Zivilrecht
BGB Allgemeiner Teil
Anfechtung der Willenserklärung
Prognose als Tatsache? – Anfechtung wegen arglistiger Täuschung
Prognose als Tatsache? – Anfechtung wegen arglistiger Täuschung
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
V verkauft formwirksam eine Immobilie an K. Er beteuert, sie werde sich mit der Steuerersparnis und den Mieteinnahmen von selbst tragen. Tatsächlich übersteigen die Kosten der Immobilie die Steuereinsparungen und Mieteinnahmen deutlich, was V wusste.
Diesen Fall lösen 83,7 % der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.
Einordnung des Falls
Prognose als Tatsache? – Anfechtung wegen arglistiger Täuschung
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. K kann seine Willenserklärung, gerichtet auf den Abschluss des Kaufvertrags über die Immobilie, anfechten, wenn V ihn durch arglistige Täuschung zur Abgabe bestimmt hat (§ 123 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Jurastudium und Referendariat.
2. Prognosen stellen grundsätzlich keine Tatsachen dar.
Ja, in der Tat!
3. Bei der Aussage des V, dass sich die Immobilie mit der Steuerersparnis und den Mieteinnahmen von selbst tragen werde, handelt es sich um eine Tatsache.
Ja!
4. K kann seine Willenserklärung, gerichtet auf den Abschluss des Kaufvertrags über die Immobilie, anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB).
Genau, so ist das!
Fundstellen
Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!
Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Nickname
16.4.2022, 20:10:10
Ich dachte, die Zukunftsprognose ist keine Tatsache und mithin ist die WE auch nicht anfechtbar?
Lukas_Mengestu
20.4.2022, 18:14:34
Hallo Nickname, wenn es sich um eine bloße Zukunftsprognose gehandelt hätte, dann läge in der Tat keine Tatsache und damit auch keine
arglistige Täuschungüber eine Tatsache vor. Da die abgegebenen Prognosen indes einen Tatsachenkern enthielten, der überprüfbar war, liegt nicht bloß eine Zukunftsprognose vor. Aufgrund der Täuschung durch V kann K seine Willenserklärung deshalb anfechten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
MusterschüLAW
14.6.2024, 16:12:55
Hallo @[Lukas_Mengestu](136780), dh einen überprüfbaren Tatsachenkern habe ich nur nicht, wenn etwa Gefühle Teil der Aussage sind ("Mieter werden diese Immobilie lieben!")? Eine Zukunftsprognose darf damit praktisch keinen Bezug zur Realität haben - verstehe ich das richtig? Danke und Gruß an die anderen Füchse
hagenhubl
21.10.2024, 10:18:08
Außerdem hätte K misstrauisch werden müssen, denn wenn sich die Immobilie wirklich durch Steuerersparnis und Mieteinnahmen von selbst tragen würde, hätte V sie nicht verkauft. Sonst wäre er schön blöd.
B.H.
6.7.2022, 01:43:26
Wieso liegen hier Tatsachen vor ? Die Mieteinnahmen und Steuereinnahmen liegen in der Zukunft und können von nicht bestimmbaren Faktoren abhängen, wodurch der Nachweis dieser nicht möglich wäre. Oder reicht hier die Tatsache, dass sich die immobile stand jetzt mit den Berechnungen in Zukunft von selbst trägt ?
Nora Mommsen
20.7.2022, 15:07:06
Hallo b10, auch eine Zukunftsprognose kann eine Tatsache sein, wenn sie eine überprüfbaren Kern enthält. Ob sich die Kosten des Objekts durch Mieteinnahmen und Steuerersparnis tragen ist konkret zu berechnen und enthält daher einen überprüfbaren Kern. Daher handelt es sich um diesen konkreten Fall um ein Beispiel für eine zukunftsbezogene Tatsache. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team
Quanzomania
6.5.2024, 15:42:40
Aber ist es dann nicht keine Tatsache, weil es ja eben nicht so ist?
MusterschüLAW
14.6.2024, 16:17:29
@[Quanzomania](228437) Ich glaube, du musst dich vom Alltagsverständnis des Tatsachenbegriffs lösen: Eine Tatsache hat einen überprüfbaren Kern. Die Prüfung des Kerns kann ergeben, dass die Tatsache richtig ist oder eben nicht. Nicht die Richtigkeit macht eine Aussage zur Tatsache, sondern die Überprüfbarkeit.
JCF
23.7.2024, 20:11:52
@[Quanzomania](228437) @[MusterschüLAW](124998) Streng genommen gibt es keine "falschen Tatsachen", weil eine Tatsache an sich wahr sein muss, um eine Tatsache zu sein. Der Ausdruck "falsche Tatsache" wird aber oft verwendet, um falsche Behauptungen, falsche Angaben oder falsche Aussagen über die Wirklichkeit zu bezeichnen. Ein treffenderer Ausdruck wäre jedoch "falsche Behauptungen über Tatsachen" oder "falsche Tatsachenbehauptung". Zusammengefasst: Eine Tatsache kann nicht falsch sein, eine Behauptung darüber schon. 😉
Raphaeljura
12.6.2023, 03:51:32
aber es ist zugleich auch ein Sachmangel? Demnach kann er beides machen.
Antonia
6.9.2024, 16:22:14
Was ist mit „Erklärender über seine innere Überzeugung hinwegtäuscht“ (wodurch Prognosen doch als Tatsachen gewertet werden)?
hannabuma
23.11.2024, 11:10:06
V ist innerlich davon überzeugt, dass die Steuervorteile und Mieteinnahmen die Immobilienkosten nicht übersteigen. Die Überzeugung ist nicht nur eine bloß willkürliche Aussage des V aus einem Bauchgefühl, sondern basiert auf einem Tatsachenkern. Deswegen ist die Prognose hier eine Tatsache. Über diese innere Überzeugung täuscht V den K hinweg, indem er ihm das Gegenteil dieser Prognose erzählt.