+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Senior-Partner P kauft bei Mercedes-Händler M einen neuen Mercedes-AMG G 63 zum objektiven Wert von €200.000. Zu Hause angekommen bemerkt er, dass an einer Felge ein 1cm langer oberflächlicher Kratzer ist, dessen Behebung €50 kosten würde und den Wert des Autos um €50 mindert. Die von P gesetzte Frist verstreicht fruchtlos.
Einordnung des Falls
Minderung bei unerheblichem Mangel
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Ist die Kaufsache bei Gefahrübergang mangelhaft, kann der Käufer unter weiteren Voraussetzungen vom Vertrag zurücktreten (§§ 437 Nr. 2 BGB).
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Genau, so ist das!
Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer nach den §§ 440, 323, 326 Abs. 5 BGB vom Vertrag zurücktreten (§ 437 Nr. 1 BGB). Dieser Rücktritt setzt grundsätzlich voraus, dass der Käufer
(1) eine fruchtlos abgelaufene Frist gesetzt hat oder die Fristsetzung entbehrlich ist,
(2) den Rücktritt erklärt (§ 349 BGB) und
(3) der Rücktritt nicht ausgeschlossen ist (§ 323 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 BGB).
Der Rücktritt ist kein Anspruch, sondern ein Gestaltungsrecht, welches durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer ausgeübt wird. Der Vertrag wandelt sich nach wirksamer Ausübung des Rücktrittsrechts in ein Rückgewährschuldverhältnis um, aus welchem dann Ansprüche folgen..
2. Die Voraussetzungen für einen Rücktritt liegen vor (§§ 437 Nr. 2, 323 BGB).
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Nein, das trifft nicht zu!
Der Rücktritt setzt grundsätzlich voraus, dass der Käufer
(1) eine fruchtlos abgelaufene Frist gesetzt hat oder die Fristsetzung entbehrlich ist,
(2) den Rücktritt erklärt (§ 349 BGB) und
(3) der Rücktritt nicht ausgeschlossen ist (§ 323 Abs. 5 S. 2, Abs. 6 BGB).
Der Rücktritt ist aber ausgeschlossen, wenn die Pflichtverletzung (= Sachmangel) unerheblich ist (§ 323 Abs. 5 S. 2 BGB). Bei behebbaren Mängeln ist ein Beseitigungsaufwand bis zur Höhe von 5% des Kaufpreises in der Regel unerheblich. Hier beträgt der Beseitigungsaufwand 0,025%, der Mangel ist also unerheblich und der Rücktritt ausgeschlossen.
3. Statt zurückzutreten kann der Käufer auch den Kaufpreis mindern (§ 437 Nr. 2, 441 BGB).
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Ja!
Statt zurückzutreten, kann der Käufer den Kaufpreis durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer mindern (§ 441 Abs. 1 S. 1 BGB). § 441 Abs. 1 S. 1 BGB knüpft das Minderungsrecht an das Rücktrittsrecht an. Zur Begründung eines Minderungsrechts müssen also die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts nach §§ 437 Nr. 2, 323 BGB bzw. §§ 326 Abs. 5 iVm 323 BGB vorliegen. Das Minderungsrecht ist wie das Rücktrittsrecht ein Gestaltungsrecht, das durch Erklärung gegenüber dem Verkäufer ausgeübt wird.
4. P könnte wirksam mindern (§ 437 Nr. 2, 441 BGB).
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Genau, so ist das!
Die Minderung setzt voraus
(1) einen Minderungsgrund,
(2) eine Minderungserklärung und
(3) keinen Ausschluss. Der Minderungsgrund verlangt dabei, dass die Voraussetzungen eines Rücktrittsrechts erfüllt sind (§§ 323, 326 Abs. 5 BGB). Ein Minderungsrecht besteht jedoch auch dann, wenn ein Rücktrittsrecht wegen 323 Abs. 5 S. 2 BGB wegen Unerheblichkeit des Sachmangels ausgeschlossen ist (§ 441 Abs. 1 S. 2 BGB). Denn durch den Ausschlusstatbestand soll nach dem Grundsatz der Vertragserhaltung lediglich die Vertragsauflösung, nicht aber die Minderung ausgeschlossen werden.