umfassendes Verständnis hilfreich. Dann wirkt es auch nicht mehr ganz so “ungerecht”. In dem anderen Thread gibt es dazu bereits Ansätze. LG


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