BGH: Vergleich und Veräußerung streitbefangener Sache – subjektive Rechtskraftwirkung


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+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

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A und X sind Nachbarn. X erhebt Klage gegen A wegen der Blendwirkung der Photovoltaikanlage des A. Danach übereignet A das Grundstück an die D. Der Rechtsstreit endete durch Vergleich zwischen X und A, in dem A sich zur Entfernung der Anlage verpflichtet. Dem kommt er jedoch nicht nach. X ist deshalb zur Ersatzvornahme (§ 887 ZPO) ermächtigt.

Einordnung des Falls

BGH: Vergleich und Veräußerung streitbefangener Sache – subjektive Rechtskraftwirkung

Dieser Fall lief bereits im 1./2. Juristischen Staatsexamen in folgenden Kampagnen
Examenstreffer Sachsen 2022

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 6 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Gegen die Ersatzvornahme durch X ist die Drittwiderspruchsklage der D statthaft.

Genau, so ist das!

Die Drittwiderspruchsklage ist in § 771 ZPO normiert. Dieser Rechtsbehelf gewährt einer außerhalb des ursprünglichen Rechtsstreits stehenden Person eine prozessuale Möglichkeit, die Zwangsvollstreckung in die ihr zustehende Rechte abzuwehren. Sofern sich D auf ihr Eigentumsrecht am Grundstück beruft, ist die Drittwiderspruchsklage statthaft. Beachte: Gegenstand der Zwangsvollstreckung ist vorliegend nicht die Photovoltaikanlage, sondern das Eigentum am Grundstück. Denn Gegenstand des gerichtlichen Ausgangsverfahrens waren grundstücksbezogene Ansprüche gemäß §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 906 BGB. Gegenstand der Zwangsvollstreckung nach § 887 ZPO war daher das emittierende Grundstück, nicht die Photovoltaikanlage selbst!

2. D ist nur Dritte im Sinne des § 771 Abs. 1 ZPO, wenn sie nicht Rechtsnachfolgerin des A war und den Vergleich nicht gegen sich gelten lassen muss.

Ja, in der Tat!

Zweck des § 771 ZPO ist es, Außenstehenden eine Möglichkeit zur Verteidigung ihrer Rechte zu eröffnen. Dieser Zweck wird aber nur dann erfüllt, wenn D tatsächlich außerhalb des (Prozess-)Rechtsverhältnisses zwischen A und X stand. War sie hingegen Rechtsnachfolgerin und muss den Vergleich gegen sich gelten lassen, dann ist sie – bildlich gesprochen – an Stelle des A getreten. Dann muss sie die Zwangsvollstreckung dulden, weil sie nun nicht außenstehende Dritte, sondern quasi selbst Partei ist.

3. Bei einem streitigen Ausgang des Prozesses hätte D das Urteil, das zwischen A und X ergangen wäre, gegen sich gelten lassen müssen.

Ja!

Die Rechtskrafterstreckung im Fall der Veräußerung der streitbefangenen Sache wird in § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO geregelt. Nach § 265 Abs. 1 ZPO kann A trotz des schwebenden Prozesses über das Grundstück verfügen. Folge ist gemäß § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO, dass der Prozess ungehindert fortzuführen ist. Es handelt sich insofern um den Fall einer gesetzlichen Prozessstandschaft. Der ursprüngliche Rechtsinhaber prozessiert also im eigenen Namen über ein fremdes Recht und muss deswegen bei Leistungsklage den Antrag auf Leistung an den Rechtsnachfolger umstellen, „Relevanztheorie“, weil die Klage sonst unbegründet ist. Aus § 325 Abs. 1 ZPO ergibt sich, dass das Urteil für die Parteien und deren Rechtsnachfolger nach Rechtshängigkeit in Rechtskraft erwächst. Allerdings besteht eine Ausnahme nach § 325 Abs. 2 ZPO für den gutgläubigen Erwerb nach BGB.

4. Auch einen Prozessvergleich muss ein Rechtsnachfolger gegen sich gelten lassen.

Genau, so ist das!

BGH: Aus § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO ergebe sich, dass ein zwischen dem Rechtsvorgänger und dem Prozessgegner geschlossener Prozessvergleich den Rechtsnachfolger binde, wenn der Inhalt des Vergleichs auch Ergebnis eines Urteils in dem anhängigen Prozess sein könnte. Dem Wortlaut lasse sich nichts Anderweitiges entnehmen. Gegen eine (ungeschriebene) Einschränkung spreche, dass der Rechtsnachfolger eine ihm nicht genehme Prozessführung des Veräußerers nicht hindern können solle. Das Zivilprozessrecht weise dem Erwerber bewusst eine untergeordnete Rolle zu. Überdies wäre andernfalls der Prozessgegner unbillig benachteiligt, weil er dann einen neuen Prozess führen müsste, auch wenn ihm die Rechtsnachfolge unbekannt sei (BGH, RdNr. 22ff.).

5. Im Zwangsvollstreckungsverfahren kann der Prozessgegner (X) gemäß §§ 795, 727 ZPO eine vollstreckbare Ausfertigung gegen den Rechtsnachfolger (D) verlangen.

Ja, in der Tat!

BGH: Wegen der in § 795 ZPO (für den Vergleich) angeordneten Anwendung von § 727 ZPO komme es auf den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Anspruchs an. Wirke der gerichtliche Vergleich als Vollstreckungstitel, müsse er mit den Mitteln des Zwangsvollstreckungsrechts durch die Erteilung der Rechtsnachfolgeklausel durchsetzbar sein. Habe der gerichtliche Vergleich dagegen Ansprüche zum Gegenstand, die zuvor nicht rechtshängig gewesen seien, könne eine vollstreckbare Ausfertigung nur erteilt werden, wenn die Rechtsnachfolge nach Abschluss des gerichtlichen Vergleichs eingetreten sei (BGH, RdNr. 30).

6. Die Drittwiderspruchsklage der D ist abzuweisen.

Ja!

D ist Rechtsnachfolgerin des A. Weil der Inhalt des Vergleichs auch Gegenstand eines Urteils hätte sein können, muss D den Inhalt des Vergleichs gegen sich gelten lassen, weil sie vom Berechtigten erworben hat und § 325 Abs. 2 ZPO daher nicht anwendbar ist. Folglich ist sie gedanklich „an Stelle“ des A aus dem ursprünglichen Prozessverhältnis getreten.

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