Entziehung der Gesamtzusage

24. November 2024

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Chefin C ist begeistert über das letzte Geschäftsjahr. Sie stellt im Januar folgende Nachricht ins Intranet ein: „Ihr seid spitze - dieses Jahr bekommt ihr zwei zusätzliche Urlaubstage!“ Als im März die Zahlen schlechter werden, nimmt sie die Nachricht wieder heraus.

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Einordnung des Falls

Entziehung der Gesamtzusage

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei der Nachricht im Januar handelt es sich um eine Gesamtzusage.

Genau, so ist das!

Eine Gesamtzusage ist die (1) an alle Arbeitnehmerinnen (oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen) (2) in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, (3) zusätzliche Leistungen erbringen zu wollen.K hat allen Arbeitnehmerinnen über das Intranet zwei zusätzliche Urlaubstage versprochen und damit eine Leistung, die über die Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag hinausgeht.
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2. Indem C die Nachricht im März wieder löschte, ist sie gegenüber ihrer aktuellen Belegschaft nicht mehr an die Zusage gebunden.

Nein, das trifft nicht zu!

Rechtsfolge der Gesamtzusage ist, dass der Inhalt des Vertrages zugunsten der Arbeitnehmerinnen ergänzt wird. Hat sich der Arbeitgeber nicht die Änderung oder den Widerruf vorbehalten, dann ist eine Änderung grundsätzlich nur mit Zustimmung der Arbeitnehmerin möglich.C hat die Urlaubstage vorbehaltlos gewährt. Auch nachdem sie die Nachricht gelöscht hat, ist sie somit weiterhin daran gebunden.

3. Es macht für C also keinen Unterschied, ob sie die Nachricht im Intranet stehen lässt oder löscht.

Nein!

Eine Gesamtzusage ist typischerweise nicht auf die Arbeitnehmerinnen beschränkt, die zum Zeitpunkt der erstmaligen Erklärung beschäftigt waren. Auch später eingestellte Arbeitnehmerinnen können das hierin liegende Vertragsangebot nach § 151 BGB annehmen. Eine Annahme ist allerdings ausgeschlossen, wenn das Angebot erloschen ist. Ergibt sich aus dem Angebot oder den Umständen kein Erlöschenszeitpunkt (§ 151 S. 2 BGB), so erlischt das Angebot erst mit einer gegenteiligen Erklärung.Zwar konnte C den zusätzlichen Urlaub der aktuellen Belegschaft nicht mehr widerrufen. Durch das Löschen der Nachricht hat C aber zumindest im Hinblick auf zukünftig eintretende Mitarbeiterinnen die Gesamtzusage aufgehoben.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

MWA

mwally

3.12.2023, 13:20:31

Bisher ist mir wenig aufgefallen, dass ihr gendert. Bei dieser Aufgabe war es aber extrem nervig. Das Gespringe zwischen neutraler und weiblicher Form ist störend. Die neutrale Form ist vollkommen ausreichend.

flari0n

flari0n

3.12.2023, 13:41:12

Ich finde es gut, dass ihr das macht. Mangels neutraler Form wird so ein realistisches Bild der Welt gezeichnet und die Fälle wirken lebensnäher. Danke!

MWA

mwally

3.12.2023, 13:57:35

Die neutrale Form ist die generische. "Die Arbeitnehmer" ist nicht maskulin, sondern neutral. Ich bin selbst weiblich und verstehe beim besten Willen nicht, wie man sich dabei fast schon berufsmäßig ausgeschlossen fühlen will.

MWA

mwally

3.12.2023, 14:00:55

Die neutrale Form ist die generische. "Die Arbeitnehmer" ist nicht maskulin, sondern neutral. Ich bin selbst weiblich und verstehe beim besten Willen nicht, wie man sich dabei fast schon berufsmäßig ausgeschlossen fühlen will. Dass es in den Fällen mal männliche, mal weibliche, mal intersexuelle Protagonisten gibt, die auch in nicht stereotypen Konstellationen vorkommen, finde ich auch gut. Dass im Falle einer Chefi. auch von Chefin gesprochen wird, ist selbstverständlich. Hier geht es aber darum, dass von "Arbeitnehmerinnen", also lediglich von weiblichen Arbeitnehmern gesprochen wird und dann auch noch gesprungen wird. Das ergibt keinen Sinn.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.12.2023, 16:06:59

Lieben Dank für das Feedback, mwally! In dem folgenden FAQ (https://www.jurafuchs.de/faq/warum-sind-die-jurafuchs-lerninhalte-gender-und-diversitaetssensibel/) bzw. auch in dem folgenden Fallthread (https://applink.jurafuchs.de/o6clDZ03fFb) haben wir einmal unsere Gedanken niedergelegt, warum wir als "neutrale" Form nicht nur das generische Maskulinum, sondern auch das generische Feminimum verwenden :-) Ich hoffe, dadurch wird die dahinterstehende Überlegung etwas klarer. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MWA

mwally

4.12.2023, 16:27:37

Die Argumente kenne ich bereits. Damit habe ich mich im Rahmen eine anderen Studiums bereits ausführlich beschäftigt. Die Argumente für die Verwendung des generischen Femininums sind nur nicht schlüssig. Nicht falsch verstehen: dass ihr verschiedene Geschlechter in die Fälle einbaut und diese auch in nicht stereotypen Konstellationen zeigt, finde ich gut und richtig. Die Verwendung eines nicht existenten generischen Femininums ist aber einfach ideologisch geprägt und nicht an der Realität oder der Bedeutung von Wörtern orientiert. "Arbeitnehmerinnen" sind ausschließlich weibliche Arbeitnehmer (und schließen der Argumentation folgend, neben Männern übrigens auch intersexuelle/diverse Menschen aus). "Arbeitnehmer" sind Menschen jeden Geschlechts. Sich neue Bedeutungen für Wörter auszudenken, macht die Welt nicht gerechter oder gleicher.

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

4.12.2023, 16:35:52

@[mwally](225215)Keine Sorge, wir finden sachlichen Diskurs absolut richtig und wichtig :-) Das ist letztlich juristische Kernkompetenz. Letztlich haben wir uns nach längerer interner Diskussion für den Einsatz von Gendertrouble (da sind wir uns ja einig :D ) und für die abwechselnde Verwendung des generischen Maskulinum und Femininum als die am wenigsten schlechte Lösung entschieden. Dass sich das generische Femininum in der Fläche bislang nicht durchgesetzt hat, steht dem Einsatz unserer Auffassung nicht zwingend entgegen. Gerne kannst Du für die Aufgabe aber unterstellen, dass im Betrieb ausschließlich Frauen arbeiten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

VALA

Vanilla Latte

24.4.2024, 02:46:41

Aber wäre das keine unzulässige Ungleichbehandlung?

TI

Timurso

24.4.2024, 11:04:06

Wieso sollte das unzulässig sein? Hat ja keinen AGG-relevanten Anknüpfungspunkt.

BASA

Barbara Salesch

21.10.2024, 21:36:11

Stichwort arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsgrundsatz, § 242 BGB. Ich würde aber sagen, dass dieser hier nicht verletzt ist, denn er verbietet ja nicht jegliche Ungleichbehandlung, sondern nur eine solche ohne sachliche Gründe. Hier sehe ich den sachlichen Grund aber in dem Umsatzrückgang und der damit womöglich wirtschaftlichen Notwendigkeit, die Ausgaben (=mehr freie Tage) zu reduzieren.


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