Zivilrecht

Kaufrecht

Sach- und Rechtsmängel

Sachmangel: Lieferung zu geringer Menge als Sachmangel – Minderlieferung

Sachmangel: Lieferung zu geringer Menge als Sachmangel – Minderlieferung

9. Juli 2025

22 Kommentare

4,8(63.703 mal geöffnet in Jurafuchs)

[...Wird geladen]

+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)

Jurafuchs
Tags
Neues Kaufrecht 2022

K bestellt bei V 10t Gummibärchen. V liefert versehentlich nur 9t. Dies konnte K bei Anlieferung noch nicht erkennen.

Diesen Fall lösen [...Wird geladen] der 15.000 Nutzer:innen unseres digitalen Tutors "Jurafuchs" richtig.

...Wird geladen

Einordnung des Falls

Sachmangel: Lieferung zu geringer Menge als Sachmangel – Minderlieferung

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 7 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Eine Sache hat einen Sachmangel, wenn sie bei Gefahrübergang von der „vereinbarten Beschaffenheit“ abweicht (§ 434 Abs. 1 S. 1 BGB).

Genau, so ist das!

Eine Kaufsache muss den subjektiven Anforderungen entsprechen (§ 434 Abs. 1 BGB). Hierzu gehört die vereinbarte Beschaffenheit (§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB). Beschaffenheit meint natürliche (physische) Eigenschaften der Sache, aber auch deren tatsächliche, wirtschaftliche, soziale und rechtliche Beziehungen zur Umwelt, sofern sie nach der Verkehrsanschauung für die Brauchbarkeit oder den Wert der Sache bedeutsam sind. Eine Beschaffenheitsvereinbarung liegt insbesondere vor, wenn der Verkäufer bei Vertragsschluss die Eigenschaften der verkauften Sache in einer bestimmten Weise umschreibt.§ 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB n.F. entspricht dem bis zum 31.12.2021 geltenden § 434 Abs. 1 S. 1 BGB a.F.
Zivilrecht-Wissen in 5min testen
Teste mit Jurafuchs kostenlos dein Zivilrecht-Wissen in nur 5 Minuten.

2. Die richtige Menge der verkauften Sache zählt zu ihrer Beschaffenheit (§ 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2 BGB).

Ja, in der Tat!

Nach § 434 Abs. 2 S. 2 BGB zählt die richtige Menge zu der Beschaffenheit der Sache. Grundsätzlich liegt danach ein Mangel nach § 434 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 BGB vor, wenn der Verkäufer (1)nicht die vereinbarte Menge liefert. (2) die Leistung teilbar ist, (3) nur aus gleichartigen Teilen besteht, (4)der Verkäufer mit seiner Lieferung seine Erfüllungsverpflichtung als komplett erfüllt ansieht (= verdeckte Minderlieferung). Gleiches gilt für die Menge nach der üblichen und erwartbaren Beschaffenheit (§ 434 Abs. 3 S. 2 Var. 1 BGB).Die Mankolieferung wird nicht mehr wie in § 434 Abs. 3 a.F. einem Mangel bloß gleichgestellt. Vielmehr wird sie in § 434 Abs. 2 Satz 2 BGB und § 434 Abs. 3 Satz 2 BGB als Mangel eingeordnet. An der rechtlichen Verantwortung des Verkäufers ändert sich durch die veränderte Terminologie nichts.

3. Können die 10t Gummibärchen in kleinere Einheiten unterteilt werden, ohne dass diese ihren Wert verlieren?

Ja!

Die geschuldete Leistung müsste zunächst teilbar sein. Eine Leistung ist teilbar, wenn sie ohne Wertminderung und ohne Beeinträchtigung des Leistungszwecks in Teilleistungen zerlegt werden kannDie 10t Gummibärchen können ohne Wertminderungen auch in kleinere Einheiten unterteilt werden.

4. Besteht die geschuldete Leistung aus gleichartigen Teilen?

Genau, so ist das!

Nach überwiegender Auffassung setzt das Merkmal Menge nicht nur die Teilbarkeit der geschuldeten Leistung voraus. Vielmehr muss die geschuldete Menge aus gleichartigen Teilen bestehen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die Lieferung nach Zahl, Maß oder Gewicht hinter den geschuldeten Größen zurückbleibt.Die geschuldeten 10t Gummibären setzen sich aus einer Vielzahl gleichartiger Gummibären zusammen. Die gelieferten 9t unterscheiden sich insofern allein hinsichtlich Gewicht und Anzahl von der geschuldeten Leistung.

5. Hat V durch die Lieferung zu erkennen gegeben, dass er nur eine Teilleistung (§ 266 BGB) erbringen möchte?

Nein!

Der Verkäufer muss mit der Lieferung seine Erfüllungsverpflichtung als komplett erfüllt ansehen (verdeckte Minderlieferung). Dabei ist der objektive Empfängerhorizont des Käufers zu beachten. Wenn für den Käufer offensichtlich eine Teillieferung (offene Minderlieferung) vorliegt, handelt es sich nicht um einen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2 BGB, sondern um eine Teilleistung nach § 266 BGB.V hat keinen Hinweis gegeben, dass es sich bei der Lieferung lediglich um eine Teilleistung handeln sollte.Hintergrund der Differenzierung ist, dass bei Vorliegen eines Mangels der Käufer auf die kürzeren kaufrechtlichen Verjährungsfristen verwiesen wird. Dies erscheint unbillig, wenn der Käufer zugunsten des Verkäufers eine Teilleistung annimmt, obwohl er hierzu rechtlich nicht verpflichtet ist. Deswegen soll ihm in diesem Fall auch bzgl. des restlichen Teils die längere Regelverjährung von 3 Jahren zugutekommen, die für § 433 Abs. 1 BGB gilt.

6. Vs Lieferung von 9t Gummibärchen ist als Lieferung einer mangelhaften Sache einzuordnen (§ 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2 BGB).

Genau, so ist das!

Nach § 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2, Abs. 3 S. 2 BGB liegt ein Sachmangel vor, wenn der Verkäufer bei einer gleichartigen und teilbaren Leistung eine zu geringe Menge (Minderlieferung) liefert und er damit seine Lieferpflicht als erfüllt ansieht. Bei den geschuldeten Gummibärchen handelt es sich um eine teilbare und gleichartige Leistung. V hat eine Tonne zu wenig davon geliefert und mangels entgegenstehendem Hinweis damit zu erkennen gegeben, dass er seine Leistung als erfüllt ansieht. Es liegt damit keine Teilleistung i.S.v. § 266 BGB, sondern eine mangelhafte Leistung vor.

7. Hat V die richtige Menge i.S.v. § 434 Abs. 2 S. 2 Var. 2 BGB geliefert?

Nein!

Nach dem Wortlaut (Menge) könnte eine Abweichung von den subjektiven bzw. objektiven Anforderungen sowohl bei einer Zuviellieferung als auch bei einer Zuweniglieferung vorliegen. Nach dem Zweck der Norm und der Systematik des BGB ist indes lediglich die Zuweniglieferung vom Kaufmängelgewährleistungsrecht umfasst (str.).V hat eine Tonne Gummibärchen zu wenig geliefert. Damit entspricht die Lieferung nicht der vereinbarten Menge. Der Verkäufer kann zuviel gelieferte Waren über das Bereicherungsrecht zurückverlangen (§ 812 Abs. 1 S. 1 BGB).
Dein digitaler Tutor für Jura
Zivilrecht-Wissen testen
Jurafuchs
Eine Besprechung von:
Jurafuchs Brand
facebook
facebook
facebook
instagram

Jurafuchs ist eine Lern-Plattform für die Vorbereitung auf das 1. und 2. Juristische Staatsexamen. Mit 15.000 begeisterten Nutzern und 50.000+ interaktiven Aufgaben sind wir die #1 Lern-App für Juristische Bildung. Teste unsere App kostenlos für 7 Tage. Für Abonnements über unsere Website gilt eine 20-tägige Geld-Zurück-Garantie - no questions asked!


Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community

Dein digitaler Tutor für Jura
Zivilrecht-Wissen testen