Gesamtzusage - Rosenmontag

leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

Karnevalistin K ist Handwerksmeisterin in Stuttgart. Um ihre heimischen Traditionen auch im Schwabenland zu verbreiten, veröffentlicht sie im Intranet folgende Nachricht: „Zum Besuch des Rosenmontagsumzuges wird die ganze Belegschaft ab 11:00 Uhr bezahlt freigestellt.“

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Einordnung des Falls

Gesamtzusage - Rosenmontag

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Bei der veröffentlichten Nachricht handelt es sich um eine „Gesamtzusage“.

Ja!

Eine Gesamtzusage ist die (1) an alle Arbeitnehmerinnen (oder einen nach abstrakten Merkmalen bestimmten Teil von ihnen) (2) in allgemeiner Form gerichtete ausdrückliche Erklärung des Arbeitgebers, (3) zusätzliche Leistungen erbringen zu wollen.K hat allen Arbeitnehmerinnen über das Intranet bezahlte Freistellung gewährt und damit eine Leistung, die über die Verpflichtungen aus dem Arbeitsvertrag hinausgeht.Nach herrschender Auffassung handelt es sich bei der Gesamtzusage um ein Vertragsangebot an jede einzelne Arbeitnehmerin.
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2. Die Gesamtzusage wird nur gegenüber den Arbeitnehmerinnen wirksam, die die Nachricht im Intranet lesen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Eine empfangsbedürftige Willenserklärung bedarf für ihre Wirksamkeit des Zugangs beim Erklärungsempfänger (§ 130 Abs. 1 S. 1 BGB). Bei verkörperten Willenserklärungen liegt Zugang vor, wenn die Erklärung so in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass er von ihr Kenntnis nehmen kann und wenn unter normalen Umständen mit der Kenntnisnahme zu rechnen ist. Entsprechend muss der einzelne Arbeitnehmer nach der Rechtsprechung des BAG zwar typischerweise in der Lage sein, von dem Angebot Kenntnis zu nehmen. Auf die konkrete Kenntnis des einzelnen Arbeitnehmers komme es für das Wirksamwerden der Gesamtzusage aber nicht an.K hat die Nachricht für alle einsehbar im Intranet veröffentlicht. Ungeachtet der Frage, wer die Nachricht tatsächlich liest, wird das Angebot damit gegenüber allen Mitarbeitern wirksam.

3. Müssen die Arbeitnehmerinnen gegenüber K die Annahme der Gesamtzusage erklären?

Nein, das trifft nicht zu!

Da die Gesamtzusage ein Angebot darstellt, bedarf es nach den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Regeln grundsätzlich der Annahme des Angebots. Allerdings muss die Annahme dem Antragenden gegenüber nicht erklärt werden, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat (§ 151 S.1 BGB). Bei einer Gesamtzusage zugunsten der Mitarbeitenden bedarf es nach der Verkehrssitte keines Zugangs der Annahmeerklärung beim Arbeitgeber. Einer ausdrücklichen oder konkludenten Annahmeerklärung gegenüber K bedarf es seitens der Mitarbeiter somit nicht.Bei Erklärungen zulasten der Arbeitnehmer kann nicht auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichtet werden!

4. Mit Annahme der Gesamtzusage wird das in der Zusage liegende Angebot ergänzender Inhalt des Arbeitsvertrags.

Ja!

Rechtsfolge der Gesamtzusage ist, dass der Inhalt des Vertrages zugunsten der Arbeitnehmerinnen ergänzt wird.Durch die Gesamtzusage haben die Arbeitnehmerinnen nun einen vertraglichen Anspruch darauf, am Rosenmontag freigestellt zu werden.Ist die Gesamtzusage erst einmal begründet, so ist der Arbeitgeber daran gebunden. Eine einseitige Rücknahme/Widerruf ist damit im Grundsatz nicht möglich.
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