Strafrecht
BT 3: Straftaten gegen Freiheit u.a.
Nötigung, § 240 StGB
Der T drängt den verängstigten O durch mehrmaliges Schubsen in eine Ecke. (kein Erfolg, Nötigung (-))
Der T drängt den verängstigten O durch mehrmaliges Schubsen in eine Ecke. (kein Erfolg, Nötigung (-))
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Der T drängt den körperlich stärkeren O durch mehrmaliges Schubsen in eine Ecke. O nimmt dies regungslos hin.
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Einordnung des Falls
Der T drängt den verängstigten O durch mehrmaliges Schubsen in eine Ecke. (kein Erfolg, Nötigung (-))
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Wenn T "einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt", verwirklicht er den objektiven Tatbestand der Nötigung (§ 240 Abs. 1 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Indem T den O durch mehrmaliges Schubsen in eine Ecke gedrängt hat, hat T an O "Gewalt" ausgeübt (§ 240 Abs. 1 Var. 1 StGB).
Ja!
3. Auch der Nötigungserfolg (§ 240 Abs. 1 StGB) ist eingetreten.
Nein, das ist nicht der Fall!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Orfeas
1.4.2021, 16:25:45
Ist das abgenötigte Opferverhalten hier nicht schon die
Duldungdes “in die Ecke Drängen”? Würde eher die körperliche Überlegenheit des Opfers in der sozialen
Verwerflichkeit thematisieren.
Lenny
26.6.2021, 09:51:54
Hallo Orfeas, ich bin auch etwas verwirrt. Ich hätte hier tatsächlich schon objektiv die Gewalt verneint, weil sie vorliegend nicht dazu bestimmt war, beim Opfer irgendein Verhalten zu erzwingen. Es wirkt hier vielmehr so als würde der Täter das Opfer hier einfach schubsen wollen. Oder kann man hier mit lebensnaher Auslegung in dem “In die Ecke drängen bereits” bereits das Festhalten als Zweck ansehen. Dann würde ich dir zustimmen und den Erfolg als eingetreten ansehen. Aber vielleicht hat ja noch jemand andere Ideen.
Lukas_Mengestu
17.12.2021, 18:29:21
Hallo ihr beiden, bei der Nötigung muss man im Hinterkopf behalten, dass Ziel der Nötigung letztlich der Schutz der Willensentschließungsfreiheit ist. Es geht insofern immer um ein zweiaktiges Geschehen bestehend a) aus dem Nötigungsmittel und b) dem abgenötigten
Nötigungserfolg(vgl. v. Heintschell-Heinegg, in: BeckOK-StGb, 51.Ed, 1.11.2021, § 240 StGB). Beides ist voneinander zu trennen. Anderenfalls würde der Tatbestand gänzlich konturlos. Denn in jedem Angriff auf das Opfer (Körperverletzung, Beleidigung...) könnte ansonsten eine Nötigung im Hinblick auf das Erdulden des Angriffs eine Nötigung liegen. Hier müsste durch das Schubsen also ein zusätzlicher
Nötigungserfolgverfolgt werden (zB anschließende
Duldungauf Wegnahme von Wertsachen, Vornahme sexueller Handlungen...). Das Erdulden des Angriffes allein genügt nicht. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-team
Juraluchs
12.6.2023, 20:34:57
Pilea
9.8.2023, 08:12:05
@[Juraluchs](159960) ich denke, dass der Knackpunkt darin liegt, dass Os Übersichergehenlassen der Ortsveränderung mit einer restlichen Autonomie geschah. Seine Willensentschließungsfreiheit wurde insofern nicht eingeschränkt.
Zlatan1328
1.7.2024, 10:14:19
Wäre es auch vertretbar die Gewalt zu verneinen? Man kann doch schlecht sagen dass die Handlung des Täters hier „körperlichen Zwang ausübt“ wenn O sich nicht bewegt
Linne_Karlotta_
22.8.2024, 17:22:32
Hallo Linus, m.E. spricht der Sachverhalt dafür, dass hier die Gewalt nur bejaht werden kann. Nach dem klassischen
Gewaltbegriffsetzt Gewalt voraus, dass der Täter (1) durch körperliche Kraftentfaltung (2) Zwang ausübt, indem er auf den Körper eines anderen einwirkt, (3) um geleisteten oder erwarteten Widerstand zu überwinden. Anders gesagt: Der Täter muss Kraft entfalten – diese Kraft muss beim Opfer „ankommen“. Die Reaktion des Opfers auf die Krafteinwirkung ist hier erstmal egal. T übt hier durch das Schubsen (= Kraftentfaltung) so auf den Körper des Os ein, dass O in die Ecke gedrängt wird (= Ausübung des Zwangs). Dass O diese Einwirkung auf seinen Körper „regungslos“, also ohne sich dem Zwang entgegenzusetzen, hinnimmt, ist nicht erheblich für die Frage der Gewaltausübung durch T, sondern vielmehr eine Frage des
Nötigungserfolgs. Das bloße Erdulden der Gewalt reicht nämlich nicht aus, um den nach § 240 StGB geforderten
Nötigungserfolgbejahen zu können. Schaue Dir dazu auch nochmal die Hinweise in der Aufgabe an. Ich hoffe, ich konnte Dir damit weiterhelfen. Viele Grüße - Linne, für das Jurafuchs-Team