Hallo GraceyLou,
vielen Dank für die klasse Nachfrage! Die Antwort hierauf ist leider weniger befriedigend. Wie JoBl im parallelen Thread schon richtig ausgeführt hat, beschäftigt sich der BGH in dem Druckerei-Fall aus dem Jahr 1976 (inkonsequenterweise) nur oberflächlich mit dem Eigentum und lehnt eine Verletzung schlicht mit der Begründung ab, es sei ja nichts beschädigt oder zerstört worden. Mit der Frage der Nutzungsbeeinträchtigung beschäftigt er sich überhaupt nicht, was umso mehr verwundert, als nur wenige Jahre zuvor (1970) in der sogenannten "Fleet-Entscheidung" (BGH NJW 1971, 886) vom BGH entschieden worden war, dass eben nicht nur eine Beeinträchtigung der Substanz, sondern auch eine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit als Eigentumsverletzung qualifiziert werden kann. Danach liege eine Eigentumsverletzung bei einer Beeinträchtigung des bestimmungsgemäßen Gebrauchs dann vor, wenn auf die Sache selbst eingewirkt und dadurch der bestimmungsgemäße Gebrauch vollständig entzogen wird. Es komme also auf die Intensität der Nutzungsbeeinträchtigung an: Ist die Verwendungsfähigkeit der Sache praktisch aufgehoben und entspricht die Beeinträchtigung damit einem Sachentzug, wird die Eigentumsverletzung bejaht, ist dagegen nur eine bestimmte Verwendungsmodalität bzw. eine Mehrzahl von Verwendungszwecken, die das Einsatzpotential nicht erschöpfen, ausgeschlossen, liege keine Eigentumsverletzung vor. Vielmehr liege dann primär ein Eingriff in die (deliktsrechtlich grundsätzlich nicht geschützte) Handlungsfreiheit vor. Wann die Erheblichkeitsschwelle überschritten ist, ist dann wieder eine Frage des Einzelfalls.
Im Druckereifall beschäftigte der BGH sich leider primär mit der Frage, ob hier ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb besteht. Diesen lehnte er im Ergebnis mit der Begründung ab, dass es an der Betriebsbezogenheit des Eingriffes fehlt. Eine Stellungnahme bzgl. der Erheblichkeit der Nutzungseinschränkung fehlt gänzlich. Dies wurde auch in der Literatur kritisiert (vgl. zB Möschel, Der Schutzbereich des Eigentums nach § 823 Abs. 1 BGB, Jus 1977, 1; BeckOGK/Spindler, 1.5.2021, BGB, § 823 Rn. 136).
Grundsätzlich hätte man hier aber durchaus auch argumentieren können, dass die Erheblichkeitsschwelle noch nicht überschritten wurde, wenn lediglich wenige Stunden die Stromzufuhr unterbrochen war (aA vertretbar).
Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team