Zivilrecht
Zivilprozessrecht
Gerichtszuständigkeit
Zuständigkeit bei Klageerweiterung – Zeitpunkt der Klageeinreichung nach § 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO
Zuständigkeit bei Klageerweiterung – Zeitpunkt der Klageeinreichung nach § 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO
4. Juli 2025
18 Kommentare
4,8 ★ (35.119 mal geöffnet in Jurafuchs)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
K verklagt B vor dem Amtsgericht auf Zahlung von Schadenersatz in Höhe von € 1.500. Kurz darauf erfährt K, dass der Schaden viel größer ist. Er erweitert die Klage auf € 8.000.
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Einordnung des Falls
Zuständigkeit bei Klageerweiterung – Zeitpunkt der Klageeinreichung nach § 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Für die ursprüngliche Klage auf Zahlung von € 1.500 war das Amtsgericht sachlich zuständig.
Ja, in der Tat!
2. Für eine Klage auf Zahlung von € 8.000 sind die Amtsgerichte grundsätzlich sachlich zuständig.
Nein!
3. Für die Berechnung des Zuständigkeitsstreitwerts ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Klageeinreichung maßgeblich (§ 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO).
Genau, so ist das!
4. Das Amtsgericht erklärt sich auf Antrag für unzuständig (§ 506 Abs. 1 ZPO).
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Flohm
17.10.2023, 18:34:27
Kann mir jemand bitte den vorletzten Satz der letzten Antwort erklären? Also: Das Amtsgericht wird durch rügelose Einlassung zuständig, wenn es im Vorhinein gem. §
504 ZPOauf seine Unzuständigkeit hingewiesen hat.
Konstantin
18.10.2023, 20:44:10
Genau so ist es. Gemäß §
504 ZPOmuss das Gericht darauf hinweisen, dass durch die
Klageerweiterungsachlich unzuständig ist. Kommt daraufhin kein erwähnter Antrag einer der beiden Parteien, ist die Zuständigkeit des AG durch rügelose Einlassung gegeben. Beider Partein „wollen“ also weiter vor dem AG verhandeln. Aus meiner Erfahrung eher ein „schickes“ Klausurproblem.
Jenny
24.12.2023, 16:39:36
liegt begrifflich "Zuständigkeit" des AG bereits aufgrund §§ 4, 261 III 2 ZPO vor oder erst nachdem die Belehrung und die rügelose Einlassung erfolgt ist?
juravulpes
28.3.2024, 23:10:17
Das AG wird erst durch rügelose Einlassung zuständig, § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO findet entgegen der hier unrichtigen Darstellung keine Anwendung im Fall der
Klageerweiterung.

Tim Gottschalk
4.4.2025, 13:15:37
Hallo @[Jenny](227126), das ist umstritten. Nach BeckOK ZPO/Toussaint, 55. Ed. 1.12.2024, ZPO § 506 Rn. 9.1 beispielsweise soll die Zuständigkeit grundsätzlich nach §§ 4, 261 Abs. 3 S. 2 ZPO bei den Amtsgerichten verbleiben und erst durch den Beschluss nach
§ 506 ZPOden Landgerichten zufallen. Das überzeugt mich jedoch nicht, da dann ein Verstoß gegen die Hinweispflicht nach §
504 ZPOfolgenlos bliebe. Die herrschende Meinung geht davon aus, dass die Zuständigkeit des AG nicht nach §§ 4, 261 Abs. 3 S. 2 ZPO fortbesteht, da
§ 506 ZPOvon diesen Vorschriften eine Ausnahme macht. Daher wird die Zuständigkeit erst wieder durch die rügelose Einlassung nach Belehrung hergestellt, §§ 39,
504 ZPO. Die Aussage von @[juravulpes](240712) ist dagegen nicht richtig begründet. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO findet grundsätzlich auch auf die
KlageerweiterungAnwendung, solange diese sich im Rahmen des §
264 ZPObewegt. Vergleiche dazu BGH, Urteil vom 26. 4. 2001 - IX ZR 53/00, II.1.c. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
lal
24.7.2024, 10:13:10
Was ist die Konsequenz, wenn das Gericht den Hinweis nach §
504 ZPOnicht erteilt und die Parteien daraufhin rügelos verhandeln?
Timurso
24.7.2024, 11:15:37
Das steht in § 39 S. 2 ZPO. Dann begründet die rügelose Einlassung nicht die örtliche Zuständigkeit.
Elee
30.7.2024, 00:47:32
Durch rügelose Einlassung kann auch die sachliche (nach umstr. A. auch die internationale) Zuständigkeit begründet werden, wie sich bereits aus §
504 ZPOergibt. Die Aufgabe betraf die sachliche Zuständigkeit.

Tim Gottschalk
4.4.2025, 12:57:19
Hallo @[Elee](134555), danke für deinen wichtigen Hinweis. In der Tat geht es hier um die sachliche Zuständigkeit, die ebenfalls nach § 39 begründet werden kann. Die richtige Antwort ist somit, dass ohne den Hinweis die rügelose Einlassung nach § 39 S. 2 ZPO nicht die sachliche Zuständigkeit begründet. Infolgedessen wäre das Urteil mit Rechtsmitteln angreifbar. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
sparfüchsin
28.6.2025, 19:53:02
Ich bin verwirrt: Also AG bleibt nach
Klageerweiterungwegen
perpetuatio forizuständig. Es muss aber gem. 504 auf seine Unzuständigkeit hinweisen (ich dachte es sei wegen
perpetuatio forizuständig?) Wenn keine Parte einen Verweisungsantrag stellt, wird das Gericht nach §39 ZPO wegen rügeloser Einlassung zuständig. Wenn eine Partei Verweisungsantrag stellt, wird verwiesen. Wenn das Gericht die Belehrung nach § 504 unterlässt und die Parteien weiter verhandeln, bleibt das Gericht unzuständigen die Entscheidung könnte wegen Unzuständigkeit angegriffen werden. Habe ich das richtig wiedergegeben?

Tim Gottschalk
30.6.2025, 08:34:48
Hallo @[sparfüchsin](295598), diese Konstellation stellt gerade eine Ausnahme von der
perpetuatio foridar. Daher bleibt das Amtsgericht (nach h.M.) nicht zuständig. Ansonsten hast du es richtig wiedergegeben. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team
Florian
30.9.2024, 21:16:07
Nach BGH (so auch im Thomas/Putzo in der Kommentierung zu §
261 ZPO) gilt die
perpetuatio Forinicht für
Klageerweiterung. Bitte entsprechend anpassen, das wird auch in den folgenden Aufgaben hier falsch dargestellt. Das Ergebnis ändert sich aber wegen §4 ZPO natürlich nicht.

vulpes iuris
5.12.2024, 03:27:31
Kann das Team sich diesbezüglich äußern?
Odin
3.3.2025, 11:59:52
Push.
Florian
4.4.2025, 02:10:25
Push:) @[Tim Gottschalk](287974)

Tim Gottschalk
4.4.2025, 12:52:08
Hallo @[Florian](48917) und @[vulpes iuris](261497), was du sagst, gilt nur, wenn ein neuer Streitgegenstand zur Entscheidung gestellt wird. Das ist nicht der Fall, wenn eine
Klageerweiterungnach § 264 Nr. 2 ZPO vorliegt. Der BGH schreibt hierzu: "Stellt der Kläger einen neuen Streitgegenstand zur Prüfung, ist das angerufene Gericht befugt, seine Zuständigkeit für dieses Begehren zu prüfen. Als Änderung der Klage ist es indessen nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes statt des ursprünglich geforderten Gegenstands wegen einer nachträglich eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird (§ 264 Nr. 3 ZPO).", - BGH, Urteil vom 26. 4. 2001 - IX ZR 53/00, II.1.c. Gleiches muss insofern auch für die anderen Nummern des §
264 ZPOgelten. Eine Ausnahme von der
perpetuatio foriwürde daher nur vorliegen, wenn die
Klageerweiterungkein Fall des §
264 ZPOist, also beispielsweise, wenn die Klage um eine völlig vom bisherigen Sachverhalt unabhängige Forderung erweitert wird. Jedenfalls diese Aufgabe hier ist daher richtig gelöst. Liebe Grüße Tim - für das Jurafuchs-Team