Prognose als Tatsache? – Anfechtung wegen arglistiger Täuschung


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Jurafuchs

V verkauft formwirksam eine Immobilie an K. Er beteuert, sie werde sich mit der Steuerersparnis und den Mieteinnahmen von selbst tragen. Tatsächlich übersteigen die Kosten der Immobilie die Steuereinsparungen und Mieteinnahmen deutlich, was V wusste.

Einordnung des Falls

Prognose als Tatsache? – Anfechtung wegen arglistiger Täuschung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 4 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. K kann seine Willenserklärung, gerichtet auf den Abschluss des Kaufvertrags über die Immobilie, anfechten, wenn V ihn durch arglistige Täuschung zur Abgabe bestimmt hat (§ 123 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

§ 123 BGB ermöglicht es, eine Willenserklärung anzufechten, wenn infolge missbilligenswerten Verhaltens des Geschäftsgegners die Freiheit der Willensentschließung des Erklärenden fehlte. Die Anfechtung wegen arglistiger Täuschung setzt voraus: (1) Der Geschäftsgegner muss den Erklärenden getäuscht haben, (2) die Täuschung muss sich auf Tatsachen beziehen, (3) widerrechtlich gewesen sein und (4) zu einem Irrtum des Getäuschten geführt haben, der (5) mitursächlich war für die Abgabe der Willenserklärung. (6) Arglist erfordert einen Täuschungswillen, aber im Gegensatz zum Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) keinen Schädigungsvorsatz.

2. Prognosen stellen grundsätzlich keine Tatsachen dar.

Ja, in der Tat!

Tatsachen sind alle Umstände der Gegenwart oder Vergangenheit, die dem Beweis zugänglich sind. Prognosen über zukünftige Ereignisse oder Werbung sind keine Tatsachenbehauptungen. Im Gegensatz zu Umständen der Gegenwart oder Vergangenheit sind Umstände der Zukunft unsicher und nicht objektiv beweisbar. Anderes gilt, wenn diese Angaben einen nachprüfbaren Tatsachenkern enthalten oder der Erklärende über seine innere Überzeugung hinwegtäuscht.

3. Bei der Aussage des V, dass sich die Immobilie mit der Steuerersparnis und den Mieteinnahmen von selbst tragen werde, handelt es sich um eine Tatsache.

Ja!

Der Umstand, dass sich eine Immobilie von selbst tragen wird, ist eine Prognose. Prognosen sind grundsätzlich von Unsicherheiten geprägt und deswegen nicht dem Beweis zugänglich. Anderes gilt, wenn diese Angaben einen nachprüfbaren Tatsachenkern enthalten oder der Erklärende über seine innere Überzeugung hinwegtäuscht. Wenn V für den Kauf einer Eigentumswohnung mit dem Argument wirbt, dass sich das Objekt aus Mieteinnahmen und Steuervorteilen selbst tragen werde, so handelt es sich dabei nicht um unverbindliche werbemäßige Anpreisungen, sondern um objektiv nachprüfbare Angaben. Die Zahlenwerte lassen sich errechnen und überprüfen.

4. K kann seine Willenserklärung, gerichtet auf den Abschluss des Kaufvertrags über die Immobilie, anfechten (§ 123 Abs. 1 BGB).

Genau, so ist das!

V hat K widerrechtlich über Tatsachen getäuscht. K unterlag infolgedessen einem Irrtum, der ihn zur Abgabe der Willenserklärung veranlasst hat. Da V wusste, dass die Steuervorteile und Mieteinnahmen die Immobilienkosten nicht übersteigen und er K hierüber täuschen wollte, handelte er auch arglistig.

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NIC

Nickname

16.4.2022, 20:10:10

Ich dachte, die Zukunftsprognose ist keine Tatsache und mithin ist die WE auch nicht anfechtbar?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.4.2022, 18:14:34

Hallo Nickname, wenn es sich um eine bloße Zukunftsprognose gehandelt hätte, dann läge in der Tat keine Tatsache und damit auch keine arglistige Täuschung über eine Tatsache vor. Da die abgegebenen Prognosen indes einen Tatsachenkern enthielten, der überprüfbar war, liegt nicht bloß eine Zukunftsprognose vor. Aufgrund der Täuschung durch V kann K seine Willenserklärung deshalb anfechten. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

MUS

MusterschüLAW

14.6.2024, 16:12:55

Hallo @[Lukas_Mengestu](136780), dh einen überprüfbaren Tatsachenkern habe ich nur nicht, wenn etwa Gefühle Teil der Aussage sind ("Mieter werden diese Immobilie lieben!")? Eine Zukunftsprognose darf damit praktisch keinen Bezug zur Realität haben - verstehe ich das richtig? Danke und Gruß an die anderen Füchse

B.H.

B.H.

6.7.2022, 01:43:26

Wieso liegen hier Tatsachen vor ? Die Mieteinnahmen und Steuereinnahmen liegen in der Zukunft und können von nicht bestimmbaren Faktoren abhängen, wodurch der Nachweis dieser nicht möglich wäre. Oder reicht hier die Tatsache, dass sich die immobile stand jetzt mit den Berechnungen in Zukunft von selbst trägt ?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

20.7.2022, 15:07:06

Hallo b10, auch eine Zukunftsprognose kann eine Tatsache sein, wenn sie eine überprüfbaren Kern enthält. Ob sich die Kosten des Objekts durch Mieteinnahmen und Steuerersparnis tragen ist konkret zu berechnen und enthält daher einen überprüfbaren Kern. Daher handelt es sich um diesen konkreten Fall um ein Beispiel für eine zukunftsbezogene Tatsache. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

QUAN

Quanzomania

6.5.2024, 15:42:40

Aber ist es dann nicht keine Tatsache, weil es ja eben nicht so ist?

MUS

MusterschüLAW

14.6.2024, 16:17:29

@[Quanzomania](228437) Ich glaube, du musst dich vom Alltagsverständnis des Tatsachenbegriffs lösen: Eine Tatsache hat einen überprüfbaren Kern. Die Prüfung des Kerns kann ergeben, dass die Tatsache richtig ist oder eben nicht. Nicht die Richtigkeit macht eine Aussage zur Tatsache, sondern die Überprüfbarkeit.

RAP

Raphaeljura

12.6.2023, 03:51:32

aber es ist zugleich auch ein Sachmangel? Demnach kann er beides machen.


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