Zivilrechtliche Nebengebiete
Handelsrecht
Allgemeine Regeln für Handelsgeschäfte (§§ 343-372 HGB)
Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht als Recht zum Besitz (§ 986 BGB, § 369 Abs. 2 HGB)
Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht als Recht zum Besitz (§ 986 BGB, § 369 Abs. 2 HGB)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Die Galerie Eigenart GmbH hält wegen einer fälligen Forderung ein in ihrem Besitz befindliches Gemälde der gewerblichen Kunstsammlerin K nach § 369 HGB zurück. K benötigt dringend Geld und veräußert das Gemälde unter Abtretung des Herausgabeanspruchs an X (§ 931 BGB). X verlangt von der Galerie Eigenart GmbH Herausgabe.
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Einordnung des Falls
Das kaufmännische Zurückbehaltungsrecht als Recht zum Besitz (§ 986 BGB, § 369 Abs. 2 HGB)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. X könnte gegen die Galerie Eigenart GmbH einen Anspruch auf Herausgabe des Gemäldes aus § 985 BGB haben.
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. X ist Eigentümer des Gemäldes geworden (§ 931 BGB).
Ja, in der Tat!
3. Die Galerie Eigenart GmbH ist Besitzerin des Gemäldes (§ 985 BGB).
Ja!
4. Die Galerie Eigenart GmbH hat ein Recht zum Besitz (§ 986 BGB), welches dem Anspruch aus § 985 BGB entgegensteht.
Genau, so ist das!
5. X kann von der Galerie Eigenart GmbH die Herausgabe des Gemäldes verlangen (§ 985 BGB).
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
Fundstellen
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Jenn_
23.9.2022, 12:51:46
Ich hätte eine kurze Verständnisfrage: Wieso kann hier der Anspruch aus § 985 abgetreten werden? Dieser ist ja nicht selbstständig abtretbar, da er untrennbar mit dem Eigentum verbunden ist. Aber hier scheint er ja wirksam abgetreten worden zu sein. Was verstehe ich hier nicht? Vielen Dank schonmal! :)
Juraluchs
5.10.2022, 17:57:13
Genau, einen Anspruch aus § 985 kann man nicht abtreten. Welcher Anspruch hier genau abgetreten wurde ist scheinbar offengelassen worden. Allerdings wird es wohl einen schuldrechtlichen Anspruch aus dem zugrundeliegenden Überlassungsvertrag gegeben haben und falls nicht kann i.R.d. § 931 auch die bloße Einigung genügen.
Lukas_Mengestu
17.11.2022, 17:39:57
Hallo ihr beiden, vielen Dank für eure Anmerkungen. Wie Juraluchs schon ganz richtig erläutert hat, geht es hier nicht um die Abtretung des Vindikationsanspruches, da dieser nicht selbstständig abtretbar ist. Durch die Überlassung des Besitzes an dem Gemälde sind die Galerie und die Sammlerin aber schuldrechtlich verbunden (offen gelassen ist, ob der Überlassung eine
Leiheoder ein Mietverhältnis zugrunde liegt). Aus dem jeweiligen Überlassungsvertrag resultiert wiederum ein Herausgabeanspruch (zB § 604 Abs. 1 BGB oder §
546 BGB). Dieser kann abgetreten werden und damit eine Eigentumsübertragung nach § 929 S. 1, 9
31 BGBbewirkt werden. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Showstehler
3.7.2023, 20:35:43
Die wohl h.M. lässt aber auch einen Eigentumsübergang gem. § 9
31 BGBdurch bloße Einigung genügen, wenn dem Veräußerer außer dem Vindikationsanspruch aus §
985 BGBkein anderer Herausgabeanspruch zusteht. (Auch wenn ein solcher allerdings eig. immer durch §§ 812, 823 BGB bestehen sollte.) In diesem Sinne: Als Ergebnis ist deshalb festzuhalten, dass die schlichte Einigung zur Eigentumsübertragung ausreicht, wenn außer dem Vindikationsanspruch kein anderer Herausgabeanspruch besteht. (Staudinger/C Heinze (2020) BGB § 931, Rn. 16)
Jacob
11.2.2023, 15:47:03
Ist § 986 BGB nach h.M. nicht eine Einrede, denn Paragraph enthält das Wort „kann“?
Lukas_Mengestu
13.2.2023, 11:59:43
Hallo Jacob, trotz des entgegenstehenden Wortlauts entspricht es heute der ganz hM, dass es sich hierbei um eine Einwendung handelt (zB BGH NJW 1999, 3716, 3717). Begründet wird dies u.a. mit der Ähnlichkeit des § 986 BGB gegenüber § 1004 Abs. 2 BGB (systematisches Argument), der eindeutig als Einwendung formuliert ist. Zudem wird angeführt, dass es unbillig sei, den Beklagten zur Herausgabe zu verurteilen, wenn sich schon aus dem Klägervortrag ergebe, dass ein
Besitzrechtbestehe (MüKoBGB/Baldus, 9. Aufl. 2023, BGB § 986 RdNr. 94). Würde man § 986 BGB dagegen als Einrede qualifizieren, käme eine Klageabweisung nur in Betracht, wenn der Beklagte sein
Besitzrechtauch geltend machen würde. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
GO
17.1.2024, 10:46:26
Ich verstehe nicht so ganz, warum man bei
§ 369 HGBein Recht zum Besitz annimmt. Soweit ich das richtig in Erinnerung habe, stellt das doch gerade kein Recht zum Besitz dar, da es nach §274 BGB zu einer "Zug um Zug" Verurteilung kommt.
Ziromak
11.2.2024, 12:04:48
Nach Literatur entsteht durch ein Zurückbehaltungsrecht kein Recht auf Besitz. Die Rechtsprechung hat allerdings die Auffassung, dass das Zurückbehaltungsrecht ein Recht zum Besitz iSv 986 BGB gibt. Nur ist hierbei die Ausnahme, dass eine Herausgabeklage nicht abzuweisen ist, sondern daraus eine Verurteilung Zug-um-Zug folgt (bspw. BGH NJW 2002, 1050)
GO
11.2.2024, 15:01:18
Du hast Recht, dass nach der Literatur eine andere Ansicht vertreten wird. Ich habe das im Fall leider nicht so ganz verstanden, da -soweit ich mich richtig daran erinnere- nur auf diese eine Ansicht gestützt wurde und das obwohl dies nicht die h.M. ist. Trotzdem vielen Dank für deine Antwort!
Sassun
1.8.2024, 15:22:21
Könnte vielleicht in der Fragestellung ergänzt werden, ob ein Zurückbehaltungsrecht nach Rspr. vorliegt? Meiner Ansicht und Erfahrung nach wird die Lit. Lösung, also Prüfungspunkt "IV. Zurückbehaltungsrecht" nach III. § 986 I / II, in Examensklausuren häufiger vertreten.