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Jurafuchs

W ist Wohnungsbesetzer und hat sich in einem alten Haus am Rand von Berlin niedergelassen. Als die Polizei ihn daraus auf Geheiß der Eigentümerin E vertreiben möchte, beruft er sich auf Art. 13 Abs. 1 GG.

Einordnung des Falls

Hausbesetzer

Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt

1. Der persönliche Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG setzt die Rechtmäßigkeit des Besitzes an der Wohnung voraus.

Nein, das trifft nicht zu!

Art. 13 Abs. 1 GG zielt auf den Schutz der räumlichen Privatsphäre und nicht den des Besitzrechts. Entscheidend ist hierbei, dass die Wohnung als die räumliche Privatsphäre des Grundrechtsträgers eingestuft werden kann. Für die Eröffnung des persönlichen Schutzbereichs kommt es also nicht auf die Rechtmäßigkeit des Besitzes an.

2. Ein Berufen auf Art. 13 Abs. 1 GG ist für Hausbesetzer wegen der Widerrechtlichkeit der Besetzung ausgeschlossen, wenn der Eigentümer sein Recht verfolgt.

Ja!

Hausbesetzer erlangen ihr Recht aus Art. 13 Abs. 1 GG nicht aus der Besetzung, sondern daraus, dass sich dort nach einiger Zeit eine „Atmosphäre des Privatlebens“ bildet. Bei der Wohnungsbegründung durch unmittelbaren Besitz ist die Grundrechtsträgerschaft von Hausbesetzern bei evidenten Vorrechten Dritter hingegen auszuschließen. Eine Ansicht versagt Hausbesetzern ein Berufen auf Art. 13 Abs. 1 GG, sofern der Eigentümer seine Duldung nicht deutlich zum Ausdruck bringt. Nach anderer Ansicht entfällt der Schutz des Art. 13 Abs. 1 GG nur, wenn der Eigentümer sein Recht verfolgt. Je nach Einzelfall kann sich also ein Hausbesetzer auch auf Art. 13 Abs. 1 GG berufen. E verfolgt ihr Recht und bringt damit deutlich zum Ausdruck, dass sie W nicht duldet. Nach allen Ansichten ist der persönliche Schutzbereich nicht eröffnet.

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ri

ri

17.7.2021, 21:02:27

Also: Gekündigte Wohnung: SB 13 + Gekapertes Haus: SB 13 - wegen *evidenter* Widerrechtlichkeit? Warum nicht auf Rechtfertigungsebene lösen durch praktische Konkordanz?

RAY

Ray

22.7.2021, 17:29:25

Das hatte ich mich auch gefragt 👍😉

Melanie 🐝

Melanie 🐝

29.8.2021, 10:03:05

Ich würde es auch erst auf der Rechtfertigungsebene lösen, sonst kann einem in der Klausur auch vorgeworfen werden, man würde nicht genau arbeiten

Lukas_Mengestu

Lukas_Mengestu

13.12.2021, 12:18:23

Hallo ihr drei, die Unterscheidung ergibt sich nicht zwingend aus dem Wortlaut der Verfassung. Sie wird aber von dem Großteil der verfassungsrechtlichen Literatur geteilt (vgl. Gornig, in: v. Mangoldt/Klein/Starck-GG, 7.A. 2018, Art. 13 RdNr. 22). Der zentrale Unterschied zwischen dem Hausbesetzer und dem gekündigten Mieter ist, dass der Besetzer niemals ein Nutzungsrecht der Wohnung bzw. des Hauses hatte. Aufgrund des Rechtsgrundsatzes "Aus Unrecht kann kein Recht erwachsen" (lat. "ex iniuria ius non oritur") ist man sich insoweit weitgehend einig, dass der Hausbesetzer nicht in den Schutzbereich des Art. 13 GG einbezogen ist. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn der Eigentümer die Besetzung zunächst duldet oder sogar in sie eingewilligt hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team

QUIG

QuiGonTim

21.3.2022, 23:43:21

Ließe sich hier nicht auch argumentieren, dass Hausbesetzungen regelmäßig von einer schwerpunktmäßig politischen Motivation, insbesondere gerichtet auf Verhinderung des Verkaufs einer einzelnen Immobilie oder der Gentrifizierung ganzer Stadtviertel, getragen wird? Die Hausbesetzung dient damit allenfalls sekundär der Schaffung eines Bereichs zur privaten Lebensführung.

Jakob G.

Jakob G.

17.4.2022, 12:14:49

@[QuiGonTim](133054) Hausbesetzung kann auch das Schaffen von Wohnraum für Obdachlose bezwecken. Insofern ist dein Einwand, sofern keine Anhaltspunkte im Fall vorliegen, wohl etwas unscharf.

OFAC

omnimodo facturus

25.7.2022, 09:51:20

Mir erschließt sich nicht, wieso die Eröffnung des Schutzbereichs von "evidenten Vorrechten Dritter" abhängen soll. Die SB-Eröffnung rechtfertigt ja weder die Hausbesetzung, noch berechtigt sie zum Verbleib. Zweck ist es ja gerade die räumliche Privatsphäre gegen staatlichen (!) Zugriff zu schützen, sodass die Hausbesetzer gleichermaßen schutzwürdig sind und sich der Gefahr ausgesetzt sehen können, dass staatliche Organe in diese geschützte Sphäre eingreifen (Lauschangriffe etc.).

Nora Mommsen

Nora Mommsen

11.8.2022, 11:19:55

Hallo

omnimodo facturus

, Träger des Grundrechts ist jeder Bewohner oder Inhaber eines Wohnraums ohne Rücksicht darauf, auf welchen Rechtsverhältnissen sein Wohnen oder Wirken in diesem Raum beruht. Daher ist es beispielsweise der Mieter, nicht aber der die Wohnung nicht innehabende Eigentümer. Eine unberechtigt eingedrungene Person kann sich nach überwiegender Meinung nicht auf das Grundrecht berufen. Viele sehen den durch verbotene Eigenmacht begründeten Besitz als nicht geschützt an. Dies ist nicht unumstritten. (MKS/Gornig Rn. 33; Maunz/Dürig/Papier Rn. 12). Deiner Ansicht sind Dreier/Hermes Rn. 22. Andere, wie Kluckert in BeckOK GG, Rn. 4 suchen die Lösung daher eher auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team


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