Absolute Antragsdelikte

14. Oktober 2024

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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Mann erstattet bei Polizei Anzeige wegen Beleidigung als Illustration für Fall zu absolute Antragsdelikte

T beleidigt seinen Nachbarn N seit Monaten aufs Übelste. Irgendwann reicht es N, er verlangt bei der Polizei die Einleitung eines Strafverfahrens gegen T.

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Einordnung des Falls

Absolute Antragsdelikte

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Die Beleidigung (§ 185 StGB) ist ein Antragsdelikt.

Ja, in der Tat!

Zur Verfolgung mancher Delikte ist ein Strafantrag im engeren Sinne erforderlich (§ 158 Abs. 2 StPO, §§ 77ff. StGB). Antragsdelikte erkennt man daran, dass im Gesetz steht: „Die Tat wird nur auf Antrag verfolgt“ (vgl. §§ 123 Abs. 2, 247 StGB). Bei solchen Delikten ist der Strafantrag eine Strafverfolgungsvoraussetzung. Dadurch wird das Offizialprinzip eingeschränkt.Die Beleidigung kann nur auf Antrag hin verfolgt werden (§ 194 Abs. 1 S. 1 StGB).
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2. Die Beleidigung (§ 185 StGB) ist ein relatives Antragsdelikt.

Nein!

Die Terminologie bei den Antragsdelikten ist nicht einheitlich. Der BGH und die Ausbildungsliteratur differenzieren üblicherweise zwischen absoluten und relativen Antragsdelikten. Absolute Antragsdelikte sind danach solche, bei denen ein Strafantrag für die Strafverfolgung zwingend erforderlich ist (§ 123 Abs. 2 StGB). Ein relatives Antragsdelikt liegt dagegen vor, wenn der Strafantrag durch ein besonderes öffentliches Interesse ersetzt werden kann (zB § 230 StGB).Die Beleidigung kann nur auf Antrag verfolgt werden (§ 194 Abs. 1 S. 1 StGB). Es handelt sich um ein absolutes Antragsdelikt.In der Literatur wird dagegen zum Teil zwischen absoluten, bedingten und relativen Antragsdelikten differenziert. Mehr dazu findest Du: hier

3. N hat einen Strafantrag im engeren Sinne gestellt.

Genau, so ist das!

Ein Strafantrag im weiteren Sinne (Antrag auf Strafverfolgung) liegt vor, wenn ausdrücklich eine Strafverfolgung gewünscht wird (§ 158 Abs. 1 Alt. 2 StPO). Er steht jedem Bürger offen. Ein Strafantrag im engeren Sinne (§ 158 Abs. 2 StPO, § 77 Abs. 1 StGB) liegt vor, wenn dieser Antrag auf Strafverfolgung bei einem Antragsdelikt von dem durch die Straftat Verletzten als Berechtigten gestellt wird.N hat ausdrücklich die Strafverfolgung des T gefordert und ist als Verletzter der Beleidigung auch Antragsberechtigter des Antragsdelikts (§ 77 Abs. 1 StGB).

4. Weil N einen Strafantrag gestellt hat, kann die Tat des T verfolgt werden.

Ja, in der Tat!

Bei absoluten Antragsdelikten ist der Strafantrag stets Strafverfolgungsvoraussetzung. Ein solcher Antrag kann fehlen, weil er nie gestellt wurde, auf die Antragstellung verzichtet wurde, ein gestellter Antrag zurückgenommen wurde oder er wegen Fristablaufs (§ 77b Abs. 1 StGB) nicht mehr gestellt werden kann. Ist noch kein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden und eine Antragstellung nicht mehr möglich, fehlt es schon an einem Anfangsverdacht. Denn dann ist die Begehung einer „verfolgbaren“ Straftat nicht mehr möglich (§ 152 Abs. 2 StPO).

5. Die Staatsanwaltschaft muss jetzt ermitteln.

Ja!

Die Staatsanwaltschaft ist zur Vermeidung von Willkür dazu verpflichtet, bei Vorliegen eines Anfangsverdachts ein Ermittlungsverfahren einzuleiten (§ 152 Abs. 2 StPO, Legalitätsprinzip). Sie muss dann den Sachverhalt erforschen, um zu entscheiden, ob Anklage zu erheben ist (§ 160 Abs. 1 StPO). Ein Anfangsverdacht besteht, wenn aufgrund konkreter tatsächlichen Anhaltspunkte nach kriminalistischer Erfahrung (= tatsächliche Komponente) die Begehung einer verfolgbaren Straftat (= rechtliche Komponente) möglich erscheint.N liefert tatsächliche Anhaltspunkte, die rechtlich als Beleidigungsdelikte gewürdigt werden können. Da ein Strafantrag gestellt ist, ist auch das Vorliegen einer „verfolgbaren“ Straftat möglich.Die Staatsanwaltschaft erhebt bei Delikten i.S.d. § 374 Abs. 1 StPO z.B. Nr. 2 - Beleidigung, nur Anklage, wenn dies im öffentliche Interesse liegt. Wann ein öffentliches Interesse vorliegt, ergibt sich aus Nr. 86 Abs. 2, 3 RiStBV. Aus Nr. 87 Abs. 1 S. 2 RiStBV ergibt sich, dass die ermittelnden Beamten die Anzeige ohne weitere Ermittlungen dem Staatsanwalt vorlegen, wenn nach ihrer Ansicht kein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht.

6. Wenn die Staatsanwaltschaft das öffentliche Interesse bei Delikten i.S.d. § 374 Abs. 1 StPO verneint, ist die Verfolgung beendet.

Nein, das trifft nicht zu!

Gem. Nr. 87 Abs. 1 RiStBV verweist die Staatsanwaltschaft auf den Privatklageweg, wenn sie das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung verneint. Nr. 87 Abs. 2 RiStBV gibt vor, dass die Staatsanwaltschaft unter bestimmten Umständen trotzdem vorher Ermittlungen anstellen muss, um dem Verletzen die Privatklage zu ermöglichen.
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