Zivilrecht

Kaufrecht

Sach- und Rechtsmängel

Sachmangel: Lieferung zu geringer Menge als Sachmangel – Minderlieferung

Sachmangel: Lieferung zu geringer Menge als Sachmangel – Minderlieferung

7. April 2025

16 Kommentare

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leichtmittelschwer

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
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Neues Kaufrecht 2022

K bestellt bei V 10t Gummibärchen. V liefert versehentlich nur 9t. Dies konnte K bei Anlieferung noch nicht erkennen.

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Einordnung des Falls

Sachmangel: Lieferung zu geringer Menge als Sachmangel – Minderlieferung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Sache hat einen Sachmangel, wenn sie bei Gefahrübergang von der „vereinbarten Beschaffenheit“ abweicht (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Eine Kaufsache muss den subjektiven Anforderungen entsprechen (§ 434 Abs. 1 BGB). Hierzu gehört die vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). Beschaffenheit meint natürliche (physische) Eigenschaften der Sache, aber auch deren tatsächliche, wirtschaftliche, soziale und rechtliche Beziehungen zur Umwelt, sofern sie nach der Verkehrsanschauung für die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache bedeutsam sind. Eine Beschaffenheitsvereinbarung liegt insbesondere vor, wenn der Verkäufer bei Vertragsschluss die Eigenschaften der verkauften Sache in einer bestimmten Weise umschreibt.§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.
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2. Die richtige Menge der verkauften Sache, zählt zu ihrer Beschaffenheit (§ 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Nach § 434 Abs. 2 S. 2 BGB zählt die richtige Menge zu der Beschaffenheit der Sache. Grundsätzlich liegt danach ein Mangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB vor, wenn der Verkäufer (1)nicht die vereinbarte Menge liefert. (2) die Leistung teilbar ist, (3) nur aus gleichartigen Teilen besteht, (4)der Verkäufer mit seiner Lieferung seine Erfüllungsverpflichtung als komplett erfüllt ansieht (= verdeckte Minderlieferung). Gleiches gilt für die Menge nach der üblichen und erwartbaren Beschaffenheit (§ 434 Abs. 3 S. 2 Var. 1 BGB).Die Mankolieferung wird nicht mehr wie in § 434 Abs. 3 a.F. einem Mangel bloß gleichgestellt. Vielmehr wird sie in § 434 Abs. 2 Satz 2 BGB und § 434 Abs. 3 Satz 2 BGB als Mangel eingeordnet. An der rechtlichen Verantwortung des Verkäufers ändert sich durch die veränderte Terminologie nichts.

3. Können die 10t Gummibärchen in kleinere Einheiten unterteilt werden, ohne dass diese ihren Wert verlieren?

Ja!

Die geschuldete Leistung müsste zunächst teilbar sein. Eine Leistung ist teilbar, wenn sie ohne Wertminderung und ohne Beeinträchtigung des Leistungszwecks in Teilleistungen zerlegt werden kannDie 10t Gummibärchen können ohne Wertminderungen auch in kleinere Einheiten unterteilt werden.

4. Besteht die geschuldete Leistung aus gleichartigen Teilen?

Genau, so ist das!

Nach überwiegender Auffassung setzt das Merkmal Menge nicht nur die Teilbarkeit der geschuldeten Leistung voraus. Vielmehr muss die geschuldete Menge aus gleichartigen Teilen besteht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Lieferung nach Zahl, Maß oder Gewicht hinter den geschuldeten Größen zurückbleibt.Die geschuldeten 10t Gummibären setzen sich aus einer Vielzahl gleichartiger Gummibären zusammen. Die gelieferten 9t unterscheiden sich insofern allein hinsichtlich Gewicht und Anzahl von der geschuldeten Leistung.

5. Hat V durch die Lieferung zu erkennen gegeben, dass er nur eine Teilleistung (§ 266 BGB) erbringen möchte?

Nein!

Der Verkäufer muss mit der Lieferung seine Erfüllungsverpflichtung als komplett erfüllt ansehen (verdeckte Minderlieferung). Dabei ist der objektive Empfängerhorizont des Käufers zu beachten. Wenn für den Käufer offensichtlich eine Teillieferung (offene Minderlieferung) vorliegt, handelt es sich nicht um einen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2 BGB, sondern um eine Teilleistung nach § 266 BGB.V hat keinen Hinweis gegeben, dass es sich bei der Lieferung lediglich um eine Teilleistung handeln sollte.Hintergrund der Differenzierung ist, dass bei Vorliegen eines Mangels der Käufer auf die kürzeren kaufrechtlichen Verjährungsfristen verwiesen wird. Dies erscheint unbillig, wenn der Käufer zugunsten des Verkäufers eine Teilleistung annimmt, obwohl er hierzu rechtlich nicht verpflichtet ist. Deswegen soll ihm in diesem Fall auch bzgl. des restlichen Teils die längere Regelverjährung von 3 Jahren zugute kommen, die für § 433 Abs. 1 BGB gilt.

6. Vs Lieferung von 9t Gummibärchen ist als Lieferung einer mangelhaften Sachen einzuordnen (§ 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Nach § 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2, Abs. 3 S. 2 BGB liegt ein Sachmangel vor, wenn der Verkäufer bei einer gleichartigen und teilbaren Leistung eine zu geringe Menge (Minderlieferung) liefert und er damit seine Lieferpflicht als erfüllt ansieht. Bei den geschuldeten Gummibärchen handelt es sich um eine teilbare und gleichartige Leistung. V hat eine Tonne zu wenig davon geliefert und mangels entgegenstehendem Hinweis damit zu erkennen gegeben, dass er seine Leistung als erfüllt ansieht. Es liegt damit keine Teilleistung i.S.v. § 266 BGB, sondern eine mangelhafte Leistung vor.

7. Hat V die richtige Menge i.S.v. § 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2 BGB geliefert?

Nein!

Nach dem Wortlaut (Menge) könnte eine Abweichung von den subjektiven bzw. objektiven Anforderungen sowohl bei einer Zuviellieferung, als auch bei einer Zuweniglieferung vorliegen. Nach dem Zweck der Norm und der Systematik des BGB, ist indes lediglich die Zuweniglieferung vom Kaufmängelgewährleistungsrecht umfasst (str.).V hat eine Tonne Gummibärchen zu wenig geliefert. Damit entspricht die Lieferung nicht der vereinbarten Menge. Der Verkäufer kann zuviel gelieferte Waren über das Bereicherungsrecht zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB).
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

JO

jomolino

20.1.2022, 09:55:27

Könntet ihr die Vertiefung bei der vorletzten Frage nochmal ausführen? Das habe ich nicht verstanden. Wenn die kürzere Verjährung unbillig erscheint, warum nimmt man dann gerade bei der verdeckten

Mankolieferung

einen Mangel an. Der Käufer ist doch schutzwürdiger als bei einer offenen

Mankolieferung

?

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

20.1.2022, 10:43:57

Hi nomamo, dass im Kaufrecht grundsätzlich eine kürzere Verjährungsfrist greift, ist vom Gesetzgeber gewollt. Insoweit unterscheidet sich die

verdeckte Mankolieferung

nicht von anderen Mängeln. Bei der offenen

Mankolieferung

hat der Kunde aber die Wahl: Nehme ich diese nun an oder schicke ich den Verkäufer damit wieder nach Hause. Denn grundsätzlich ist der Gläubiger nicht zur Annahme einer

Teilleistung

verpflichtet (§ 266 BGB). Nimmt er die Ware nicht an, so unterliegt sein Leistungsanspruch (§ 433 Abs. 1 BGB) der Regelverjährung. Würde man die Anname der

Teilleistung

nun als mangelhafte Leistung ansehen, so unterläge der restliche Anspruch nur noch der kaufrechtlichen Verjährung. Um dies zu vermeiden, wertet man die offene

Teilleistung

nicht als

Mankolieferung

. Beste Grüße, Lukas

RUBI

Rubinho

6.8.2023, 22:13:34

Ist hier der „springende“ Punkt wirklich die Verjährungsfrist? Viel relevante ist doch, dass im Falle der verdeckten

Mankolieferung

die Gewährleistungsrechte greifen, d.h. der K kann von V z.B. Nacherfüllung in Form von z.B. Beseitigung des Mangels (= fehlende 1 Tonne Bärchen) oder Lieferung der mangelfreien Sache (= 10 Tonnen Bärchen) verlangen.

Sebastian Schmitt

Sebastian Schmitt

22.1.2025, 08:49:11

Hallo @[Rubinho](135006), ich bin nicht ganz sicher, was Du genau mit "spingender Punkt" meinst. Falls ich Deine Frage nachfolgend noch nicht treffe, melde Dich gerne nochmal. Anspruch auf seine 10 t Gummibärchen hat der Käufer ja ohnehin: Bei der offenen

Minderlieferung

kann er die

Teilleistung

schon nach § 266 BGB ablehnen, jedenfalls hat er aber aus dem Kaufvertrag Anspruch auf die fehlenden Bärchen. Bei der verdeckten

Minderlieferung

ist es so, wie Du gesagt hast, und er erhält letztlich seine 10 t über die §§ 433 ff BGB. Das ist natürlich rechtlich eine unterschiedliche Herleitung, das Ergebnis ist aber in vielen Fällen identisch. Spannender ist die Frage, wann diese beiden Möglichkeiten in der Sache mal zu unterschiedlichen Ergebnissen führen. Und die Verjährung ist da eben einer der wesentlichen Aspekte. Viele Grüße, Sebastian - für das Jurafuchs-Team

QP

qprgx

13.3.2024, 17:14:27

Zum Verständnis iBa

Minderlieferung

en und allen Rechten, die der Käufer geltend machen kann: Wenn es sich um eine versteckte

Minderlieferung

handelt, dann würde beim

Schadensersatz statt der Leistung

§ 281 I 3 BGB und beim

Rücktritt

§ 323 V 2 BGB gelten. Wenn es sich um eine offene

Minderlieferung

handelt und der Käufer diese trotzdem angenommen hat, dann sind § 281 I 2 BGB bzw. § 323 V 1 BGB einschlägig und der Käufer müsste seinen Interessenfortfall geltend machen. Richtig?

Nora Mommsen

Nora Mommsen

14.3.2024, 16:51:20

Hallo qprgx, danke für deine Frage. Genauso ist es: bei einer offenen

Mankolieferung

handelt es sich um ein

Teilleistung

. Dadurch bleibt zunächst für den nicht gelieferten Teil der

Nacherfüllungsanspruch

bestehen. Für

Schadensersatz

und

Rücktritt

bezüglich des ausgebliebenen Teils der Lieferung ist dann erst eine Frist zur Nacherfüllung erforderlich.

Rücktritt

vom gesamten Vertrag oder auch

Schadensersatz

ist dann nur möglich, wenn der Käufer Interessenfortfall bezüglich der gesamten Leistung darlegen kann. Normativ ist dies für den

Rücktritt

in § 323 Abs. 5 S. 1 BGB und den

Schadensersatz

in § 281 Abs. 1 S. 2 BGB (

großer Schadensersatz

) verankert. Beste Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team

OKA

okalinkk

30.3.2025, 21:36:05

Inwiefern besteht für den nichtgelieferten Teil ein

Nacherfüllungsanspruch

? Bei einer offenen

Mankolieferung

liegt doch gerade eine

Teilleistung

und kein Mangel vor? Insofern hat der Käufer bzgl. der ausgebliebenen Leistung doch einen primären Erfüllungsanspruch und nicht einen

Nacherfüllungsanspruch

? @[Nora Mommsen](178057)

BENR

BenRie

21.2.2025, 16:52:34

In der angegeben Fundstelle im Grüneberg, Rn 39 steht was zum Thema Voraussetzungen der

Falschlieferung

. Ist hier ein Fehler?

Dodo Shi

Dodo Shi

25.3.2025, 16:55:26

Hallo BenRie, vielen Dank für Deinen Hinweis! Wir haben den Fehler auf unsere Liste gesetzt und werden ihn im nächsten Korrekturgang beheben. Deine Aufmerksamkeit hilft uns, die Qualität unserer Inhalte hochzuhalten. Wir werden diesen Thread als erledigt markieren, sobald wir den Fehler behoben haben. Beste Grüße, Dodo Shi, für das Jurafuchs-Team

Dolo Agate

Dolo Agate

5.3.2025, 05:51:20

Liebes Jura-Fuchs Team, ich habe mich sehr gewundert, warum da nix zu der Rüge

obliegenheit

nach HGB stand, anfangs dachte ich, dass die Aufgabe darauf hinaus will. Vielleicht ergänzt ihr das noch 💖


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