Hausbesetzer
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
W ist Wohnungsbesetzer und hat sich in einem alten Haus am Rand von Berlin niedergelassen. Als die Polizei ihn daraus auf Geheiß der Eigentümerin E vertreiben möchte, beruft er sich auf Art. 13 Abs. 1 GG.
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Einordnung des Falls
Hausbesetzer
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. Der persönliche Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG setzt die Rechtmäßigkeit des Besitzes an der Wohnung voraus.
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Ein Berufen auf Art. 13 Abs. 1 GG ist für Hausbesetzer wegen der Widerrechtlichkeit der Besetzung ausgeschlossen, wenn der Eigentümer sein Recht verfolgt.
Ja!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
ri
17.7.2021, 21:02:27
Also: Gekündigte Wohnung: SB 13 + Gekapertes Haus: SB 13 - wegen *evidenter* Widerrechtlichkeit? Warum nicht auf Rechtfertigungsebene lösen durch praktische Konkordanz?
Ray
22.7.2021, 17:29:25
Das hatte ich mich auch gefragt 👍😉
Melanie 🐝
29.8.2021, 10:03:05
Ich würde es auch erst auf der Rechtfertigungsebene lösen, sonst kann einem in der Klausur auch vorgeworfen werden, man würde nicht genau arbeiten
Lukas_Mengestu
13.12.2021, 12:18:23
Hallo ihr drei, die Unterscheidung ergibt sich nicht zwingend aus dem Wortlaut der Verfassung. Sie wird aber von dem Großteil der verfassungsrechtlichen Literatur geteilt (vgl. Gornig, in: v. Mangoldt/Klein/Starck-GG, 7.A. 2018, Art. 13 RdNr. 22). Der zentrale Unterschied zwischen dem Hausbesetzer und dem gekündigten Mieter ist, dass der Besetzer niemals ein Nutzungsrecht der Wohnung bzw. des Hauses hatte. Aufgrund des Rechtsgrundsatzes "Aus Unrecht kann kein Recht erwachsen" (lat. "ex iniuria ius non oritur") ist man sich insoweit weitgehend einig, dass der Hausbesetzer nicht in den Schutzbereich des Art. 13 GG einbezogen ist. Etwas anderes kann sich ergeben, wenn der Eigentümer die Besetzung zunächst duldet oder sogar in sie eingewilligt hat. Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
QuiGonTim
21.3.2022, 23:43:21
Ließe sich hier nicht auch argumentieren, dass
Hausbesetzungen regelmäßig von einer schwerpunktmäßig politischen Motivation, insbesondere gerichtet auf Verhinderung des Verkaufs einer einzelnen Immobilie oder der Gentrifizierung ganzer Stadtviertel, getragen wird? Die
Hausbesetzungdient damit allenfalls sekundär der Schaffung eines Bereichs zur privaten Lebensführung.
Jakob G.
17.4.2022, 12:14:49
@[QuiGonTim](133054)
Hausbesetzungkann auch das Schaffen von Wohnraum für Obdachlose bezwecken. Insofern ist dein Einwand, sofern keine Anhaltspunkte im Fall vorliegen, wohl etwas unscharf.
omnimodo facturus
25.7.2022, 09:51:20
Mir erschließt sich nicht, wieso die Eröffnung des Schutzbereichs von "evidenten Vorrechten Dritter" abhängen soll. Die SB-Eröffnung rechtfertigt ja weder die
Hausbesetzung, noch berechtigt sie zum Verbleib. Zweck ist es ja gerade die räumliche Privatsphäre gegen staatlichen (!) Zugriff zu schützen, sodass die Hausbesetzer gleichermaßen schutzwürdig sind und sich der Gefahr ausgesetzt sehen können, dass staatliche Organe in diese geschützte Sphäre eingreifen (Lauschangriffe etc.).
Nora Mommsen
11.8.2022, 11:19:55
Hallo omnimodo facturus, Träger des Grundrechts ist jeder Bewohner oder Inhaber eines Wohnraums ohne Rücksicht darauf, auf welchen Rechtsverhältnissen sein Wohnen oder Wirken in diesem Raum beruht. Daher ist es beispielsweise der Mieter, nicht aber der die Wohnung nicht innehabende Eigentümer. Eine unberechtigt eingedrungene Person kann sich nach überwiegender Meinung nicht auf das Grundrecht berufen. Viele sehen den durch
verbotene Eigenmachtbegründeten Besitz als nicht geschützt an. Dies ist nicht unumstritten. (MKS/Gornig Rn. 33; Maunz/Dürig/Papier Rn. 12). Deiner Ansicht sind Dreier/Hermes Rn. 22. Andere, wie Kluckert in BeckOK GG, Rn. 4 suchen die Lösung daher eher auf der Ebene der Eingriffsrechtfertigung. Viele Grüße, Nora - für das Jurafuchs-Team