Strafrecht
Strafrecht Allgemeiner Teil
Subjektiver Tatbestand
Irrtum über den Kausalverlauf (Verfrühter Erfolg)
Irrtum über den Kausalverlauf (Verfrühter Erfolg)
+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
T betäubt zu Hause seine Frau F und legt sie in den Kofferraum seines BMWs. Er will F nach mehrstündiger Fahrt im Wald eine Unterschrift unter eine Generalvollmacht abnötigen und sie dann erstechen. F stirbt bereits auf der Fahrt an Sauerstoffmangel.
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Einordnung des Falls
Irrtum über den Kausalverlauf (Verfrühter Erfolg)
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 2 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat zur Tötung (§ 212 StGB) der F bereits unmittelbar angesetzt (§ 22 StGB).
Nein, das trifft nicht zu!
Jurastudium und Referendariat.
2. Entgleitet dem Täter der Kausalverlauf bereits in der Vorbereitungsphase, liegt eine unwesentliche Abweichung vor.
Nein!
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Fragen und Anmerkungen aus der Jurafuchs-Community
Rüsselrecht 🐘
29.5.2021, 12:56:01
Der Zwischenakt ist die Erlangung der Unterschrift unter die Vollmacht, oder? Würde der Täter seine Frau ohne dieses Ziel in den Kofferraum legen um Sie im Wald zu töten und verstirbt die Ehefrau im Auto, so wäre die Versuchsschwelle überschritten oder anders gefragt, was wäre in meinen gekürzten Sachverhalt ein Zwischenakt der den ungestörten Fortgang der geplanten Tatbestandsverwirklichung hindert? Danke Euch.
Tigerwitsch
29.5.2021, 13:43:12
Genau, der Zwischenakt ist, dass die F zunächst die Unterschrift leistet. Nach der Vorstellung des T hat er die Schwelle zum „Jetzt-geht-es-los“ bzgl. des Todes nicht überschritten. Zu Deiner Abwandlung: ME kann man gut argumentieren, dass T (im Rahmen der
Vorsatzprüfung) mit dem Einsperren bereits nach seiner Vorstellung unmittelbar zur Tötung angesetzt hat. Sofern T vorhatte, die F sofort bei Ankunft im Wald zu töten, wären keine wesentlichen Zwischenschritte erforderlich gewesen, um den Erfolg zu erreichen. Mit anderen Worten: Die F war sozusagen „gefangen“ im Auto und ihr Schicksal sozusagen „besiegelt“. Dagegen kann man durchaus einwenden, dass aufgrund der Autofahrt zumindest der zeitliche Zusammenhang fraglich ist. Insgesamt muss man auch untersuchen, ob man ein sog. „Gesamtgeschehen“ annehmen kann.
Rüsselrecht 🐘
29.5.2021, 13:47:23
Danke 🙏 Abzuklären wäre also inwieweit die konkrete Gefährdung im Sinne der Durchführung der Tötung fortgeschritten ist.
Tigerwitsch
29.5.2021, 14:23:32
Joul
24.4.2022, 16:11:42
Verstehe ich das richtig, dass sein unrechtmäßiges Ziel der Nötigung zur Unterschrift T dabei „hilft“ den
Vorsatzfür die Kofferraum Tötung entfallen zu lassen? Wenn ich es richtig verstanden habe, da er vor der vorgestellten Waldtötung ja noch ein eigenes Zwischenziel, nämlich die Unterschrift, hatte und gerade noch nicht den Tod der F wollte?
Lukas_Mengestu
25.4.2022, 13:40:45
Hallo Joul, so ist es in der Tat. Der
Vorsatzbezieht sich ja nicht nur auf das Ergebnis (Tod der Frau), sondern auch auf die Tatausführung. Die Verurteilung wegen vorsätzlicher Herbeiführung des Taterfolgs wäre hier nur dann möglich gewesen, wenn man eine unerhebliche Abweichung des Kausalverlaufs vorliegen gehabt hätte. Diese wiederum setzt voraus, dass zumindest die Versuchsschwelle für das geplante Delikt überschritten war. Dies hat der BGH hier verneint, weil für die geplante Erstechung eben noch wesentliche Zwischenschritte gefehlt haben (Fahren in den Wald, Ausladen der Frau...). Beste Grüße, Lukas - für das Jurafuchs-Team
Jonas22
10.6.2023, 17:56:27
In vorherigen Fällen wurde geschrieben, dass die h.L. die L
ehrevon der obj. Zurechnung vertritt und die Rspr. das im
Irrtum über den Kausalverlauflöst. Müsste man diesen Fall aber immer beim
Irrtum über den Kausalverlauflösen oder könnte man ihn auch anders lösen?
Sassun
23.10.2024, 17:56:14
Könnte mir jemand bitte den rechtlichen Unterschied zur vorherigen Frage erklären (falls es überhaupt einen gibt). Für mich wirkt es so als wären beide Konstellationen Fälle des frühzeitigen Erfolgseintritts prä-Versuchsschwelle.
Kai
25.10.2024, 13:01:21
Hey Sassun, ich glaube, es besteht keiner. Auch im Fall mit der Waldhütte geht es bereits um eine reine Vorbereitungshandlung. Es heißt im Waldhütten-Fall in der letzten Antwort auch "Bewirkt der Täter einen Erfolgt früher als geplant, so kommt eine Verurteilung wg. vors. Handeln nur in Betracht, wenn die
Abweichung vom Kausalverlaufunwesentlich war. Diese Rechtsfigur ist aber nur anwendbar, wenn der Täter bereits die Versuchsschwelle überschritten hat." Insofern dürften die Fälle gleich sein, in diesem Fall hier wird lediglich noch stärker betont, dass der Täter die Schwelle zum Versuch noch nicht überschritten hat, da er ja vor der Tötung zusätzlich noch eine Generalvollmacht von seiner Frau einholen will.