Tatbestandsausschließendes Einverständnis | Diebesfalle
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
O vermutet, dass ihr Gärtner T ihre Werkzeuge stiehlt. Sie präpariert eine teure Rosenschere mit einer Substanz, durch die chemische Rückstände an den Händen eine Identifikation ermöglichen. Anschließend "verlegt" sie die Schere unauffällig im Gartenhaus. T nimmt sie erwartungsgemäß an sich und steckt sie in seine Jackentasche.
Einordnung des Falls
Tatbestandsausschließendes Einverständnis | Diebesfalle
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat den Gewahrsam der O gebrochen (§ 242 Abs. 1 StGB).
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Nein!
2. O hat sich nach h.M. wegen Anstiftung zum versuchten Diebstahl (§ 242 Abs. 1, 2, §§ 22, 23 Abs. 1, § 26 StGB) strafbar gemacht.
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Nein, das ist nicht der Fall!
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Raimond
15.9.2020, 13:17:55
Tatbestandsausschließendes Einverständnis nur weil man eine Vermutung hat und zur Tat anregt? Da geht mir der Sinn des Korrektives "GewahrsamsBRUCH" ad absurdum.. denn schließlich war es der O ja nicht recht, dass der Gärtner ihr IRGENDWELCHE Werkzeuge stiehlt, lediglich aus Beweisführungsgründen hat sie das Präpariert... aus dieser Einstellung aber ein Einverständnis zur Wegnahme der teuren Gartenschere zu konstruieren halte ich für nicht überzeugend.. Aber deswegen auch nicht unvertretbar! Ihr habt eine solide und stringente Linie vertreten und damit eine auch-Richtige Ansicht. Toll! 👍🏻

Anna TK
2.10.2020, 09:43:10
Ich finde diese Argumentation auch nicht überzeugend. Dennoch ist sie nach meiner Kenntnis bei sogenannten Diebesfallen hM 🤔
GingerCharme
10.10.2020, 12:13:44
Verstehe die Kritik und euren Punkt - kann dem auch sicherlich etwas abgewinnen. Mein "aber": sie hat die Schere ja so präpariert, dass nur eine Wegnahme oder der Versuch dessen zur Überführung des Täters führt, wenn dieser physisch mit seinen Händen danach greift, dass indiziert eine Einwilligung in ein wegnehmen der Schere, zudem diese ja auch bereitwillig ausgelegt wurde, gerade damit sie fortgeschafft wird, denn nur so konnte der Dieb überführt werden. Sprich: die Wegnahme ist gewollt, denn das Kerninteresse ist Täterüberführung, der Bruch müsste also verneint werden.

Vulpes
4.1.2021, 11:18:07
Ich verstehe die Kritik nicht so ganz. Die O will, dass der T die Gartenschere wegnimmt, damit sie ihn des Diebstahls überführen kann. Die Wegnahme ist also gewollt! Das ist doch ein Musterbeispiel für ein Einverständnis. Ohne die Wegnahme wäre es schliesslich ja auch unmöglich gewesen den T zu überführen. Genau darauf kam es der O aber an.
FML
24.5.2021, 15:01:57
Schließe mich meinem Vorredner an. Insbesondere da eine Versuchsstrafbarkeit des Diebstahls einschlägig sein wird und so auch keine mögliche Strafbarkeitslücken bestehen.

Lukas_Mengestu
27.7.2021, 13:36:13
@Raimond: vielen Dank für den Einwurf! In der Tat will das Opfer natürlich nicht, dass das Werkzeug dauerhaft bei dem Täter verbleibt, aber für das tatbestandsausschließende Einverständnis genügt eben auch das Einverständnis mit dem vorübergehenden Wechsel. Es empfiehlt sich insoweit bei der sog. Diebesfalle zwei Konstellationen sorgsam zu unterscheiden. Fall 1): Das Opfer trifft Vorkehrungen, um den Dieb zu beobachten und dadurch zu überführen (zB Videoaufzeichnung): hier bedarf es keines Gewahrsamsbruches, weswegen aus Sicht des Opfers kein Einverständnis mit dem (vorübergehenden) Gewahrsamsübergang besteht. Fall 2): Für das Gelingen der Beweisführung ist es essentiell, dass ein Gewahrsamswechsel stattfindet (zB präparierte Beute). Hier will das Opfer ja gerade, dass der Gewahrsam gewechselt wird, da ansonsten der Beweis misslingt. Hier wird von der herrschenden Meinung - wie Vulpes bereits ausgeführt hat - in der Tat ein tatbestandsausschließendes Einverständnis bejaht, was im Ergebnis für die Strafbarkeit unerheblich ist, da über diese über den Versuch ohne weiteres gegeben bleibt. (vgl. zu beiden Fällen: NK-StGB/Kindhäuser, 5. A. 2017, § 242 Rn. 43). Unser Fall behandelt insoweit die zweite Konstellation, weswegen hier schon ein Einverständnis angenommen werden kann (aA aber natürlich auch hier vertretbar). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team