Unbeendeter Versuch bei außertatbestandlicher Zielerreichung - Literatur Mindermeinung


mittel

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Klassisches Klausurproblem

T möchte O einen Denkzettel erteilen. Daher rammt er diesem ein Messer in den Magen, wobei es ihm egal ist, ob dieser stirbt. Als er die Klinge wieder herauszieht, geht T davon aus, dass O nicht sterben wird. Ohne ärztliche Behandlung wäre O verstorben. (2/2)

Einordnung des Falls

Unbeendeter Versuch bei außertatbestandlicher Zielerreichung - Literatur Mindermeinung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 3 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der Versuch ist nach h.M. fehlgeschlagen.

Nein, das ist nicht der Fall!

Ein Versuch gilt dann als fehlgeschlagen, wenn der Täter glaubt, dass er den Erfolg nicht mehr herbeiführen kann, ohne eine völlig neue Kausalkette in Gang zu setzen. T weiß, dass er einfach weiter auf O einstechen könnte und den Erfolg so herbeiführen kann. Der Versuch ist daher nicht fehlgeschlagen.

2. Es liegt nach der Mindermeinung ein unbeendeter Versuch vor.

Nein, das trifft nicht zu!

Ein Versuch gilt dann als unbeendet, wenn der Täter sicher annimmt, dass es weiterer Handlungen bedarf, um den tatbestandlichen Erfolg herbeizuführen. Dabei reicht es aus, dass er den Erfolgseintritt für möglich hält. T geht fest davon aus, dass O durch den Stich nicht sterben wird. Nach der Ansicht eines Teils der Literatur liegt jedoch ein beendeter Versuch vor, da T die Tat wie gewollt ausgeführt hat und der geplante Erfolg, der Denkzettel, bereits eingetreten ist.

3. Für die Ansicht spricht, dass sich der Täter in diesem Fall nicht wieder der Rechtsordnung zugewandt hat.

Ja!

Nach dieser Ansicht tritt bei dem Täter gerade kein Gesinnungswechsel ein, der zu honorieren wäre. Vielmehr bleibt der Täter bei dem, was er ursprünglich geplant hatte („außertatbestandliche Zielerreichung“). Dem Täter kann daher nicht zu Gute gehalten werden, „dass er etwas unterlässt, was er nie gewollt hat“. Ein Rücktritt, also eine Abkehr vom versuchten Unrecht, liegt zu keinem Zeitpunkt vor. Kritisiert wird auch das Argument das Opferschutzes, da der Täter keine juristischen Kenntnisse hat, oder zumindest während der Tat keine rechtlichen Erwägungen anstellt.

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WI

WillezurGerechtigkeit

7.5.2021, 02:14:44

Bzgl der Kritik der mM: ich finde, dass man insbesondere im Rücktrittsrecht merkt, wie absurd die Vorstellung eines vernünftigen, von strafrechtlicher ratio beseelten Straftäters ist. Meiner Meinung nach ein rein theoretisches, aber kriminologisch kaum haltbares Argument.

ENU

ehemalige:r Nutzer:in

5.12.2021, 02:33:32

Evtl. Kann man hier allerdings überlegen, ob sich der Täter in so einer Situation nicht doch denkt, dass es ihm vielleicht hilft zurückzutreten. Die Alternative wäre ja nur, dass er sowieso wegen Mord bestraft wird und dementsprechend am besten Zeugen beseitigt. Hier kann man schon überlegen, ob sich er Laie einen solchen Gedanken vorstellt. Krimimologisch wäre es ja interessant, wie sich eine andere Rechtslage auswirken würde. Aber da wäre es wahrscheinlich relevanter, was der Laie denkt, wie sich die Erfolgsverhinderung auswirkt.

SN

Sniter

21.2.2023, 16:13:41

Gibt es nicht auch eine Meinung, die die

Denkzettelfälle

als fehlgeschlagenen Versuch verbucht?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

21.2.2023, 17:30:36

Hallo Sniter, danke für deine Frage. Diese Meinung vertritt die

Einzelaktstheorie

- da nach dieser auf jede Handlung abzustellen ist, ist mit dem Stich, der nicht zum Tode geführt hat der Versuch fehlgeschlagen. Für die Vertreter der

Einzelaktstheorie

stellt sich die Frage nach der Rücktrittsmöglichkeit bei außertatbestandlicher Zielerreichung (so auch die

Denkzettelfälle

) gar nicht, weil nach ihrer Ansicht bereits nach dem Einsatz des ersten Tatmittels ein

fehlgeschlagener Versuch

vorliegt. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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