+++ Sachverhalt (reduziert auf das Wesentliche)
Am Telefon überredet die A den T, zu ihr zu fahren, obwohl T ihr mitteilt, alkoholbedingt fahruntüchtig zu sein. Sie argumentiert, dass schon nichts passieren werde. Aufgrund der Alkoholisierung fährt T den O an, der sich schwer verletzt.
Einordnung des Falls
§§ 315c Abs. 1 Nr. 1a i.V.m. Abs. 3 Nr. 1, 26 StGB: Teilnahme an Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombinationen
Die Jurafuchs-Methode schichtet ab: Das sind die 5 wichtigsten Rechtsfragen, die es zu diesem Fall zu verstehen gilt
1. T hat den objektiven Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 1a Var. 1 StGB verwirklicht.
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Ja, in der Tat!
T hat seinen Pkw unter Beherrschung der dafür erforderlichen technischen Funktionen bewegt, mithin ein Fahrzeug geführt. Dies geschah auch im öffentlichen Verkehrsraum und damit im Straßenverkehr. Ferner war T alkoholbedingt fahruntüchtig. Konkret gefährdet - sogar schwer verletzt - wurde O als anderer Mensch. Schließlich hat sich in diesem Gefahrerfolg das für eine Trunkenheitsfahrt typische Risiko niedergeschlagen, weshalb auch der tatbestandsspezifische Gefahrzusammenhang gewahrt ist.
2. T hat den subjektiven Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 1a Var. 1 StGB verwirklicht.
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Nein!
§ 315c Abs. 1 StGB erfordert bezüglich aller Tatumstände (bedingten) Vorsatz. Dieser muss somit die Fahruntüchtigkeit und den Gefahrerfolg umfassen. Der Täter muss aber auch die Umstände kennen, die den Gefahrerfolg im Sinne eines Beinahe-Unfalls als naheliegende Möglichkeit erscheinen lassen und sich mit dem Eintritt dieser Gefahrenlage zumindest abfinden.
T besaß hinsichtlich der Trunkenheitsfahrt Vorsatz. T hat sich jedoch vor Fahrtantritt mit dem Argument überzeugen lassen, es werde schon nichts passieren. Mithin vertraute T darauf, dass eine Gefährdungssituation ausbleiben würde. T handelte in Bezug auf den Gefährdungsteil unvorsätzlich.
3. T hat den subjektiven Tatbestand des § 315c Abs. 1 Nr. 1a Var. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB verwirklicht.
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Genau, so ist das!
Bei § 315c Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB handelt es sich um eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination. Erforderlich ist hinsichtlich des Handlungsteils Vorsatz und hinsichtlich des Gefährdungsteils Fahrlässigkeit (= objektive Sorgfaltspflichtverletzung bei objektiver Vorhersehbarkeit der Gefahr).
Die Sorgfaltspflichtverletzung ergibt sich hier bereits aus der vorsätzlichen Trunkenheitsfahrt als solcher. Ferner liegt es nicht außerhalb des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren, dass eine Trunkenheitsfahrt zu einer kritischen Verkehrssituation, also zu einer konkreten Gefahr führt, so dass der Erfolg auch objektiv vorhersehbar war.
4. Eine Strafbarkeit der A als Anstifterin (§ 26 StGB) zu der Tat des T (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a Var. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB) scheitert bereits im objektiven Tatbestand.
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Nein, das trifft nicht zu!
Die Anstiftung (§ 26 StGB) setzt eine teilnahmefähige Haupttat voraus, also eine vorsätzliche rechtswidrige Tat eines anderen. Eine Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination steht einer Teilnahmefähigkeit nicht entgegen, weil die Gleichstellungsklausel in § 11 Abs. 2 StGB expressis verbis klarstellt, dass tatbestandliche Kombinationen aus vorsätzlicher Handlung und fahrlässig verursachtem Erfolg insgesamt wie Vorsatzdelikte behandelt werden.
Die Tat des T (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a Var. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB) ist eine solche Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kombination. Ferner hat A den T zu seiner Tat objektiv bestimmt (= Hervorrufen des Tatentschlusses).
5. Eine Strafbarkeit der A als Anstifterin (§ 26 StGB) zu der Tat des T (§ 315c Abs. 1 Nr. 1a Var. 1 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 StGB) scheitert aber im subjektiven Tatbestand.
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Nein!
Der Anstiftervorsatz muss sämtliche für den objektiven Tatbestand maßgebenden Umstände umfassen, also das Vorliegen der vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat sowie die Anstiftungshandlung (doppelter Anstiftervorsatz).
A hatte zwar Vorsatz hinsichtlich der Trunkenheitsfahrt des T. Wie T, vertraute aber auch sie darauf, dass „schon nichts passieren werde“, eine Gefährdungslage also ausbleiben würde. Folglich mangelt es ihr insoweit am Vorsatz. Die h.M. wendet jedoch § 18 StGB entsprechend an. Konsequenz ist, dass auch für den Anstifter fahrlässiges Handeln bezüglich des konkreten Gefahrerfolges ausreicht, woran hier keine Zweifel bestehen.