Zivilrecht

Zivilprozessrecht

Gerichtszuständigkeit

Zuständigkeit bei Klageerweiterung – Zeitpunkt der Klageeinreichung nach § 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO

Zuständigkeit bei Klageerweiterung – Zeitpunkt der Klageeinreichung nach § 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO

20. Mai 2025

16 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs

K verklagt B vor dem Amtsgericht auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von € 1.500. Kurz darauf erfährt K, dass der Schaden viel größer ist. Er erweitert die Klage auf € 8.000.

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Einordnung des Falls

Zuständigkeit bei Klageerweiterung – Zeitpunkt der Klageeinreichung nach § 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Für die ursprüngliche Klage auf Zahlung von € 1.500 war das Amtsgericht sachlich zuständig.

Ja, in der Tat!

Der ursprüngliche Streitwert liegt nicht über der €5.000-Grenze des § 23 Nr. 1 GVG. Auch eine anderweitige Zuweisung zu den Landgerichten gemäß § 71 Abs. 2 GVG ist nicht ersichtlich.
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2. Für eine Klage auf Zahlung von € 8.000 sind die Amtsgerichte grundsätzlich sachlich zuständig.

Nein!

Die € 8.000 liegen über der € 5.000-Grenze der §§ 71 Abs. 1, 23 Nr. 1 GVG.

3. Für die Berechnung des Zuständigkeitsstreitwerts ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Klageeinreichung maßgeblich (§ 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO).

Genau, so ist das!

Wird die Klage erweitert (§ 264 Nr. 2 ZPO), sodass der Streitwert € 5.000 übersteigt, wird das Landgericht grundsätzlich trotzdem nicht zuständig. Das ergibt sich aus § 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO. Das bei Klageerhebung sachlich zuständige Gericht behält nach § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO seine Zuständigkeit. Man spricht von einer sog. perpetuatio fori (lat. Fortbestehen des Gerichtsstands).

4. Das Amtsgericht erklärt sich auf Antrag für unzuständig (§ 506 Abs. 1 ZPO).

Ja, in der Tat!

Sofern eine Partei vor weiterer Verhandlung zur Hauptsache einen entsprechenden Antrag stellt, muss sich das Gericht für unzuständig erklären und das Verfahren an das Landgericht verweisen. Dies soll verhindern, dass sich der Kläger die Verhandlung vor dem Amtsgericht „erschleicht“. Die Verweisung geschieht durch Beschluss (§ 506 Abs. 1 ZPO). Das Amtsgericht wird durch rügelose Einlassung (§ 39 S. 1 ZPO) zuständig, wenn es im Vorhinein gemäß § 504 ZPO auf seine Unzuständigkeit hingewiesen hat. Stellen dann weder K noch B diesen Antrag, läuft der Prozess vor dem Amtsgericht. § 506 ZPO stellt insofern eine Ausnahme vom Grundsatz der perpetuatio fori dar.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

FL

Flohm

17.10.2023, 18:34:27

Kann mir jemand bitte den vorletzten Satz der letzten Antwort erklären? Also: Das Amtsgericht wird durch

rügelose Einlassung

zuständig, wenn es im Vorhinein gem. §504 ZPO auf seine Unzuständigkeit hingewiesen hat.

KO

Konstantin

18.10.2023, 20:44:10

Genau so ist es. Gemäß §504 ZPO muss das Gericht darauf hinweisen, dass durch die

Klageerweiterung

sachlich unzuständig ist. Kommt daraufhin kein erwähnter Antrag einer der beiden Parteien, ist die Zuständigkeit des AG durch

rügelose Einlassung

gegeben. Beider Partein „wollen“ also weiter vor dem AG verhandeln. Aus meiner Erfahrung eher ein „schickes“ Klausurproblem.

JEN

Jenny

24.12.2023, 16:39:36

liegt begrifflich "Zuständigkeit" des AG bereits aufgrund §§ 4, 261 III 2 ZPO vor oder erst nachdem die Belehrung und die

rügelose Einlassung

erfolgt ist?

JURA

juravulpes

28.3.2024, 23:10:17

Das AG wird erst durch

rügelose Einlassung

zuständig, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO findet entgegen der hier unrichtigen Darstellung keine Anwendung im Fall der

Klageerweiterung

.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

4.4.2025, 13:15:37

Hallo @[Jenny](227126), das ist umstritten. Nach BeckOK ZPO/Toussaint, 55. Ed. 1.12.2024, ZPO § 506 Rn. 9.1 beispielsweise soll die Zuständigkeit grundsätzlich nach §§ 4, 261 Abs. 3 S. 2 ZPO bei den Amtsgerichten verbleiben und erst durch den

Beschluss

nach § 506 ZPO den Landgerichten zufallen. Das überzeugt mich jedoch nicht, da dann ein Verstoß gegen die Hinweispflicht nach § 504 ZPO folgenlos bliebe. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass die Zuständigkeit des AG nicht nach §§ 4, 261 Abs. 3 S. 2 ZPO fortbesteht, da § 506 ZPO von diesen Vorschriften eine Ausnahme macht. Daher wird die Zuständigkeit erst wieder durch die

rügelose Einlassung

nach Belehrung hergestellt, §§ 39, 504 ZPO. Die Aussage von @[juravulpes](240712) ist dagegen nicht richtig begründet. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO findet grundsätzlich auch auf die

Klageerweiterung

Anwendung, solange diese sich im Rahmen des §

264 ZPO

bewegt. Vergleiche dazu BGH, Urteil vom 26. 4. 2001 - IX ZR 53/00, II.1.c. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

LAL

lal

24.7.2024, 10:13:10

Was ist die Konsequenz, wenn das Gericht den Hinweis nach § 504 ZPO nicht erteilt und die Parteien daraufhin rügelos verhandeln?

TI

Timurso

24.7.2024, 11:15:37

Das steht in § 39 S. 2 ZPO. Dann begründet die

rügelose Einlassung

nicht die örtliche Zuständigkeit.

ELEE

Elee

30.7.2024, 00:47:32

Durch

rügelose Einlassung

kann auch die sachliche (nach umstr. A. auch die internationale) Zuständigkeit begründet werden, wie sich bereits aus § 504 ZPO ergibt. Die Aufgabe betraf die sachliche Zuständigkeit.

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

4.4.2025, 12:57:19

Hallo @[Elee](134555), danke für deinen wichtigen Hinweis. In der Tat geht es hier um die sachliche Zuständigkeit, die ebenfalls nach § 39 begründet werden kann. Die richtige Antwort ist somit, dass ohne den Hinweis die

rügelose Einlassung

nach § 39 S. 2 ZPO nicht die sachliche Zuständigkeit begründet. Infolgedessen wäre das Urteil mit Rechtsmitteln angreifbar. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team

FL

Florian

30.9.2024, 21:16:07

Nach BGH (so auch im Thomas/Putzo in der Kommentierung zu §261 ZPO) gilt die

perpetuatio Fori

nicht für

Klageerweiterung

. Bitte entsprechend anpassen, das wird auch in den folgenden Aufgaben hier falsch dargestellt. Das Ergebnis ändert sich aber wegen §4 ZPO natürlich nicht.

vulpes iuris

vulpes iuris

5.12.2024, 03:27:31

Kann das Team sich diesbezüglich äußern?

ODI

Odin

3.3.2025, 11:59:52

Push.

FL

Florian

4.4.2025, 02:10:25

Push:) @[Tim Gottschalk](287974)

Tim Gottschalk

Tim Gottschalk

4.4.2025, 12:52:08

Hallo @[Florian](48917) und @[vulpes iuris](261497), was du sagst, gilt nur, wenn ein neuer Streitgegenstand zur Entscheidung gestellt wird. Das ist nicht der Fall, wenn eine

Klageerweiterung

nach § 264 Nr. 2 ZPO vorliegt. Der BGH schreibt hierzu: "Stellt der Kläger einen neuen Streitgegenstand zur Prüfung, ist das angerufene Gericht befugt, seine Zuständigkeit für dieses Begehren zu prüfen. Als Änderung der Klage ist es indessen nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes statt des ursprünglich geforderten Gegenstands wegen einer nachträglich eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird (§ 264 Nr. 3 ZPO).", - BGH, Urteil vom 26. 4. 2001 - IX ZR 53/00, II.1.c. Gleiches muss insofern auch für die anderen Nummern des §

264 ZPO

gelten. Eine Ausnahme von der

perpetuatio fori

würde daher nur vorliegen, wenn die

Klageerweiterung

kein Fall des §

264 ZPO

ist, also beispielsweise, wenn die Klage um eine völlig vom bisherigen Sachverhalt unabhängige Forderung erweitert wird. Jedenfalls diese Aufgabe hier ist daher richtig gelöst. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team


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