Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Rechtfertigungsgründe
Gegenwärtigkeit eines Angriffs nach § 32 Abs. 2 StGB (unmittelbar bevorstehend)
Gegenwärtigkeit eines Angriffs nach § 32 Abs. 2 StGB (unmittelbar bevorstehend)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Auf einer Party behauptet A, dass B sein Handy gestohlen habe. B wendet sich genervt ab. Daraufhin packt A den B an der Schulter und kündigt an, ihn zu durchsuchen. Zur Verteidigung sticht B den A mit einem Küchenmesser nieder.
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Einordnung des Falls
Gegenwärtigkeit eines Angriffs nach § 32 Abs. 2 StGB (unmittelbar bevorstehend)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. B hat den Tatbestand der gefährlichen Körperverletzung nach §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB erfüllt.
Ja!
Jurastudium und Referendariat.
2. Eine Durchsuchung des B durch den A wäre ein "Angriff" (§ 32 Abs. 2 StGB).
Genau, so ist das!
3. Der Angriff des A ist "gegenwärtig" (§ 32 Abs. 2 StGB).
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jenny Uni HH
23.4.2020, 20:31:58
Insgesant ist das Konzept sehr schwer verdaulich. Diese Zerlegung ohne die Möglichkeit weiter zu prüfen verwirrt und hindert am erinnern und lernen der typischen Fälle
Christian Leupold-Wendling
2.5.2020, 09:38:17
Hi Jenny, Danke für Dein Feedback! Wir haben uns das überlegt und intern diskutiert. Wir werden hier bei den Rechtfertigungsgründen von unserem Konzept der extremen Atomisierung (Zerlegung größerer Fälle in verdauliche kleine Aspekte) abweichen und die Fälle zu Ende prüfen. Dein Argument überzeugt uns - hier gibt es tatsächlich einige „typische“ Fälle, die man erwartet und auch bekommen soll. Es wird noch ein wenig dauern, aber es wird kommen. Danke nochmal für Deinen Input dazu! - Christian, für das Jurafuchs-Team
Jose
10.8.2021, 19:50:01
Ich finde das eigentlich gut so, weil es dazu anhält, an jedem einzelnen Prüfungspunkt inne zu halten und sich genau zu überlegen, ob das gefragte Tatbestandsmerkmal erfüllt ist.
Pilea
10.2.2023, 08:00:17
Wie würde man damit umgehen, dass A dachte, er dürfte B durchsuchen? Ist das ein Irrtum? Vllt könnte man eine Rubrik "Weitere, hier nicht abgefragte Probleme" erstellen, damit man selbst weiterrecherchieren kann, wenn man den Fall zuende denken möchte.
Lukas_Mengestu
10.2.2023, 16:05:05
Hallo Pilea, super Nachfrage! Eine Notwehrlage setzt nicht nur einen gegenwärtigen, sondern auch einen "rechtswidrigen" Angriff voraus (§ 32 Abs. 1 StGB). Wenn B tatsächlich A das Handy weggenommen hätte, so hätte B ein Recht gehabt, sich das Handy von A wiederzuholen (§ 32 StGB, § 859 Abs. 1, 2 BGB). Es würde dann bereits an einem "rechtswidrigen" Angriff durch A fehlen, mithin also an einer Notwehrlage des B. Da sich A allerdings die rechtfertigenden Umstände nur vorstellt, unterliegt er einem Erlaubnistatbestandsirrtum (kurz ETBI). Folgt man der rechtsfolgenverweisenden Schuldtheorie, so bleibt hierdurch die Rechtswidrigkeit seines Handelns unberührt (mehr dazu in unserem Kapitel zum ETBI). Die Bestrafung aus der Vorsatztat scheitert lediglich auf Ebene der Schuld, da es an der "Vorsatzschuld" fehlt. Damit darf der Angegriffene (hier also B) sich auch gegenüber demjenigen auf Notwehr berufen, der einem ETBI unterliegt. Sofern die Verteidigungshandlung hier also erforderlich und geboten war (hierzu bedürfte es noch mehr Sachverhaltsangaben), handelte B gerechtfertigt. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Juraluchs
31.3.2023, 17:35:16
Hey, ich finde "Eingriff" terminologisch und generell die Bezugnahme auf Grundrechtspositionen im Verhältnis Bürger-Bürger nicht so stimmig. LG
Lukas_Mengestu
4.4.2023, 13:51:49
Hallo Juraluchs, vielen Dank für Deinen Hinweis. In der Tat sind Grundrechtspositionen in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat, sodass eine generelle unmittelbare Wirkung im Verhältnis Bürger-Bürger ausgeschlossen ist. Im Hinblick auf das
APRist insoweit allerdings anerkannt, dass es sich hierbei auch im Zivilrechtsverkehr ("
Sonstiges Recht" iSv § 823 Abs. 1 BGB) und im Strafrecht um eine geschützte Rechtsposition handelt. Wir haben Eingriff hier dennoch zur besseren Unterscheidung durch "Beeinträchtigung" ersetzt :-) Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team