Öffentliches Recht
Verwaltungsrecht AT
Ermessen und Verhältnismäßigkeit
Ermessensfehlgebrauch (Fall 3: Ermessensmissbrauch)
Ermessensfehlgebrauch (Fall 3: Ermessensmissbrauch)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Raufbold R tritt gegen Bänke in der Innenstadt der nordrhein-westfälischen Gemeinde N. Nachdem R dem Platzverweis von Polizistin P auch nach mehrfacher Aufforderung nicht nachkommt, nimmt P den R, den sie sowieso nicht mag, formell rechtmäßig Gewahrsam, „um ihm eine Lehre zu erteilen“.
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Einordnung des Falls
Ermessensfehlgebrauch (Fall 3: Ermessensmissbrauch)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Die Rechtsgrundlage für die Ingewahrsamnahme findet sich im jeweils einschlägigen landesrechtlichen Polizei- und Ordnungsrecht.
Ja, in der Tat!
Jurastudium und Referendariat.
2. Der Tatbestand des § 35 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW ist erfüllt.
Ja!
3. § 35 Abs. 1 Nr. 3 PolG NRW sieht auf Rechtsfolgenseite eine gebundene Entscheidung der Behörde vor. P musste R in Gewahrsam nehmen.
Nein, das ist nicht der Fall!
4. Ps Beweggründe sind sachfremd. Sie handelte ermessensfehlerhaft. Die Ingewahrsamsnahme ist (materiell) rechtswidrig.
Ja, in der Tat!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
DeliktusMaximus
1.8.2022, 15:36:56
Es reicht demnach eine sachfremde Erwägung um eine ansonsten (wahrscheinlich) verhältnismäßige Maßnahme rechtswidrig werden zu lassen?
Nora Mommsen
3.8.2022, 11:53:52
Hallo DeliktusMaximus, sachfremde Erwägungen stellen einen
Ermessensfehlerdar. Die Maßnahme wird dadurch rechtswidrig. Genauso bei überschreiten der Ermessensgrenze - wenn z.B. statt des zulässigen Busgeldbescheids in Höhe von 25 € ein Bescheid über 30 € ergangen ist, auch wenn es "nur" um 5 € geht. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Sniter
28.8.2022, 12:07:51
Der P wird in der Lösung unterstellt, er würde sachfremde Erwägungen anstellen, wobei ich annehme, dass darauf abgestellt wird, dass der P den R nicht mag. Ich frage mich, ob die Tatsache, dass der R gegen Bänke tritt, nicht ausreicht, damit kein
Ermessensfehlervorliegt? Genügt es schon für die Annahme der Ermessensfehleinschätzung, wenn die
Behörde*auch* sich von sachfremden Erwägungen leiten lässt?
Nora Mommsen
8.9.2022, 15:32:13
Hallo Sniter, es ist grundsätzlich unerheblich, ob grundsätzlich ausreichende Gründe für die entsprechende Entscheidung vorliegen könnten. Hat sich der Amtsträger bei der Entscheidung (auch) von sachfremden Gründen leiten lassen, liegt ein
Ermessensfehlervor.
Ermessensfehlerhaftist was sachfremd ist. Dies unterscheidet sich je nach Gesetz, so sind z.B. im Straßen- und Wegerecht die Erwägungen andere als im Gewerberecht. Liegt ein
Ermessensfehlervor besteht schon aus diesem Grund im Fall der Anfechtungsklage ein Anspruch auf Aufhebung und im Fall der Verpflichtungsklage ein
Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidungvor (Bescheidungsurteil). Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
M0NAC0
3.12.2022, 11:53:40
Wäre praktisch Landesrechtliche Normen zu verlinken ✌🏻
Lukas_Mengestu
5.12.2022, 11:57:03
Danke Johnny, wir suchen derzeit noch nach einer automatisierten Lösung hierfür, da dejure.org die Landestexte leider nicht anbietet. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Lord Denning
11.9.2024, 11:23:36
Zweck der Ermessenseinräumung ist ja, das die
Behördedie effektive Gefahrenabwehr vor Ort betreiben kann. Da die Polizistin hier ja nur, weil sie den Störer nicht mag, handelt, könnte man doch über eine zusätzliche Zweckverfehlung nachdenken?
Linne_Karlotta_
13.9.2024, 16:09:59
Hallo @[Lord Denning](222886), danke für die Frage. Da es sich sowohl beim
Ermessensmissbrauch, als auch bei der Zweckverfehlung um eine Untergruppe des „Ermessensfehlgebrauchs“ handelt, ist eine trennscharfe Abgrenzung hier manchmal gar nicht so leicht bzw. auch nicht nötig. Bei der Intention, dem R „eins auszuwischen“ steht für mich der Willküraspekt etwas mehr im Vordergrund, weil P ja nicht einmal „versucht“ hat, eine zweckmäßige Ermessenserwägung zu treffen. Ich denke aber auch, dass man mit Deiner Argumentation auch gut eine Zweckverfehlung annehmen kann. In der Klausur sollte man sich nicht zu lange damit aufhalten, die konkrete Ausprägung des Ermessensfehlgebrauchs zu finden oder die Gruppen voneinander abzugrenzen. Es reicht hier aus, mit dem Verweis auf die sachfremden Erwägungen einen Ermessensfehlgebrauch anzunehmen, ohne diesen näher zu konkretisieren. Viele Grüße – Linne, für das Jurafuchs-Team